Von Jan Sajfutdinow, PTA aus Leipzig

Der Markt der Halsschmerzprodukte wächst stetig. Oft stellt sich den Apotheken die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Mittel. Die Werbung suggeriert, dass ihre Mittelchen „den Schmerz blockieren“, „Bakterien und Viren bekämpfen“ und „den Infekt bremsen“.

Ein Kunde betritt die Apotheke und verlangt etwas gegen akute Pharyngitis. Neben der Auswahl der richtigen Fragen um einen umfangreichen Überblick über sein klinisches Bild zu verschaffen und möglicherweise zum Arztbesuch zu raten (Fieber > 39 °C, Luftnot, besonders starke Schluckbeschwerden, eitriger Auswurf, weiße Beläge, …), ist es von essentieller Bedeutung, den Markt zu kennen und den richtigen Wirkstoff gegen die Symptomatik einzusetzen.

Wirft man einen Blick in die Halsschmerz-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, erkennt man den kritischen Blick der behandelnden Ärzte auf die aktuelle Marktsituation. „Die Anwendung von medizinischen Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder Lokalanästhetika wird nicht empfohlen. Die Anwendung von Lokalantiseptika ist nachweislich nicht sinnvoll, …“. Apotheken sollten dahingehend auch auf lange Zeit umdenken und nicht alles empfehlen, nur weil es bestimmte Präparate schon mehr als 20 Jahre gibt.

Antibiotika

Antibiotikahaltige Halsschmerzpräparate sind immer kritisch zu betrachten, da Halsschmerzen zu ca. 90 % durch Viren (Corona- und Rhinoviren) ausgelöst werden. Lokalantibiotika wie Tyrothricin und Bacitracin (obsolet) wirken im besten Fall nicht, schaden im schlimmsten Fall aber die Flora der Mundschleimhaut.

Für Fusafungin (Locabiosol® – Nasen- und Rachenspray, obsolet) wurde von der PRAC (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee – Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz) eine negative Nutzen-Risiko-Bilanz festgestellt, da der Wirkstoff schwere allergische Reaktionen verursachen und in sehr seltenen Fällen einen Bronchospasmus auslösen kann. Überdies konnte für den Wirkstoff auch kaum ein Nutzen für die Behandlung der oberen Atemwege nachgewiesen werden.

Sollte der Fall eintreten und sich auf die bestehende virale Infektion der Rachenschleimhaut eine bakterielle Superinfektion setzen, besitzen Lokalantibiotika ebenso keine Wirkung, da die Bakterien (übrigens auch Viren) zum einen zu tief im Gewebe sitzen und der Wirkstoff keine Möglichkeit hat, so tief ins Gewebe zu penetrieren, und zum anderen die Wirkstoffkonzentration zu niedrig ist, um überhaupt einen therapeutischen Effekt auslösen zu können.

Resistenzen bzw. Kreuzresistenzen der Bakterien sind bei lokal applizierten Antibiotika noch nicht nachgewiesen worden und pharmakologisch eher auszuschließen, da diese Wirkstoffe bei sachgemäßer Anwendung nicht zentral verteilt werden.

Antiseptika

Oft verarbeitet werden auch leicht wasserlösliche, quartäre Ammoniumverbindungen wie Cetylpyridiniumchlorid, Dequaliniumchlorid und Benzalkoniumchlorid verarbeitet um Viren abzutöten. Umstritten ist aber auch hier die Wirkung und Evidenzlage, da diese Wirkstoffe durch die erhöhte Speichelproduktion während des Lutschens nicht in ausreichender Dosierung an den Zielort gelangen und wirken können. Unumstritten ist hingegen aber, dass diese Wirkstoffe ein nicht zu vernachlässigendes Allergenisierungspotenzial besitzen.

Lokalanästhetika

Eingesetzt werden Ambroxol, Lidocain, und Benzocain um starke Schmerzen zu betäuben.
Häufig eingesetzt wird v.a. Benzocain, da dieser Wirkstoff im Vergleich zu seinen Konkurrenten eine sehr lange Wirkdauer aufweist. Kritisch zu sehen ist hier aber die längerfristige Anwendung, da v.a. für Benzocain ein ausgesprochen hohes Allergiepotenzial nachgewiesen ist. Für Lidocain und Ambroxol besteht als lokal anzuwendende Lutschtablette ein weitaus geringeres Risiko.

Analgetika

Mittel der Wahl sind Paracetamol und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Flurbiprofen in Einzelgaben. Letztere hemmen aktiv durch ihre Wirkweise (COX-II-Hemmung) neben den Schmerz auch das Entzündungsgeschehen, wodurch Rötungen und Schwellungen reduziert werden. V.a. bei starken Schluckbeschwerden sind diese allen anderen Wirkstoffen überlegen, selbst bei einer bestehenden bakteriellen Infektion. Aber auch hier gilt, diese Medikamente nicht länger als 3 Tage einzunehmen, um beispielsweise mögliche Nebenwirkungen am Magen zu verhindern.

Besondere Vorsicht ist bei der Abgabe von NSAR an Asthmatiker geboten. Durch die Hemmung von Cyclooxygenasen (COX) wird vermehrt Arachidonsäure in Leukotriene umgewandelt, die einen Asthmaanfall provozieren können. Im Zweifel sollte den betroffenen lieber der COX-3-Hemmer Paracetamol gegeben werden, da dieser selbst in hohen Dosen gut verträglich ist.

Schleimstoffe

Bei Trockenheitsgefühl sowie leichtem Halskratzen können Quellstoffe wie Isländisch Moos und Hyaluronsäure verwendet werden. Ihre Wirkdauer schwankt aber je nach Art der Anwendung. So sollten sie immer nach dem Essen und Trinken gelutscht werden, um eine optimale Verweildauer im Hals zu begünstigen.

Wer es ganz natürlich mag, kann auf schleimstoffhaltige Teedrogen wie Malvenblüten zurückgreifen. Die Blüten enthalten 5-12 % Heteropolysaccharide, die durch das Kaltmazerationsverfahren (ca. 5-10 Stunden bedeckt im kalten, zuvor abgekochten Wasser ziehen lassen) aufquellen und somit eine visköse Lösung bilden. Anschließendes, kurzes Erhitzen tötet entstandene Keime ab.

WAS IHR ALS PTA WISSEN SOLLTET

  • Das gesamte Apothekenteam sollte sich kritisch mit den Wirkstoffen auseinandersetzen
  • Halsschmerzen werden in erster Linie durch Viren ausgelöst
  • Die meisten Halsschmerzpräparate enthalten unnötige und nicht wirksame Wirkstoffe
  • Zu häufig verwendete Mittel können wichtige Symptome verschleiern
  • Das bloße Lutschen führt zu vermehrten Speichelfluss und zur subjektiven Linderung
  • Im Zweifel sollte ein Arzt aufgesucht werden

Quellen

  • Mutschler Arzneimittelwirkungen 9. Auflage S. 282 f.
  • Fertigarzneimittelkunde 7. Auflage S. 325, S. 388 f.
  • http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=62049
  • http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=40697
  • http://www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de/de/media/2011_Waechtler_DEGAM_Leitlinie_Halsschmerzen.pdf
  • http://www.ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=1388