Migräne bei Kindern: Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze
Migräne zählt zu den neurologischen Erkrankungen, insgesamt sind weltweit an die 15 Prozent1 der Menschen betroffen. Migräne bei Kindern und Jugendlichen ist eine weit verbreitete, aber oft unterschätzte Erkrankung. Die Symptome variieren je nach Alter und Entwicklungsstand, typischerweise treten wiederkehrende heftige Kopfschmerzen auf, die von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein können.
Eine frühzeitige Erkennung der Migräne sowie gezielte Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahmen sind entscheidend, um die Lebensqualität der Familien zu verbessern. Im Folgenden erfahrt Ihr, wie Ihr betroffene Familien in der Beratung bestmöglich unterstützen könnt.

Was ist Migräne bei Kindern?
Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die durch starke und wiederkehrende Kopfschmerzen gekennzeichnet ist und von einer Vielzahl weiterer Symptome begleitet sein kann. Bei Kindern unterscheidet sich die Migräne in mehreren Aspekten von der Migräne bei Erwachsenen. Bei Erwachsenen sind die Kopfschmerzen meist einseitig, pulsierend oder pochend, während sie bei Kindern oft beidseitig oder mittig an der Stirn auftreten und eher als drückend beschrieben werden.
Zudem kann die Dauer der Attacken bei Kindern kürzer sein. Ausgeprägte Übelkeit und Erbrechen können im Vordergrund stehen, auch ohne Kopfschmerzphase.2
Auswirkungen von Migräne auf das Leben
Zu den weiteren Begleitsymptomen zählen Licht- oder Lärmempfindlichkeit sowie Geruchsempfindlichkeit. Bei zehn bis fünfzehn Prozent1 der Betroffenen geht eine Aura der Schmerzattacke voraus, die sich durch neurologische Ausfälle (Gesichtsfeldausfall oder Flimmersehen/ Zickzacklinien, Gefühlsstörungen wie beispielsweise ein Kribbeln der Lippe oder der Hände, Taubheitsgefühle/ Lähmungen und Sprachstörungen) bemerkbar macht.
Kopfschmerzerkrankungen wie die Migräne beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen erheblich, sondern stellen auch die Eltern vor große Herausforderungen im Alltag.
Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS)
Das Alice-im-Wunderland-Syndrom (AIWS) ist eine seltene neurologische Störung, die oft mit Migräne, insbesondere bei Kindern, in Verbindung gebracht wird. Sie ist durch verzerrte Wahrnehmungen von Zeit, Raum und Körpergröße gekennzeichnet. Betroffene können das Gefühl haben, dass ihr Körper oder Teile davon ungewöhnlich groß oder klein erscheinen (Makrosomie oder Mikrosomie) oder dass Objekte in ihrer Umgebung verändert wirken (z. B. weiter entfernt, näher, größer oder kleiner als sie tatsächlich sind).
Bei Kindern tritt das AIWS häufig als Begleiterscheinung oder Vorbote (Aura) von Migräne auf. Typischerweise berichten die Kinder von visuellen Veränderungen, wie dem Gefühl, dass Räume schrumpfen oder sich ausdehnen, oder von einer veränderten Wahrnehmung der Bewegung. Diese Symptome sind in der Regel vorübergehend und gehen oft mit Kopfschmerzen oder anderen Migränesymptomen, wie Übelkeit oder Lichtempfindlichkeit, einher.
Häufigste Symptome von Migräne bei Kindern im Überblick2:
- Kopfschmerzen: meist beidseitig, drückend, begleitet von eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit und deutlichen Einschränkungen im Alltag.
- Übelkeit und Erbrechen: können während oder nach einer Attacke auftreten.
- Licht- und Geräuschempfindlichkeit: Betroffene müssen sich in ruhige, dunkle Räume zurückziehen.
- Bauchschmerzen: können als zusätzliches oder eigenständiges Symptom auftreten (abdominelle Migräne).
- Müdigkeit und Blässe: viele Kinder wirken während einer Attacke sehr erschöpft.
Wissenswert: Während eines Migräneanfalls können Betroffene ihre Aktivitäten in der Regel nicht fortsetzen. Kleine Kinder unterbrechen oft ihr Spiel, während Jugendliche sich häufig zurückziehen. In solchen Situationen ist es am besten, wenn die Betroffenen sich in einen ruhigen, abgedunkelten Raum zurückziehen und sich ausruhen, bis die Attacke vorüber ist.
Eltern sollten Ruhe bewahren und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, da insbesondere die visuelle oder sensorische Aura bei Kindern angsteinflößend sein kann.
Häufigkeit und Altersgruppen
Migräne bei Kindern und Jugendlichen ist ein häufiges und oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Vor der Pubertät sind etwa 4–5 Prozent der Kinder betroffen, wobei Mädchen und Jungen gleichermaßen betroffen sind. In der Pubertät steigt die Prävalenz auf etwa 10 Prozent, insbesondere bei Mädchen.3
Ursachen von Migräne bei Kindern
Sowohl eine genetische Veranlagungen als auch Umwelt-, Verhaltens- und soziale Faktoren tragen wesentlich zur Entstehung von Migräneattacken bei.
Migränepatienten zeigen keine strukturellen Auffälligkeiten des Gehirns; der anatomische Aufbau bleibt unauffällig. Jedoch ist das Nervensystem durch eine erhöhte Empfindlichkeit in der Reizverarbeitung charakterisiert, die vermutlich genetisch bedingt ist. Sensorische Reize, insbesondere plötzliche, intensive oder komplexe Stimuli, können eine übermäßige Aktivierung der Nervenzellen hervorrufen. Diese Überaktivierung führt zu einem gesteigerten Energieverbrauch in den Nervenzellen, wodurch die Energiereserven erschöpft werden. Die daraus resultierende Erschöpfung kann wiederholt zu einer Dysregulation der neuronalen Funktionen führen, die letztlich eine Migräneattacke auslöst.
Während dieser Fehlregulation werden entzündliche Mediatoren im Bereich der Arterien der Hirnhäute freigesetzt. Diese Mediatoren erhöhen die Empfindlichkeit der Hirnhäute gegenüber äußeren Reizen. Der Migräneschmerz beruht somit auf einer neurogenen Entzündung, die mit einer verstärkten Schmerzempfindlichkeit der Hirnhäute einhergeht.4
Wichtig: Verschiedene Faktoren, sogenannte Trigger, stellen nicht die eigentliche Ursache der Migräne dar, können jedoch das Auftreten einer Migräneattacke begünstigen.

Auslöser von Migräne bei Kindern und die Rolle der Eltern bei der Identifikation
Migräne bei Kindern wird häufig durch eine Vielzahl von Triggern ausgelöst, die individuell variieren können. Ein zentraler Auslöser ist die Unregelmäßigkeit im Alltag, die zu einer Überforderung der Nervenzellen führt. Faktoren wie Stress, ein ungeordneter Lebensstil, übermäßige Anforderungen, plötzlich auftretende Reize oder eine übermäßige Reizvielfalt können Migräne begünstigen. Alles, was „zu viel“, „zu schnell“ oder „zu plötzlich“ geschieht, erhöht das Risiko für eine Attacke.4
Zu den weiteren Triggern zählen:
- Lärm: Laute oder anhaltende Geräusche, wie sie in belebten Umgebungen oder bei Freizeitaktivitäten vorkommen, können Migräneattacken begünstigen.
- Schlafmangel: Eine unregelmäßige Schlafroutine oder zu wenig Schlaf beeinflusst die neuronale Reizbarkeit und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Migräneepisoden.
- Stress: Psychosoziale Belastungen, sei es durch Schule, soziale Interaktionen oder familiäre Spannungen, stellen einen bedeutenden Faktor dar.
Äußere Reize wie grelles Licht, Wetterumschwünge (Föhn) oder Gerüche (Tabak) können eine Migräne ebenfalls begünstigen.
Unterstützung bei Migräne im Kindesalter
Eltern spielen eine zentrale Rolle dabei, Migräneauslöser zu erkennen und ihrem Kind zu helfen, besser damit umzugehen. Besonders wichtig ist es, das Kind ernst zu nehmen und ihm Geborgenheit zu vermitteln. Migräne kann für Kinder sehr belastend sein – besonders, wenn sie von Auren oder intensiven Schmerzen begleitet wird. In solchen Momenten fühlen sich Kinder oft hilflos und ängstlich.
Eltern können durch folgende Maßnahmen aktiv unterstützen:
- Einfühlsames Zuhören: Es ist wichtig, die Beschwerden des Kindes ernst zu nehmen und Verständnis für das Leiden zu zeigen, auch wenn es schwerfällt, die Schmerzen nachzuvollziehen. Allein das Gefühl, verstanden zu werden, kann dem Kind Trost spenden.
- Ruhige Umgebung schaffen: Ein ruhiger, abgedunkelter Raum kann dem Kind helfen, sich zu entspannen und den Schmerz besser zu ertragen.
- Ruhe und Sicherheit ausstrahlen: Das Wissen um die Migräne und mögliche Therapiemaßnahmen können dem Kind das Gefühl vermitteln, in sicheren Händen zu sein, was Ängste mindern kann.
- Vertrauen stärken: Es ist hilfreich, dem Kind altersgerecht zu erklären, was während einer Migräneattacke passiert. Mit Beginn der Schmerzphase bilden sich die Aura-Symptome vollständig zurück.
Mit einem einfühlsamen und unterstützenden Umgang können Eltern dazu beitragen, dass sich das Kind während eines Migräneanfalls sowohl körperlich als auch emotional besser aufgehoben fühlt. Eltern spielen eine entscheidende Rolle bei der Identifikation und Minimierung von Auslösern.
Migräne-Symptomatik und Therapie in der Schwangerschaft
Glücklicherweise leiden viele Frauen in der Schwangerschaft wesentlich seltener oder gar nicht an Migräne. Dieser schöne Umstand ist vermutlich auf die veränderte Hormonlage zurückzuführen. Jedoch kann die Umstellung im Wochenbett zu erneuten Migräneattacken führen.

Die folgenden Maßnahmen können helfen:
- Führen eines Migränetagebuchs: Regelmäßige Dokumentation von Symptomen, potenziellen Triggern und Tagesgewohnheiten kann Muster sichtbar machen.
- Förderung eines geregelten Tagesablaufs: Konstante Schlafenszeiten und eine strukturierte Tagesplanung reduzieren Schwankungen, die Migräne begünstigen könnten. Migränediäten haben sich nicht bewährt, Blutzuckerspitzen sollten vermieden werden, viel wichtiger sind regelmäßige Mahlzeiten (das Nervensystem benötigt Energie in Form von Kohlenhydraten)5.
- Begrenzung der Medienzeit: Die Zeit, die Kinder und Jugendliche vor dem Fernseher oder Computer verbringen, sollte ihrem Alter angemessen sein. Besonders wichtig ist es, vor dem Schlafengehen eine medienfreie Ruhephase einzuhalten, um den Körper auf die Nachtruhe vorzubereiten.
- Wechselnde Lichtverhältnisse meiden: Der Schreibtisch des Kindes sollte idealerweise an einer Wand platziert werden, um gleichmäßige Lichtverhältnisse sicherzustellen und Blendungen durch wechselndes Licht zu vermeiden. Auch reflektierende Oberflächen, wie glitzerndes Wasser in der Sonne, können bei Kindern mit einer Migräneveranlagung potenziell eine Attacke auslösen und sollten daher nach Möglichkeit vermieden werden.5
- Stressmanagement fördern: Entspannungstechniken wie Atemübungen, Ausdauersport wie Joggen, Schwimmen oder Fahrradfahren, progressive Muskelentspannung oder kreative Aktivitäten können helfen, Stress abzubauen.
Wichtig: Die Therapie sollte sich darauf konzentrieren, das seelische und körperliche Gleichgewicht zu bewahren oder gezielt wiederherzustellen6.
Entspannungstechniken und Alltagsempfehlungen bei Migräne
Entspannungstechniken und Verhaltenstherapien können dabei helfen, Migräne bei Kindern zu lindern und vorzubeugen.
- Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson: Bei dieser Methode werden verschiedene Muskelgruppen bewusst angespannt und anschließend gelockert. Dies fördert ein tieferes Körperbewusstsein und reduziert körperliche Anspannungen, die häufig mit Stress einhergehen.
- Biofeedback zur Prophylaxe der Migräne: Unbewusste Körperfunktionen wie Muskelspannung, Herzfrequenz oder Hauttemperatur sollen bewusst wahrgenommen und reguliert werden.
- Regelmäßige Pausen: Im Alltag – insbesondere während der Schulzeit – sind planmäßige Ruhephasen entscheidend. Kurze, bewusste Auszeiten ermöglichen es dem Gehirn, sich zu erholen und Überforderung zu vermeiden.
- Bewegung: Moderate körperliche Aktivitäten wie Spazierengehen an der frischen Luft fördern die allgemeine Gesundheit und wirken entspannend. Zudem hilft regelmäßige Bewegung dabei, Stress abzubauen und den Schlaf zu verbessern, was ebenfalls das Risiko von Migräneattacken senken kann.
Akute Behandlung von Migräneattacken bei Kindern
Laut aktueller Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne gelten für die akute Behandlung von Migräneattacken bei Kindern und Jugendlichen folgende Empfehlungen6:
- Bei kurzen Migräneattacken (< 3 Stunden) im Kindesalter können die Kopfschmerzen durch Kühlen von Stirn und Schläfen und Schlaf behandelt werden.
- Migräneattacken bei Kindern werden am besten mit Ibuprofen 10 mg/kg KG oder Paracetamol 15 mg/kg KG (2. Wahl) behandelt. Bei Paracetamol ist die Beachtung der kritischen kumulativen Dosierungen von besonderer Bedeutung.
- Zur Behandlung von Migräneattacken mit Triptanen bei Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr sind in Deutschland Sumatriptan-Nasenspray in der Dosis von 10 mg und Zolmitriptan-Nasenspray 5 mg zugelassen.
- Lokales Kühlen und die Möglichkeit zum Rückzug und Schlaf reichen bei einem Teil der Kinder zur Therapie einer akuten Migräneattacke bereits aus und stellen deshalb die Basistherapie dar.
- Bei ausgeprägter Übelkeit und Erbrechen können Antiemetika und Schmerzmittel als Suppositorien gegeben werden5.
Individuell kann bei starkem Leidensdruck und nach Ausschöpfung nicht-medikamentöser Therapieoptionen auch bei Kindern und Jugendlichen eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen werden.
Derzeit ist in Deutschland lediglich Propranolol (0,25–0,5 mg/kg Körpergewicht, drei- bis viermal täglich) zur Migräneprophylaxe im Kindesalter zugelassen.
Weitere praktische Tipps zur Linderung der Migräne bei Kindern7:
- Pfefferminzöl verwenden: 1–2 Tropfen auf ein Tuch geben und sanft Nacken und Schläfen einreiben. Alternativ 5 Tropfen auf den Fingern verteilen und die Kopfhaut von der Stirn bis zum Nacken mehrmals vorsichtig massieren. Achtung: Das Öl sollte nicht in die Nähe der Augen gelangen, um Reizungen zu vermeiden.
- Kühlende Anwendungen: Kalte Waschlappen, Coolpacks oder sanfte Eisabreibungen können Schmerzen lindern und eine beruhigende Wirkung haben.
- Wärmeanwendungen: Eine Wärmflasche, ein warmes Kissen oder eine warme Packung auf der Schulter- und Nackenmuskulatur kann die Durchblutung fördern und Verspannungen lösen.
Im Beratungsgespräch zu Migräne
Im Gespräch mit den Eltern ist es wichtig, einfühlsam und verständnisvoll auf die verschiedenen Therapiemöglichkeiten für Migräneattacken einzugehen. Die Eltern sollten über die Bedeutung einer frühzeitigen Einnahme von Akutmedikamenten informiert werden, um den Kindern schnelle Linderung zu verschaffen. Dabei ist es hilfreich, gemeinsam zu besprechen, wie und wann die Medikamente idealerweise eingenommen werden sollten, um die bestmögliche Wirkung zu erzielen.
Gleichzeitig sollte auf das Risiko von Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch hingewiesen werden, der durch eine zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln oder Triptanen entstehen kann. Den Eltern sollte nahegelegt werden, dass Akutmedikamente nicht mehr als drei Tage hintereinander und an weniger als zehn Tagen im Monat eingenommen werden sollten.
Lebensstil als Schlüssel: Migräne bei Kindern erfolgreich managen
Zudem sollte im Gespräch auf Lebensstilfaktoren eingegangen werden, die Migräne verstärken können. Hierbei ist es wichtig, den Eltern zu erklären, wie sie den Alltag ihres Kindes so gestalten können, dass Stress, unregelmäßige Mahlzeiten oder Schlafmangel vermieden werden.
Eine nicht-medikamentöse Therapie ist bei Kindern mit Migräne von zentraler Bedeutung. Sie stellt oft den ersten Behandlungsschritt dar und umfasst Maßnahmen wie Entspannungstechniken, Stressmanagement, ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung. Diese Ansätze können die Häufigkeit und Schwere der Migräneanfälle erheblich reduzieren und sollten vor einer medikamentösen Behandlung vollständig ausgeschöpft werden.
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Kopfläuse erkennen: Diagnose, Behandlung und Vorbeugung
Pünktlich nach den Ferien kehren nicht nur Kinder in Schule und Kindergarten zurück, sondern mit Ihnen auch oft die Kopfläuse. Um eine effiziente Behandlung zu garantieren und damit eine Ansteckung von anderen Kindern oder Familienmitgliedern zu vermeiden ist eine umfassende Beratung nötig.
Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es? Unsere Gastautorin PTA Claudia Faber hat eine Übersicht der Wirkstoffe zusammengestellt.

Die Entwicklungsstadien der Kopflaus
Die Kopflaus hat bei guten Bedingungen ( 28-29° C Umgebungstemperatur, ausreichend Nahrung) einen Lebenszyklus von bis zu einem Monat. In dieser Zeit durchläuft sie 3 Entwicklungsstadien. Eine Ansteckung mit Kopfläusen kann immer nur durch eine erwachsene Kopflaus passieren, denn nur diese sind beweglich genug um von einem Wirt zum anderen zu gelangen.
Die weiblichen Läuse legen dann schon nach kurzer Zeit Eier, diese werden Nissen genannt. Die Eier werden dicht am Haaransatz mit einem stark klebenden Stoff befestigt, der das Auswaschen nahezu unmöglich macht.
Nach 7 bis 10 Tagen schlüpft dann die Larve (auch Nymphe genannt) welche dann während den nächsten 9-11 Tagen zur ausgewachsenen Laus heranwächst und wiederum bereit ist sich einen neuen Wirt zu suchen. Ohne Nahrung jedoch überlebt die Kopflaus nicht länger als 3 Tage.
Diagnose: Kopfläuse erkennen
Auf den ersten Blick ist es meist schwierig Läuse zu erkennen. Die Nissen sind so klein, dass man sie kaum von Kopfschuppen unterscheiden kann und meist kann erst eine eindeutige Diagnose stellen wenn man eine ausgewachsene Laus entdeckt. Jedoch sind erste Anzeichen meist das Jucken der Kopfhaut und das darauf folgende dauernde Kratzen. Dieses Jucken wird von dem von den Kopfläusen abgesonderten Speichel verursacht.
Um eine eindeutige Diagnose stellen zu können sollte bei Verdacht auch Kopfläuse das mit Wasser und einer Haarpflegespülung angefeuchtete Haar systematisch mit einem Läusekamm durchkämmt werden. Der Kamm sollte dabei so geführt werden dass er vom Haaransatz bis zur Haarspitze fest heruntergezogen wird. Nach jedem Kämmen sollte der Kamm auf Läuse untersucht werden.
Kopfläuse behandeln
Physikalische Behandlung von Kopfläusen
Bei der physikalischen Therapieform werden Läusemittel mit Silikonölen (Dimeticon) eingesetzt. Das Silikonöl dringt in die winzig kleinen Atemöffnungen der Läuse, verstopft diese und die Laus erstickt dadurch.
Da die Wirkung von Dimeticon rein physikalisch ist, können sich keine Resistenzen gegen den Wirkstoff bilden. Die Produkte sind frei von Insektiziden und Nervengiften und können so unbedenklich bei Kleinkindern angewendet werden. Auch für Schwangere und Stillende ist die Anwendung von Silikonölen laut embryotox.de das Mittel der Wahl.
Chemische Behandlung von Kopfläusen
Bei der chemischen Behandlung werden Insektizide eingesetzt, die giftig für die Kopfläuse sind. Zur Verfügung stehen die Wirkstoffe Allethrin, Permethrin und Pyrethrum. Sie greifen das Nervensystem der Läuse an und die Läuse sterben innerhalb von 30 Minuten ab.
Die chemischen Wirkstoffe zählen in der Läusebehandlung zu den bewährten Mitteln, es wird jedoch vermutet dass sich langsam Resistenzen gegen die Präparate entwickeln. Außerdem können sie allergische Reaktionen auslösen.
Mechanische Behandlung
Das nasse Auskämmen der Haare mit einem Läusekamm sollte IMMER mit einer chemischen oder physikalischen Behandlung einhergehen. Dabei sollte folgendes Behandlungsschema angewendet werden:
Einige Hersteller werben mit Präparaten die nur einmal angewendet werden müssen. Der Kunde ist jedoch darauf hinzuweisen, dass für eine Erfolgreiche Behandlung auf jeden Fall nach 8 Tagen ein Kontroll-Kämmen stattfinden muss. Werden dabei erneut Läuse festgestellt muss die Behandlung wiederholt werden.
Was ist bei der Behandlung zu beachten
Die Packungsbeilage immer genau lesen: Muss das Präparat im Trockenen oder im feuchten Haar angewendet werden?
- Einwirkzeit beachten! Manche Mittel müssen nur 10 Minuten einwirken, andere 30-45 Minuten.
- Je länger die Haare, desto mehr Läusemittel muss verwendet werden. Es muss sichergestellt sein dass das Haar vollständig benetzt und das Präparat gleichmäßig verteilt ist.
- Es muss eine Wiederholungsbehandlung durchgeführt werden.
Läusen vorbeugen
Seit kurzem werden auch Sprays zur Vorbeugung gegen Läuse angeboten. Diese werden nach der Haarwäsche auf das (noch nicht von Läusen befallene) Haar aufgesprüht und trocknen gelassen. Die enthaltenen Inhaltsstoffe sind Eucalyptus citriodora (=Zitroneneukalyptus) oder Octan-1,2-diol. Beide Wirkstoffe weisen eine Insektizide Wirkung auf.
Erstattungsfähigkeit von Läusemitteln
Oft werden die Läusemittel von den Eltern im Notfall zuerst in der Apotheke geholt und erst später das Rezept vom Arzt ausgestellt und dann nachgereicht. In diesem Fall ist es wichtig auch zu wissen, welche Präparate von der Kasse erstattet werden.
Das deutsche Apothekenportal stellt hier eine Arbeitshilfe dazu zur Verfügung in der alle Präparate, sowie deren Erstattungsfähigkeit aufgeführt sind.
Weiterführende Informationen findet Ihr im aktualisierten RKI-Ratgeber Kopflausbefall.
Kopfläuse: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Die Vorbeugung von Kopfläusen basiert auf gezielten Maßnahmen zur Minimierung der Übertragungsrisiken:
- Aufklärung: Sensibilisierung von Eltern, Kindern und Betreuungspersonal über die Übertragungswege, insbesondere den direkten Kopf-zu-Kopf-Kontakt.
- Regelmäßige Kontrollen: Wöchentliches Absuchen der Haare mit einem feinzinkigen Nissenkamm, insbesondere bei Kindern in Gemeinschaftseinrichtungen.
- Vermeidung von Kontakt: Teilen von persönlichen Gegenständen wie Kämmen, Bürsten, Hüten oder Kopfbedeckungen sollte vermieden werden.
- Sorgfalt in Gemeinschaftseinrichtungen: Maßnahmen wie das Zusammenbinden langer Haare und die Vermeidung enger Kopfkontakte in Schulen und Kindergärten können das Risiko reduzieren.
- Eine effektive Vorbeugung setzt auf die frühzeitige Erkennung und gezielte Informationen, um weitere Ansteckungen zu vermeiden.
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„Wir haben Scharlach!“ – was Eltern und PTA wissen sollten
Scharlach ist eine bakterielle Infektion, die vor allem Kinder im Vorschul- und Grundschulalter betrifft, aber auch Erwachsene können erkranken. Die durch Streptokokken verursachte Erkrankung äußert sich typischerweise durch Symptome wie Fieber, Halsschmerzen und einen charakteristischen Ausschlag.
Entscheidend ist, auf die richtige Anwendung von Antibiotika und unterstützende Maßnahmen einzugehen, um den Heilungsprozess zu fördern und Komplikationen zu vermeiden. Eine einfühlsame Beratung hilft, Ängste zu lindern und die betroffenen Familien zu unterstützen.

Scharlach – eine bakterielle Infektionskrankheit
Zu Beginn der kalten Jahreszeit häufen sich auch die Scharlach-Infektionen. Anhand der Symptome kann der Arzt meist schon eine eindeutige Diagnose stellen, der positive Abstrich auf Streptokokken der Sero-Gruppe A gibt dann Sicherheit.
Bei Scharlach handelt es sich um eine hochansteckende, bakterielle Infektionskrankheit, die von Streptokokkus pyogenes Stämmen ausgelöst wird, die zur Produktion des Scharlachtoxins fähig sind. Die Inkubationszeit beträgt 1-3 Tage, selten länger. Die Streptokokken werden dabei durch Tröpfcheninfektion durch Niesen, Husten usw. oder durch Schmierinfektionen über kontaminierte Gegenstände (Türklinken, Spielzeuge) übertragen.
Welche Symptome treten bei Scharlach auf?
Sie beginnt meist mit hohem Fieber und Halsschmerzen oder eitriger Mandelentzündung, in der Regel plötzlich wie aus heiterem Himmel. Unspezifische Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit können die Infektion ankündigen.
Schüttelfrost und geschwollene Lymphknoten sowie Wangenrötung und periorale Blässe (Milchbart) treten ebenfalls häufig auf. Der typische punktförmige, rote Hautausschlag beginnt meist nach 2 Tagen zunächst in der Leistengegend und fühlt sich sandartig an.

Himbeerzunge und Hautausschlag: Ein typischer Verlauf
Gefolgt von der charakteristischen Himbeerzunge. Die Himbeerzunge muss allerdings nicht immer präsent sein, sie ist zunächst weiß belegt und eine Papillenhyperplasie entsteht, bevor sie sich stark rötet. Das Exanthem besteht ungefähr 6-9 Tage, danach schält sich die Haut meist, überwiegend betroffen sind hier Hand -und Fußinnenflächen.
Der Hautausschlag wird von Experten zwar als nicht-juckend beschrieben, doch mit der Einnahme des Antibiotikums kommt es zum Zerfall der gebildeten Toxine, welches einen starken Juckreiz auslösen kann.
Scharlach-Eine Kinderkrankheit, die man einmal durchmachen muss?
Früher galt die Scharlach-Erkrankung, welche nicht antibiotisch behandelt wurde, als durchgemachte „Kinderkrankheit“. Doch so einfach ist es leider nicht. Eine Immunität wäre nur gegen das jeweils vorherrschende Toxin möglich.
Zudem kann das vom Körper gebildete Antitoxin als Spätfolge Herzklappen, Gelenke oder das Nierengewebe angreifen. Mehrfacherkrankungen durch betahämolysierende Streptokokken sind aufgrund verschiedener Scharlach-Stämme möglich, unabhängig der erfolgten Behandlung.
Des Weiteren würde eine Immunität nur gegen den charakteristischen Hautausschlag schützen, nicht aber vor der eigentlichen Entzündung.
Therapie bei Scharlach
Scharlach wird mittels Antibiotika (10- tätige Gabe von Penicillin bzw. Amoxicillin oder Ampicillin, 5 Tage orale Cephalosporine bei Kindern gleichwertig) und Schmerz-sowie fiebersenkenden Medikamenten behandelt. Demnach sind die Kinder bereits nach 24 Stunden der ersten Einnahme nicht mehr ansteckend, aber natürlich noch lange nicht gesund. Ohne Antibiotikum beträgt die Ansteckungszeit bis zu 3 Wochen.
Mit Antibiotika und Fürsorge gegen Spätfolgen
Das Antibiotikum soll vor Komplikationen wie der eitrigen Mandelentzündung inklusive Bildung eines Peritonsillarabszesses, einer Lungenentzündung, Sinusitis und Mittelohrentzündung schützen. Mögliche Spätfolgen (nach 4-6 Wochen) wie das akute rheumatische Fieber oder die akute Nierenentzündung sollen vermieden werden. Körperliche Schonung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sollten bedacht werden.
Bettruhe, aber vor allem Liebe und Geborgenheit und eine ausreichende Zeit zur Erholung tragen zur Genesung des Kindes bei.
Scharlach: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Bei Scharlach handelt es sich um eine bakterielle Infektion mit Streptokokkus pyogenes Stämmen, welche zusätzlich mit einem Bakteriophagen infiziert wurden, das die Fähigkeit besitzt das Scharlachtoxin zu bilden.
- Sie ist hochansteckend und wird durch Tröpfcheninfektion oder Schmierkontamination übertragen, selten über offene Wunden.
- Plötzliche Halsschmerzen mit hohem Fieber sollten immer ärztlich abgeklärt werden.
- Die Himbeerzunge sowie der charakteristische Hautausschlag können abgeschwächt erscheinen.
- Der Nachweis erfolgt anhand der Symptome und des Streptokokken-Abstrichs.
- Die Infektion wird mittels Antibiotika behandelt, diese soll vor Komplikationen und Spätfolgen schützen.
- Eine S.-pyogenes-Sepsis kann in seltenen Fällen entstehen.
- Die Einnahmeempfehlung des Arztes sollte ebenfalls zur Vermeidung von Komplikationen und Rückfällen unbedingt eingehalten werden.
- Mehrfacherkrankungen sind möglich aufgrund verschiedener Scharlach-Stämme.
Quellenangaben
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Reiseübelkeit bei Kindern: Hilfe und Tipps für unterwegs
Reiseübelkeit, auch als Kinetose bezeichnet, ist ein weit verbreitetes Problem bei Kindern und kann das Reisen für die gesamte Familie erheblich erschweren. Besonders im Auto, in Flugzeugen oder auf Schiffen reagieren viele Kinder empfindlich auf die Bewegung, was Übelkeit, Schwindel und Erbrechen zur Folge haben kann.
Diese Symptome entstehen, wenn das Gehirn widersprüchliche Signale von den Augen, dem Innenohr und dem Gleichgewichtssinn erhält. Obwohl Reiseübelkeit unangenehm ist, sollten Reisetabletten nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die Eltern ergreifen können, um die Beschwerden zu lindern und die Reise für ihre Kinder angenehmer zu gestalten.

Reiseübelkeit – was ist das?
Kinetose, auch als Reisekrankheit oder Bewegungskrankheit bekannt, entsteht durch widersprüchliche Sinneseindrücke, die das Gehirn während der Bewegung verarbeitet. Im Wesentlichen ist sie eine Reaktion auf den sogenannten „sensorischen Konflikt“ zwischen den Informationen, die vom Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat) im Innenohr und den Augen an das Gehirn gesendet werden.
Während das Kind beispielsweise still im Auto sitzt, nehmen die Augen die vorbeiziehende Landschaft wahr, was Verwirrung im Gehirn auslösen und Übelkeit verursachen kann.
Mechanismus der Kinetose
- Gleichgewichtsorgan im Innenohr: Das Vestibularsystem, das sich im Innenohr befindet, besteht aus den Bogengängen und den Otolithenorganen (Sacculus und Utriculus). Diese Strukturen reagieren auf lineare und rotatorische Bewegungen des Kopfes und senden Informationen über die Körperhaltung und Bewegung an das Gehirn.
- Visuelle Wahrnehmung: Die Augen registrieren die Umgebung und liefern dem Gehirn Informationen über die Position und Bewegung des Körpers im Raum.
- Mismatch – der sensorische Konflikt:
- Während einer Reise (z. B. im Auto, Flugzeug oder auf dem Schiff) bewegt sich der Körper, und das Vestibularorgan nimmt diese Bewegungen wahr, insbesondere ruckartige, kippende oder schwankende Bewegungen.
- Wenn die Augen jedoch einen stationären, unbeweglichen Bereich wahrnehmen, wie z. B. den Innenraum eines Autos, entsteht ein Konflikt zwischen den von den Augen gesendeten und den vom Vestibularapparat empfangenen Informationen. Das Gehirn erhält widersprüchliche Signale: Während die Augen Stillstand melden, registriert das Gleichgewichtsorgan Bewegung.
- Dieser sensorische Konflikt führt zu einer Überforderung des Gehirns, das die Informationen nicht richtig verarbeiten kann.
- Folgen des sensorischen Konflikts: Das Gehirn interpretiert diesen Widerspruch zwischen den Sinneswahrnehmungen als Hinweis auf eine Bedrohung oder Vergiftung (möglicherweise durch neurotoxische Substanzen). In der Evolution wurde der Körper darauf trainiert, bei solchen widersprüchlichen Signalen Schutzmechanismen wie Übelkeit und Erbrechen auszulösen, um potenzielle Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen.
Symptome der Kinetose
Die Kinetose äußert sich durch eine Reihe von Symptomen, die sich in ihrer Intensität steigern können:
- Müdigkeit, Gähnen, verminderte Aufmerksamkeit
- Kalter Schweiß, Blässe, Schwindel
- Vermehrter Speichelfluss
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen, teils erhebliches Krankheitsgefühl
Wichtig: Das Sopite-Syndrom ist ein Frühsymptom der Kinetose, welches vom Betroffenen oft nicht bemerkt wird. Es äußert sich durch Müdigkeit, Schläfrigkeit, Desinteresse und Rückzug.
Ursachen und Auslöser der Reiseübelkeit
Reiseübelkeit, auch Kinetose genannt, wird durch widersprüchliche Sinneseindrücke ausgelöst. Während das Gleichgewichtsorgan im Innenohr Bewegungen wahrnimmt, sieht das Auge häufig ein unbewegtes Bild, wie beispielsweise den Fahrzeuginnenraum.
Dieser „Mismatch“ führt zu Symptomen wie Übelkeit, Schwindel und Erbrechen. Besonders Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren sind hiervon betroffen, da ihr Gehirn auf diese widersprüchlichen Reize besonders sensibel reagiert. Untersuchungen legen nahe, dass eine genetische Veranlagung ebenfalls eine Rolle spielt1.
Warum Kinder besonders von Reiseübelkeit betroffen sind
Bei Kindern ist das Gleichgewichtssystem besonders empfindlich, da die Verbindung zwischen den optischen Eindrücken und den Gleichgewichtsreizen noch nicht vollständig entwickelt ist. Daher tritt die Kinetose bei Kindern häufiger und intensiver auf. Mit zunehmendem Alter passt sich das Gehirn besser an sensorische Konflikte an, was erklärt, warum die meisten Menschen ab der Pubertät weniger unter einer Reisekrankheit leiden.

Reiseübelkeit – Symptome bei Kindern
Reiseübelkeit kündigt sich bei Kindern oft schleichend an. Die Kleinen wirken müde und schläfrig, unkonzentriert oder gähnen vermehrt. Weitere Anzeichen sind ein vermehrter Speichelfluss, kalter Schweiß, Kopfschmerzen, Übelkeit und schließlich Erbrechen. Besonders häufig sind Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren von einer Kinetose betroffen1.
Gut zu wissen: Ähnliche Symptome können auch durch Computerspiele entstehen, Stichwort simulator sickness. Hierbei entsteht ein visuell-vestibulärer Konflikt, visuelle Reize suggerieren eine Eigenbewegung, während das Gleichgewichtsorgan eine abweichende oder keine Bewegung wahrnimmt.2
Was tun, wenn das Kind erbricht?
Wenn ein Kind während der Reise unter Übelkeit leidet und erbricht, ist es wichtig, dass Eltern ruhig bleiben. Wenn möglich, sollten sie die Fahrt unterbrechen und mit dem Kind an die frische Luft gehen.
Um einem Flüssigkeitsverlust vorzubeugen, sollte das Kind stilles Wasser oder Tee in kleinen Schlucken trinken. Schwere oder fettige Mahlzeiten sind vor und während der Reise ungeeignet; stattdessen eignen sich frisches Obst und leichte Snacks besser. Eine Spucktüte, feuchte Reinigungstücher und Wechselkleidung sollten stets griffbereit sein, wenn die Reiseübelkeit bekannt ist.
Reisekrankheit Vorbeugung – Tipps gegen Reiseübelkeit bei Kindern
Um die unangenehmen Symptome zu vermeiden, sollten Eltern darauf achten, die Bewegungsreize zu minimieren und den Kindern einen guten Blick auf den Horizont zu ermöglichen. Folgende Tipps können helfen:
- Richtiger Sitzplatz: Der Platz auf der Rückbank in der Mitte bietet eine freie Sicht nach vorne, was die Sinneseindrücke besser in Einklang bringt.
- Blick in die Ferne: Eltern sollten das Kind auf ruhende Objekte wie Berge lenken. Das hilft dem Gehirn, die widersprüchlichen Signale zu verarbeiten. Während der Fahrt möglichst nicht lesen und auf dem Schiff an der frischen Luft aufhalten.
- Pausen einlegen: Regelmäßige Pausen, frische Luft und kurze Bewegung können Wunder wirken.
- Ruhige Plätze wählen: Ob auf dem Schiff oder im Flugzeug, der Platz in der Mitte ist oft am ruhigsten, da dort weniger Bewegungen spürbar sind.
- Leichte Snacks: Ein leerer Magen fördert die Übelkeit, fettreiche Mahlzeiten sind ebenso ungünstig. Leichte Snacks wie Brezeln, Zwieback oder Obst sind bereits vor der Fahrt ideal.
Merke: Auch das Vermeiden von histaminreichen Lebensmitteln, wie einige Käsesorten (insbesondere reifer Käse) und viele Wursterzeugnisse (Salami) zählt zu den nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Vorbeugung.1 Auch Bananen, Backwaren mit Hefeteig oder Kakao sind reich an Histamin.
Ablenkung ja, aber richtig
Obwohl Ablenkung hilft, sollten Bücher, Handys und Tablets vermieden werden, da der Blick auf ein unbewegtes Objekt die Übelkeit verschlimmern kann. Stattdessen sind Musik, Hörspiele oder gemeinsame Ratespiele die bessere Wahl.
Mittelohrentzündung bei Kindern: Wie handeln Eltern richtig?
Die akute Mittelohrentzündung, tritt im Kindesalter relativ häufig auf. Die pulsierenden Ohrenschmerzen werden meist von einem erheblichen Krankheitsgefühl und Fieber begleitet. Zudem sind Kopfschmerzen und Beeinträchtigungen des Hörens möglich.

Reiseapotheke – welche Mittel sind empfehlenswert?
Zur Behandlung und Vorbeugung von Reiseübelkeit werden in der Selbstmedikation vor allem H1-Antihistaminika der ersten Generation eingesetzt. Zu den häufigsten Wirkstoffen gehören Diphenhydramin und Dimenhydrinat.
Diese wirken, indem sie zentrale Histamin-H1-Rezeptoren blockieren, was eine antiemetische Wirkung erzielt. Zusätzlich haben beide Substanzen eine anticholinerge Wirkung, da sie auch Muskarin-Rezeptoren blockieren. Die Medikamente sind in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, darunter Tabletten, Suppositorien und Kaugummis, sodass für unterschiedliche Bedürfnisse eine passende Option gewählt werden kann.
Kleine Reiseapotheke für unterwegs
Für unterwegs sind Reisekaugummis und Sublingualtabletten ideal, da sie schnell wirken, leicht zu transportieren sind und ohne Wasser eingenommen werden können. Allerdings sind Reisekaugummis erst ab 6 Jahren und Sublingualtabletten ab 12 Jahren geeignet. Für jüngere Kinder stehen daher nur Zäpfchen, Sirup und Trinklösungen in Portionsbeuteln zur Verfügung.3
Besondere Vorsicht ist bei Gabe des Wirkstoffs Dimenhydrinat bei Kleinkindern angezeigt. Überdosierungen, insbesondere in der Altersgruppe unter drei Jahren, können lebensbedrohlich sein und sollten unbedingt vermieden werden.3
Wichtig in der Beratung mit den Eltern: Arzneimittel sollten nur eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, da keines der erhältlichen Mittel uneingeschränkt empfohlen werden kann. Kinder reagieren empfindlicher auf die Wirkstoffe als Erwachsene, was Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Unruhe, Verstopfung, trockenen Mund, Fieberkrämpfe oder eine erhöhte Sonnenempfindlichkeit der Haut hervorrufen kann.4

Vorbeugung von Reiseübelkeit
Für die Vorbeugung von Reiseübelkeit bei Kindern gibt es nur wenige geeignete Medikamente. Zwei Wirkstoffe, Scopolamin und Diphenhydramin, wurden von Stiftung Warentest als wirksam für Jugendliche und Erwachsene bewertet, wobei die Eignung für Kinder eingeschränkt ist. Beide Wirkstoffe erfordern besondere Vorsicht bei der Anwendung aufgrund der Nebenwirkungen3:
- Scopolamin ist rezeptpflichtig und wird als Pflaster hinter dem Ohr angebracht. Es wirkt bis zu 72 Stunden, ist jedoch erst für Kinder ab 10 Jahren zugelassen. Häufige Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit, Schwindel, Sehstörungen und Mundtrockenheit.
- Diphenhydramin ist ein Antihistaminikum und blockiert Histaminrezeptoren im Gleichgewichtsorgan. Es kann bei Kindern ab 6 Jahren in reduzierter Dosierung (25-50 mg) eingesetzt werden. Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit und Schläfrigkeit. Stiftung Warentest empfiehlt es für Kinder nur eingeschränkt, da ernste Nebenwirkungen auftreten können.
Wichtig: Arzneimittel sollen bei Kindern nur eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen nicht greifen und dann auch nur in Ausnahmefällen nach fachkundiger Beratung.
Hausmittel und sanfte Alternativen bei Reiseübelkeit
Viele Eltern greifen auf sanfte Hausmittel und Homöopathie zurück, um die Symptome zu lindern. Folgende Mittel haben sich in der Praxis bewährt:
- Ein pflanzlicher Ansatz wäre Ingwer, wenn vom Kind angenommen. Ingwer ist reich an ätherischen Ölen, hat kaum Nebenwirkungen und soll bei Reiseübelkeit helfen. Allerdings enthält Ingwer auch Scharfstoffe und sollte bei kleinen Kindern nicht zum Einsatz kommen.
- Pfefferminz: Kaugummis oder Lutschbonbons mit Minzgeschmack (nicht für Kleinkinder geeignet) können Linderung verschaffen.
- Akupressur-Armbänder: Diese üben Druck auf bestimmte Punkte am Handgelenk aus und können gegen Übelkeit helfen.
Mit der richtigen Vorbereitung und den passenden Maßnahmen lässt sich die Reiseübelkeit bei Kindern meist gut in den Griff bekommen, sodass die Urlaubsfahrt für alle entspannter verläuft.
Wann zum Arzt?
Bei langanhaltenden oder sehr starken Beschwerden und wenn sich die Symptome trotz vorbeugender Maßnahmen nicht bessern, sollte Rücksprache mit dem Kinderarzt gehalten werden.
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ADHS im Fokus: Klärung der Ursachen, Auswirkungen und Therapieoptionen
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gilt als „Modediagnose“. Dabei handelt es sich jedoch um eine psychische Störung, die die Lebensqualität der betroffenen Kinder und Erwachsenen erheblich einschränken kann.
Wichtig ist daher eine adäquate, auch pharmakologische Therapie. Die wichtigsten Informationen zur Beratung von ADHS-Betroffenen und ihren Angehörigen findet ihr im folgenden Artikel.

Einführung: ADHS – was bedeutet das?
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ist eine psychische Störung, die je nach Form und Ausprägung mit Hyperaktivität, eingeschränkter Impulskontrolle und/oder Konzentrationsproblemen einhergeht. Unterschieden wird zwischen drei verschiedenen Formen:
- vorwiegend unaufmerksamer Typ
- vorwiegend hyperaktiver und impulsiver Typ
- kombinierter Typ
ADHS: Häufigkeit, Geschlechtsverteilung und Diagnose
Für ADHS bei Kindern und Jugendlichen liegt die Häufigkeit bei fünf bis sechs Prozent.¹´² ADHS bei Erwachsenen ist seltener: Fachleute gehen davon aus, dass ein Drittel bis die Hälfte derjenigen, die in der Jugend betroffen waren, auch im Erwachsenenalter noch unter den Einschränkungen leiden.²´³ Männer sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Frauen.³
ADHS wird häufig als „Modediagnose“ belächelt. Tatsächlich ist es heute wahrscheinlicher, dass die Störung diagnostiziert wird. Das liegt aber daran, dass ADHS mittlerweile bekannter ist. So ist die Chance größer, dass die Störung als solche erkannt und diagnostiziert wird. Neu ist sie auch nicht: Sie wurde – damals noch nicht unter diesem Namen – bereits im achtzehnten Jahrhundert beschrieben.²
Symptome: Wie zeigt sich ADHS?
Charakteristisch sind die bereits erwähnten ADHS-Symptome:
- Konzentrationsprobleme und/oder
- Hyperaktivität und Impulsivität
Damit gehen zahlreiche Risiken einher, die die Lebensqualität, Karrierechancen, mentale und körperliche Gesundheit der Betroffenen stark einschränken können. So haben ADHS-Betroffene beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Verkehrsunfälle und Drogenmissbrauch. Mangelnder Erfolg in Schule und Beruf kann ebenfalls auf ADHS zurückgehen.

Regelmäßig zeigen sich physische Komorbiditäten, die zumindest teilweise durch das impulsive Verhalten von Betroffenen entstehen oder schlechter werden können.
Dazu gehören unter anderem Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und sexuell übertragbare Krankheiten. Zudem kann ADHS mit Autismus einhergehen. Die Diagnose erfolgt anhand psychologischer ADHS-Tests.
Ursachen: ADHS – was passiert im Gehirn?
Bei Menschen mit ADHS liegt eine Störung im Botenstoffsystem des Gehirns vor, insbesondere ein Ungleichgewicht zwischen Dopamin und Noradrenalin. Einzelne Abschnitte im Gehirn sind dadurch nicht in der Lage, wie bei Gesunden miteinander zu kommunizieren. Das Ungleichgewicht tritt besonders in den Bereichen des Gehirns zutage, die für die Informationsverarbeitung zuständig sind. Die ständige Reizüberflutung im ADHS-Gehirn hat die genannten Symptome zur Folge.
„Erziehungssache“ ist ADHS also nicht. Das familiäre und schulische Umfeld können höchstens beeinflussen, wie stark ausgeprägt die Symptome auftreten und wie sehr das Kind dadurch eingeschränkt wird. Eine erbliche Veranlagung für ADHS ist für siebzig bis fünfundneunzig von hundert Fällen verantwortlich.³ Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die folgenden Faktoren das ADHS-Risiko erhöhen könnten:
- bestimmte Medikamente, die die Mutter in der Schwangerschaft genommen hat
- gesundheitliche Probleme der Mutter und/oder Komplikationen in der Schwangerschaft
- Toxine aus der Umwelt
Eventuell besteht ein Zusammenhang mit einem Mangel an Eisen, Vitamin D und/oder Omega-3-Fettsäuren.
Therapie: ADHS – was tun?
Idealerweise erfolgt die Behandlung von ADHS mit Ergo- und Psychotherapie. Bei Bedarf kommen auch Medikamente zum Einsatz. Die pharmakologische ADHS-Therapie erfolgt mit
- Stimulanzien (Methylphenidat, Amfetamin, Lisdexamfetamin),
- Atomoxetin oder
- Guanfacin.
Führt die Behandlung mit einem Wirkstoff nicht zu einer relevanten Besserung, kann eine Kombitherapie erfolgen.
Dass Stimulanzien bei einer Störung helfen sollen, die unter anderem mit Hyperaktivität einhergeht, wirkt zunächst paradox. Doch gleichen die Stimulanzien das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn von Betroffenen aus. Sie gelten insgesamt als wirksamer und sind die ADHS-Medikamente erster Wahl; allerdings ist das Risiko für Substanzmissbrauch erhöht. Hier ist es wichtig, Betroffene und/oder deren Angehörige zu sensibilisieren.
Wichtige Kontrollen und Überwachungen bei der Behandlung von ADHS
Vor der Verordnung sind eine körperliche, kardiologische und neurologische Untersuchung notwendig. Nur wenn keine relevanten Vorerkrankungen bestehen, kann eine Behandlung mit Stimulanzien erfolgen. Gerade in der Zeit nach der Erstverordnung und nach jeder Dosisanpassung von ADHS-Medikamenten sind regelmäßige Kontrollen wichtig, um eventuelle Nebenwirkungen feststellen zu können.
Dazu gehören auch Wahnvorstellungen bei der Einnahme von Stimulanzien. Später sind halbjährliche Kontrollen ausreichend. Hier werden je nach Präparat beispielsweise Puls und Blutdruck gemessen und überprüft, ob Anzeichen von Somnolenz vorliegen.
Überwachung von Nebenwirkungen und Behandlungsbedarf bei ADHS
Bei Erwachsenen muss regelmäßig das Körpergewicht überprüft werden, bei Kindern und Jugendlichen zusätzlich das Wachstum. Atomoxetin kann sexuelle Funktionsstörungen und Dysmenorrhoe sowie in seltenen Fällen Leberschädigungen verursachen. Prophylaktische Untersuchungen der Leberfunktion sind jedoch nicht erforderlich.
Krampfanfälle und Tics können sich unter der Behandlung mit ADHS-Tabletten verschlechtern oder erstmalig auftreten. Auch eine bestehende Angststörung kann stärker werden.
Halbjährlich bis jährlich sollte der behandelnde Arzt überprüfen, ob eine medikamentöse Behandlung der ADHS noch notwendig ist.
ADHS: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- ADHS ist eine psychische Störung, die sich in Form von Hyperaktivität, eingeschränkter Impulskontrolle und/oder Konzentrationsproblemen äußern kann.
- Unterschieden werden drei unterschiedliche Formen: der vorwiegend unaufmerksame, der vorwiegend hyperaktive und impulsive sowie der kombinierte Typ.
- Betroffene haben eine verminderte Lebensqualität und geringere Karrierechancen.
- Diverse körperliche und psychische Begleiterkrankungen sind bekannt, darunter beispielsweise Autismus, Drogenmissbrauch, Bluthochdruck und Diabetes.
- Den Symptomen liegt ein Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn zugrunde. Ursächlich ist häufig eine erbliche Veranlagung.
- Die Einnahme von Medikamenten während der Schwangerschaft, die Gesundheit der Mutter sowie Komplikationen in der Schwangerschaft könnten ebenso eine Rolle spielen wie Toxine aus der Umwelt.
- ADHS ist keine „Erziehungssache“ und auch keine „Modediagnose“: Das Umfeld spielt keine Rolle beim Entstehen der Erkrankung, es beeinflusst höchstens die Ausprägung. ADHS-ähnliche Krankheitsbilder wurden bereits im achtzehnten Jahrhundert beschrieben.
- Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit Stimulanzien, Atomoxetin oder Guanfacin.
- Gerade in der Anfangszeit sind engmaschige Kontrollen notwendig, um das Auftreten von Nebenwirkungen zu erkennen.
- Patienteninformation der Bundesärztekammer
- ADHS-Leitlinie (aktuell in Überarbeitung)
- Video-Animation über das Aufwachsen mit ADHS
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Sonnenstich bei Kindern und Babys – richtig erkennen und behandeln
Lange Aufenthalte in der Sonne können zu einem Sonnenstich führen. Kinder sind besonders gefährdet. Zu den typischen Symptomen gehören starke Kopfschmerzen, Ohrensausen und Übelkeit. In schweren Fällen sind lebensbedrohliche Komplikationen möglich.
Wann ein Arzt hinzugezogen werden muss und was es sonst noch zu beachten gilt, lest ihr im Folgenden.

Was ist ein Sonnenstich?
Zu einem Sonnenstich (auch Heliosis, Insolation, Ictus solis) kann es kommen, wenn man zu lange starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt war. Meist treten die Symptome mit zeitlicher Verzögerung auf.
Anzeichen für einen Sonnenstich können starke Kopf -und Nackenschmerzen, Übelkeit, Schwindel und bei Kindern auch Fieber sein. Der Kopf ist dabei heiß und gerötet, die Haut jedoch trocken. Betroffene Säuglinge schreien meist viel und verweigern die Nahrung.
Bei Kindern können die Beschwerden auch unspezifisch sein, etwa Unwohlsein oder Berührungsempfindlichkeit. Die Symptome werden durch eine Reizung der Hirnhäute ausgelöst.
Symptome für Hirnödeme bei Kindern erkennen
In schweren Fällen kommt es zum Hirnödem, also einer Flüssigkeitsansammlung im Gehirn. Sie bewirkt eine Schwellung, sodass das Gehirn von innen gegen die Schädelknochen drückt. Dabei können Gehirnzellen geschädigt oder von der Blutversorgung abgeschnitten werden. Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle können Anzeichen eines Hirnödems sein. Tritt eines dieser Symptome auf, ist sofort der Notarzt zu alarmieren.
Besonders bei Säuglingen und kleinen Kindern ist es für Laien kaum möglich, sicher einzuschätzen, ob es sich um einen leichten oder schwerwiegenden Sonnenstich handelt. Im Zweifelsfall ist immer ein ärztlicher Rat hinzuzuziehen.
Erste Hilfe beim Sonnenstich
Besteht zunächst kein Verdacht auf einen starken Sonnenstich, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- unverzüglich Schatten oder einen geschlossenen Raum aufsuchen: Da die Symptome meist erst später auftreten, ist das eventuell ohnehin schon geschehen.
- hinlegen, den Kopf leicht erhöht lagern, um den Druck zu reduzieren
- Kopf und Nacken kühlen: entweder mit feuchten Tüchern oder mit in Tücher gewickelten kalten Kompressen
- etwas trinken: Das gilt aber nur, wenn keine Übelkeit oder Bewusstseinstrübung besteht. Bei langen Aufenthalten in der Sonne wird oft auch stark geschwitzt, was zu einem Verlust von Mineralstoffen führen kann. Dieser kann durch Elektrolytlösungen oder -pulver ausgeglichen werden.
- Ruhe: Ist die/der Betroffene aufgeregt, sollte sie/er beruhigt werden. Auch in den Folgetagen sollte man direkte Sonneneinstrahlung und körperliche Anstrengungen meiden.
Schmerzmittel wie Ibuprofen sollten bei Verdacht auf Sonnenstich nicht ohne ärztliche Rücksprache eingenommen oder verabreicht werden. Insbesondere Kinder, nach Möglichkeit aber auch erwachsene Betroffene, sollte man nicht allein lassen.
Sind die oben genannten Maßnahmen erfolgt und tritt innerhalb von zwanzig Minuten keine deutliche Besserung ein oder verschlimmern sich die Beschwerden sogar, muss der ärztliche Rettungsdienst verständigt werden.
Weißer Hautkrebs: Gefährlicher als gedacht
„Fehlender Sonnenschutz ist Körperverletzung“, warnt Prof. Breitbart. Der Begriff „weißer Hautkrebs“ umfasst das Basalzell- und Plattenepithelkarzinom. Lesen Sie hier das ausführliche Experteninterview.

Prävention: Wie beugt man einem Sonnenstich vor?
Im Gegensatz zum Sonnenbrand wird ein Sonnenstich nicht durch die UV-, sondern durch Wärmestrahlung der Sonne ausgelöst. Aus diesem Grund sind Sonnencreme und Co. bei der Heliosis-Prävention wirkungslos. Dennoch ist geeigneter UV-Schutz bei Aufenthalten in der Sonne Pflicht.
Am besten ist es, wenn vor allem Babys und kleine Kinder im Sommer während der Mittagszeit überhaupt nicht in die Sonne kommen. Doch auch wenn die UV-Strahlung nicht ganz so stark ist, sollten sie sich möglichst im Schatten aufhalten.

Sonnengefahr für Kinder: Warum Pausen und Kopfschutz wichtig sind
Bei Aufenthalten in der Sonne sollten regelmäßige »Sonnenpausen« eingelegt werden, während derer man Schatten oder geschlossene Räume aufsucht. Auch ein Hut oder eine andere Kopfbedeckung kann dabei helfen, einen Sonnenstich zu verhindern. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es jedoch nicht.
Je direkter die Sonneneinstrahlung, desto größer das Ictus solis-Risiko. Babys und Kleinkinder sind besonders gefährdet, da ihre Kopfbehaarung spärlich ist und die Fontanellen noch nicht geschlossen sind. Hinzu kommt, dass ein Sonnenstich bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen zu einer Hirnhautentzündung führen kann.
Sonnenstich oder Hitzschlag?
Neben dem Sonnenstich kann ein zu langer Aufenthalt in der Sonne auch einen Hitzschlag auslösen. Besonders häufig sind Babys und Kleinkinder sowie Senior*innen betroffen. Ein Hitzschlag ist ein lebensbedrohlicher Notfall. Eine*r von zehn Patient*innen stirbt.
Während sich ein Sonnenstich auf den Kopf konzentriert, ist beim Hitzschlag der ganze Körper betroffen. Die Körpertemperatur kann mehr als 40 °C betragen. Die Haut ist zwar gerötet, aber nicht verschwitzt, da der Organismus nicht mehr in der Lage ist, zu schwitzen. Der Puls ist schnell, der Blutdruck niedrig. Ein Hitzschlag geht oft mit Bewusstseinsstörungen einher. Im Zweifelsfall sollte immer der Rettungsdienst informiert werden.
Sonnenstich bei Kindern: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Eine zu große Exposition durch Sonnenstrahlung kann zum Sonnenstich führen.
- Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Ohrensauen, ein heißer, geröteter Kopf und Übelkeit. Bei Kindern können Symptome auch unspezifisch sein.
- Bei Bewusstlosigkeit und Krampfanfällen besteht der Verdacht auf ein Hirnödem. Sofort den ärztlichen Notdienst verständigen! Es besteht Lebensgefahr.
- Insbesondere bei Babys und Kleinkindern ist es sicherer, auch bei Verdacht auf einen leichten Sonnenstich ärztlichen Rat einzuholen.
- Betroffene müssen sofort aus der Sonne, sich hinlegen und den Kopf kühlen.
- Tritt nach 20 Minuten keine Besserung oder gar eine Verschlechterung ein, ist ärztliche Betreuung notwendig.
- Nach starkem Schwitzen kann der Mineralienverlust durch Elektrolyte ausgeglichen werden.
- Die beste Prävention ist, sich im Schatten aufzuhalten. Sonnenpausen und eine Kopfbedeckung plus Nackenschutz sind empfehlenswert.
- Vor allem bei Kindern kann infolge der Heliosis eine Meningitis auftreten.
- Kinder sollten ausreichend trinken und ggf. regelmäßig daran erinnert werden.
- Kinder dürfen nicht im Auto zurückbleiben, auch nicht für ein paar Minuten.
- Während der Sonnenstich sich auf den Kopfbereich beschränkt, betrifft der lebensbedrohliche Hitzschlag den ganzen Körper. Bei Unsicherheit: 112 anrufen!
Quellenangaben
- Hitzschlag vermeiden. Informationen der TK. Online verfügbar unter: https://www.tk.de/techniker/magazin/reisen/reisen-ohne-risiko/hitzschlag-2009174
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Gesundheitsrisiko Sonne. Online verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/risiken-vorbeugen/sonnenschutz/risiko-sonne/
- Pschyrembel online. Heiosis. online verfügbar unter: https://www.pschyrembel.de/Heliosis/K09L2
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Mittelohrentzündung bei Kindern: Wie handeln Eltern richtig?
Die akute Mittelohrentzündung, Otitis media acuta, tritt im Kindesalter relativ häufig auf. Die pulsierenden Ohrenschmerzen werden meist von einem erheblichen Krankheitsgefühl und Fieber begleitet. Zudem sind Kopfschmerzen und Beeinträchtigungen des Hörens möglich.
Die Eltern der kleinen Patienten sind oft sehr besorgt, doch in der Regel heilt die Mittelohrentzündung folgenlos aus. Es handelt sich um eine häufige, aber meist komplikationslose Erkrankung im Kindesalter. Der generelle Einsatz von Antibiotika wird zunehmend kritisch hinterfragt.

Symptome der akuten Otitis media (AOM)
Zu den charakteristischen Symptomen zählen starke Ohrenschmerzen, die meist in den späten Abendstunden und in der Nacht zunehmen. Die Schmerzen sind quälend mit pulsierendem und stechendem Charakter.
Über den Tag hinweg können sie sich zunächst bessern, um später wieder ausgeprägt aufzutreten. Begleitet werden die Schmerzen häufig von Fieber, einem starken Krankheitsgefühl, Ohrgeräuschen, Hörminderung, Ausfluss aus dem Ohr sowie Kopfschmerzen.
Plötzliche Erleichterung nach Schmerz: Das passiert bei Ohrperforation
Meist sind die klassischen Erkältungsanzeichen wie Schnupfen und Husten ebenfalls (noch) vorhanden. Auch findet man bei vielen Kindern eine erhöhte Reizbarkeit. Je nach Alter des Kindes können die Beschwerden eher unspezifisch erscheinen.
So fassen sich Babys und Kleinkinder oft ans Ohr, sind unruhig und weinerlich oder haben Bauchschmerzen. Kommt es spontan zur Perforation mit Entleerung von Eiter in den Gehörgang, lassen die Schmerzen abrupt nach. Der Riss verheilt in der Regel innerhalb von ein paar Tagen.
Entstehung der Mittelohrentzündung
Eine Mittelohrentzündung entwickelt sich häufig auf dem Boden eines viralen Infektes im Mund-Nasen-Rachenraum. Die Krankheitserreger können aufgrund der kürzeren Tube leichter aufsteigen. Bei Kindern ist die Ohrtrompete zudem weiter, Bakterien können sich leichter ansammeln und zur Superinfektion führen.
Bei einer Entzündung schwillt die Schleimhaut in der Ohrtrompete an und die Belüftung ist eingeschränkt. Auf die vorige virale Entzündung kommen bakterielle Erreger hinzu, in ca. 70 % handelt es sich um Mischinfektionen. Zu den häufigsten Erregern zählen Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis.
Bei der ärztlichen Untersuchung erscheint der Innenbereich stark gerötet und das Trommelfell ist vorgewölbt. Eine Vorwölbung gilt als Hinweis für eine Flüssigkeitsansammlung und somit eine Druckerhöhung im Mittelohr. Eitriger Ausfluss ist möglich.
Drei Kriterien für die sichere Diagnose einer Mittelohrentzündung:
- Plötzlicher Beginn, Fieber, reduzierter Allgemeinzustand
- Gerötetes Trommelfell und Ohrenschmerzen
- Paukenerguss
Begünstigende Faktoren
Bis zum 6. Lebensjahr ist die akute Mittelohrentzündung weit verbreitet. Verschiedene Faktoren begünstigen ihre Entstehung:
- Mittelohrentzündung in den ersten sechs Lebensmonaten
- Kontakt zu kleinen Kindern (früher Krippenaufenthalt/ Kindergarten) und dadurch vermehrte Aufnahme von Erregern bis zum dritten Lebensjahr
- Erhöhe Erkältungsgefahr in der kalten Jahreszeit
- Vergrößerte Nasen- Rachenmandeln
- Passivrauchen
- Schnuller und Flaschennahrung
- Grunderkrankungen und geschwächtes Immunsystem
- Allergien und Neurodermitis
Reiseübelkeit bei Kindern: Hilfe und Tipps
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die Eltern ergreifen können, um die Beschwerden zu lindern und die Reise für ihre Kinder angenehmer zu gestalten.

Komplikationen der akuten Mittelohrentzündung – selten und unabhängig von Behandlungsart
In der Regel verlaufen akute Mittelohrentzündungen gutartig. Schwerwiegende Verläufe sind selten und unabhängig von der Art der Behandlung. Eine sofortige Antibiotikabehandlung soll sich zunächst nicht auf die Schmerzen auswirken, erst im späteren Verlauf der Erkrankung. Eine mögliche seltene Komplikation ist die Mastoiditis.
Hierbei ist der Wurmfortsatz hinter der Ohrmuschel entzündet. Auch eine Meningitis durch Streptococcus pneumoniae kann mit einer oralen Antibiotikabehandlung nicht generell vermieden werden, wie eine Metaanalyse von Rothrock zeigte. Auch eine Studie von van Buchem mit über 4800 Kindern zeigte keinen Meningitisfall bei einer nicht-antibiotischen Therapie.
Bei einer akuten Mittelohrentzündung ist die ärztliche Kontrolle dennoch wichtig. Insbesondere können chronische Verläufe das Hörvermögen beeinträchtigen, welches sich negativ auf die sprachliche Entwicklung auswirken kann.
Wann zum Arzt
Mit Babys und kleinen Kindern sollte in jedem Fall ein Facharzt aufgesucht werden. Der Arzt entscheidet anhand verschiedener Kriterien über die geeignete Therapie. Diese sind beispielsweise das Alter des Kindes, die Symptome, der Verlauf und die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung inklusive der Ohr-Kontrolle mit Hilfe eines Otoskops.

Behandlung der akuten Mittelohrentzündung – keine pauschale Antibiotikagabe
Da die meisten Mittelohrentzündungen in der Regel folgenlos abheilen und in vielen Fällen kein Antibiotikum nötig ist, raten Mediziner bei älteren Kindern ohne Risikofaktoren zunächst dazu, zwei Tage symptomatisch zu behandeln und erst bei Nicht-Besserung oder Verschlechterung, mit einer Antibiotikabehandlung zu beginnen.
Im Einzelfall entscheidet der Arzt, wann das Kind wieder vorstellig werden sollte oder ob vorsichtshalber ein Rezept für ein geeignetes Antibiotikum mitgegeben wird. Das hat sich bei kooperativen Eltern insbesondere über das Wochenende bewährt. Unter Berücksichtigung der individuellen Krankengeschichte gilt eine abwartende Haltung mit Bekämpfung der Symptomlast für max. 2Tage als gerechtfertigt.
Antibiotikatherapie bei Kindern: Wann Amoxicillin notwendig wird
Bei Kindern mit einem erhöhten Risiko (u.a. Begleiterkrankungen, hohes Fieber, reduzierter Allgemeinzustand, Erbrechen und beidseitigen Schmerzen) wird erfahrungsgemäß eine Antibiotikabehandlung angeordnet. Sichtbarer Eiter führt ebenfalls zu einer Therapieentscheidung in Form eines Antibiotikums.
Amoxicillin ist das Mittel der Wahl. Bei der Herstellung des Trockensaftes kommt es häufig zu Fehlerquellen, daher sollte es bei Abgabe in der Apotheke noch einmal kurz erklärt werden. Auch für erfahrene Eltern ist es eine Ausnahmesituation, wenn das Kind starke Schmerzen hat. Daher sollte der Saft, nach Möglichkeit, zu Hause in Ruhe vorbereitet werden.
Wenn nötig, kann ein Trommelfellschnitt durchgeführt werden oder ein Paukenröhrchen eingelegt werden. Mittelohrentzündungen sollen zukünftig besser zu erkennen sein. Ein neuartiger Ultraschallwandler, der in das Otoskop integriert ist, soll den Entzündungsprozess hinter dem Trommelfell besser darstellen, so dass die Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Behandlung sicherer gestellt werden kann.
Genesung fördern: Mit Fürsorge und natürlichen Mitteln gegen Erkältungen
Abschwellende Nasentropfen sind zur Belüftung wichtig. In Absprache mit dem Kinderarzt auch über die empfohlene Einnahmedauer von 7 Tagen hinaus. Zu Beginn oder unterstützend sind neben geeigneten Inhalationen für Kinder, pflanzliche Präparate sehr beliebt und können vor einer möglichen Verschleppung der Erkältung schützen. Viel Flüssigkeit soll die Schleimhäute feucht halten und auf diese Weise den Abtransport der Krankheitserreger beschleunigen.
Zur unterstützenden Therapie eignen sich beispielsweise Traubenkernkissen, Zwiebelsäckchen und Wadenwickel. Ruhe und Zeit zur Genesung tun dem kleinen Patienten jetzt gut. Das wohl wichtigste ist jedoch Fürsorge und Liebe, damit sich das Kind schnell wieder erholen kann.
Prävention
Probiotika sollen einen präventiven Effekt haben. Demnach erkrankten die Kinder, die Probiotika einnahmen seltener an akuten Mittelohrentzündungen, an Atemwegsinfekten allgemein und benötigten weniger Antibiotika. Ein rauchfreies Umfeld und die Berücksichtigung der Impfempfehlungen wirken ebenfalls präventiv und tragen zur Gesundheit bei. Allgemein schützt ein gestärktes Immunsystem. Für Neugeborene und Säuglinge wird Stillen empfohlen, was ebenfalls vor Mittelohrentzündungen schützt. Gesunde Ernährung, frische Luft und Sport bzw. Spielen und Toben im Freien stärken das Abwehrsystem.
Hinweis: Von Flugreisen wird bei einer akuten Mittelohrentzündung dringend abgeraten! Der nötige Druckausgleich belastet das erkrankte Ohr zu sehr und kann zu Verschlechterung des Krankheitszustandes führen.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin gibt folgende Empfehlung für die Praxis:
Bei Patienten ohne Risikofaktoren mit einer unkomplizierten akuten Otitis media sollte zunächst eine symptomatische Behandlung mit systemischer Analgetikagabe durchgeführt und auf die sofortige antibiotische Therapie verzichtet werden. Bei Kleinkindern ist die Indikationsstellung je nach Alter und Diagnosesicherheit spezifisch zu stellen.
Analgetikagabe: Paracetamol bis max. 60mg/ kgKG/ d (3-4 x 10-15mg/ kgKG/d) oder Ibuprofen bis max. 20-30mg/ kgKG/ d (verteilt auf 3-4 Gaben/ d) Die sofortige Verabreichung von Antibiotika hat keinen Einfluss auf die Schmerzen inner-halb der ersten 24 Stunden. Der Nutzen eines Antibiotikums ist nur bezüglich der Schmerzen ab dem 2.Behandlungstag in geringem Maße nachgewiesen. Selbst bei Fieber und/ oder Erbrechen ist es vertretbar, die ersten 24-48 Stunden unter Beobachtung des Kindes abzuwarten und erst bei einer Verschlechterung der Symptome oder einer ausbleibenden Besserung Antibiotika zu verordnen. Allerdings bedarf es, auch aus forensischen Gründen, einer guten Aufklärung und Absprache mit den Eltern! Ist eine Wiedervorstellung in der Praxis nach 48 Stunden nicht möglich (z.B. Wochenende), empfehlen wir bei guter Mitarbeit der Eltern die vorsorgliche Ausstellung eines Antibiotikum-Rezeptes mit ausführlicher Aufklärung über Anwendungsbeginn, Dosierung und mögliche Nebenwirkungen. Bei weiterhin bestehenden Ohrenschmerzen nach 48 Stunden empfehlen wir folgende An-tibiotikatherapie:1. Wahl: Amoxicillin 50 mg/ kgKG/ d (2-3 Einzeldosen) über 7 Tage* 2. Wahl : Orales Cephalosporin der Gruppe 2.: z.B. Cefuroximaxetil 20-30 mg/ kgKG/ d Bei Vorliegen von Allergien gegen Penicilline/ Cephalosporine Makrolid: z.B. Erythromycin über 7Tage Bei persistierenden Beschwerden nach Beendigung der antibiotischen Therapie ist eine Wiedervorstellung in der Praxis notwendig. Bei Verschlechterung unter antibiotischer Therapie sind ggf. HNO-Kollegen hinzuzuziehen. Bei Patienten mit einem erhöhten Risiko (AOM mit Otorrhoe, jünger als 24 Monate mit beidseitiger AOM, Begleit-/Grunderkrankungen, rezidivierenden Infekten, Paukenröhrchen, Immunsuppression, schlechtem Allgemeinbefinden, hohem Fieber, anhaltendem Erbrechen und/ oder Durchfall) ist eine sofortige antibiotische Therapie einzuleiten. Bei Säuglingen zwischen 6 und 24 Monaten, die nicht schwer krank sind (kein Fieber, kein Erbrechen), kann eine engmaschige Befundkontrolle (innerhalb von 24 Stunden) vor einer antibiotischen Therapie erwogen werden. Die engmaschige Kontrolle kann notfalls auch durch eine kurzfristige telefonische Kontrollbefragung der Eltern erfolgen, wenn die Eltern gut aufgeklärt und kooperativ sind.
Mittelohrentzündung: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Säuglinge und Kleinkinder sollten dem Kinderarzt vorgestellt werden, sobald eine Mittelohrentzündung vermutet wird.
- Die Symptome sind bei sehr kleinen Kindern in der Regel unspezifisch und gehen mit Unruhe, Reizbarkeit, Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen einher. Bei Babys erkennt man häufig einen Ohrzwang.
- Die Therapie wird individuell gestellt. Von einem pauschalen sofortigen Antibiotikaeinsatz wird zunehmend abgesehen. Im Hinblick auf Resistenzen, Nebenwirkungen und möglichen Schäden des Mikrobioms wird die antibiotische Therapie kritischer gestellt.
- Je nach Alter des Kindes, Anamnese und Verlauf ist die symptomatische Therapie mit Paracetamol oder Ibuprofen, abschwellenden Nasentropfen und einer ausreichenden Trinkmenge gerechtfertigt.
- Pflanzliche Präparate haben entzündungshemmende und schleimlösende Eigenschaften, wirken abschwellend und gegen Krankheitserreger.
- Eine Antibiotikagabe scheint notwendig, bei Nicht-Ansprechen auf schmerzstillende und fiebersenkende Mittel, ausgeprägtem Krankheitsgefühl und hohem Fieber, eitrigem Ausfluss sowie beidseitigem Auftreten der Ohrenschmerzen. Auch bei Besserung der Symptomatik sollte das verordnete Antibiotikum unbedingt nach ärztlicher Empfehlung bis zum letzten Tag verabreicht werden.
- Im Gespräch mit den Eltern ist besonderes Einfühlungsvermögen gefragt. Viele Eltern befürchten Komplikationen bei einer akuten Mittelohrentzündung und fühlen sich aufgrund der starken Schmerzen ihres Kindes hilflos. Ein kleiner Trost: So schlimm die Schmerzen auch sind, so gehören wohl durchwachte Nächte und Mittelohrentzündungen zum groß werden dazu.
- Auch erwarten viele Eltern aus Sorge um ihr Kind eine Antibiotikatherapie, insbesondere, wenn das Kind wiederholt unter Ohrenschmerzen leidet und bei einer vorherigen Erkrankung ein Antibiotikum zum Einsatz kam.
- Bei guter Aufklärung und in Zusammenarbeit mit den Eltern, hat sich die Gabe eines Rezeptes bewährt, das, wenn nötig in Absprache mit dem behandelnden Arzt, eingereicht werden kann.
- Hier findet Ihr die DEGAM Kurzfassung zum Thema Ohrenschmerzen
Quellenangaben
- Die Techniker Krankenkasse. Mittelohrentzündung: Können Antibiotika bei Babys und Kleinkindern die Beschwerden lindern?
- Die TK informiert zum Thema Mittelohrentzündungen
- DEGAM Leitlinie Ohrenschmerzen
- Pressemitteilung: Ultraschall erleichtert die Diagnose von Mittelohrentzündungen
- Amboss – Wissen für Mediziner. Akute Otitis media
- Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. – Aktuelle Informationen zum Thema Mittelohrentzündung
- Wir haben Scharlach – alles Wichtige zum Krankheitsbild
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