Clusterkopfschmerz: Warnzeichen in der Apotheke erkennen und gezielt beraten
Clusterkopfschmerz gehört zu den primären Kopfschmerzerkrankungen und zeichnet sich durch eine außergewöhnlich hohe Schmerzintensität, eine streng einseitige Lokalisation sowie charakteristische Begleitsymptome wie Tränenfluss, Nasenlaufen oder Lidödem aus.
Aufgrund der relativ geringen Prävalenz im Vergleich zur Migräne oder Spannungskopfschmerz ist diese Erkrankung vielen Patientinnen und Patienten – aber auch Teilen des medizinischen Fachpersonals – weniger bekannt.

Aufklärung und Betreuung in der Apotheke
Die Apotheke stellt für viele Betroffene eine der ersten Anlaufstellen bei akuten oder wiederkehrenden Kopfschmerzepisoden dar. Gerade bei Clusterkopfschmerz besteht jedoch ein hohes Risiko der Fehldeutung – insbesondere dann, wenn sich Patientinnen und Patienten wiederholt mit starken, unerklärlichen Kopfschmerzen vorstellen, über typische Begleiterscheinungen berichten oder rezeptfreie Schmerzmittel ohne ausreichende Wirkung einnehmen.
Hier ist das pharmazeutische Personal gefragt: durch gezielte Rückfragen und ein geschultes Verständnis für mögliche Differenzialdiagnosen kann ein begründeter Verdacht auf Clusterkopfschmerz geäußert und zur ärztlichen Abklärung geraten werden.
Unterstützung durch pharmazeutische Betreuung
Neben der initialen Erkennung spielt auch die weiterführende Betreuung von Personen mit diagnostizierten Clusterkopfschmerz in der Apotheke eine bedeutende Rolle.
Viele Betroffene benötigen Unterstützung bei der Anwendung ihrer spezifischen Akuttherapie – etwa mit subkutanem Sumatriptan oder inhalativem Sauerstoff sowie bei der medikamentösen Prophylaxe mit Verapamil. Trigeminoautonome Kopfschmerzen, insbesondere der Clusterkopfschmerz, zählen zu den schmerzintensivsten neurologischen Erkrankungen und können bei unzureichender Behandlung zum Suizid führen.
Die Apotheke als niedrigschwelliger Versorgungspunkt spielt eine zentrale Rolle in der frühzeitigen Erkennung möglicher Hinweise und der gezielten Weiterleitung – ein entscheidender Beitrag zur Vermeidung schwerwiegender Verläufe und zur Verbesserung der Lebensqualität Betroffener.
Definition des Clusterkopfschmerzes
Nach der ICHD 3 beta (Headache Classification Committee of the International Headache Society 2013, ICHD-3 Beta) gehören der episodische und chronische Clusterkopfschmerz (CK) zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen.
Der Clusterkopfschmerz ist durch plötzlich einsetzende, äußerst starke Kopfschmerzattacken gekennzeichnet, die immer nur eine Seite des Kopfes betreffen. Der Schmerz konzentriert sich typischerweise hinter dem Auge (retroorbital) und wird dort am intensivsten wahrgenommen. Typisch ist das gleichzeitige Auftreten von Begleitsymptomen auf derselben Seite wie der Schmerz – dazu gehören zum Beispiel ein tränendes Auge, eine laufende Nase oder ein herabhängendes Augenlid (Horner-Syndrom).
Schmerzcharakter Clusterkopfschmerz
Die Schmerzen beim Clusterkopfschmerz gelten als extrem stark und zählen zu den intensivsten bekannten Kopfschmerzformen. Betroffene beschreiben sie häufig als bohrend, brennend oder stechend, mit einem klaren Schmerzmaximum im Bereich hinter dem Auge (retroorbital), der Stirn oder der Schläfe – stets einseitig und meist immer auf derselben Seite.
Ganz typisch ist der plötzliche Beginn der Attacke, die ihre maximale Intensität innerhalb weniger Minuten erreicht. Die Schmerzen sind in der Regel nicht pulsierend, wie bei einer Migräne, sondern konstant qualvoll. Jede Attacke dauert 15 bis 180 Minuten, kann bis zu achtmal täglich auftreten und zeigt eine Clusterung über mehrere Wochen hinweg, häufig zur gleichen Tages- oder Nachtzeit (gehäuft 1 bis 2 Stunden nach dem Einschlafen oder in den frühen Morgenstunden (über 50 Prozent).
Typische Begleitsymptome bei Clusterkopfschmerz:
- Tränende Augen
- Gerötete Bindehaut
- Laufende oder verstopfte Nase
- Vermehrtes Schwitzen (Stirn oder Gesicht)
- Hautrötung (Stirn oder Gesicht)
- Schwellung des Augenlids
- Völlegefühl im Ohr
Diese Symptome treten fast immer auf derselben Seite wie der Kopfschmerz auf und fehlen nur in etwa 3 Prozent der Fälle.

Weitere Merkmale:
- Hohe Schmerzintensität: Führen bei vielen Betroffenen zu starker motorischer Unruhe (z. B. Umherlaufen, auffällige körperliche Reaktionen).
- Psychische Belastung: Besonders bei chronischen Verläufen oder unzureichender Behandlung, oft verbunden mit suizidalen Gedanken und Depressionen.
- Schlafstörungen: Häufige nächtliche Attacken führen zu Schlafmangel, der den Alltag beeinträchtigt.
- Saisonale Häufung: Clusterkopfschmerz tritt häufig im Frühjahr und Herbst auf.
Begleiterscheinungen:
- Etwa 50 Prozent der Patienten leiden zusätzlich an einem begleitenden Kopfschmerz, der häufig einseitig und konstant ist.
- Migräneähnliche Symptome wie Aura, Übelkeit sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit können ebenfalls auftreten.
Episodischer vs. chronischer Clusterkopfschmerz – eine differenzierte Betrachtung
Der episodische Clusterkopfschmerz ist die häufigste Verlaufsform und betrifft etwa 80 Prozent der Betroffenen. Er tritt in klar abgegrenzten Perioden („Cluster“) auf, die zwischen 7 Tagen und mehreren Monaten andauern können. Innerhalb dieser Episoden kommt es zu täglichen, oft mehrfachen Attacken. Typisch ist eine symptomfreie Remissionsphase von mindestens 3 Monaten zwischen den Clustern, in der keine Beschwerden auftreten.
Im Gegensatz dazu liegt ein chronischer Clusterkopfschmerz vor, wenn:
- keine symptomfreie Phase von mehr als 3 Monaten innerhalb eines Jahres besteht oder
- die Attacken ohne Unterbrechung über mehr als ein Jahr andauern.
Diese Form ist seltener, jedoch mit einer besonders hohen psychischen und sozialen Belastung verbunden. Die Betroffenen benötigen häufig eine intensivere ärztliche Betreuung, eine konsequente Prophylaxe und engmaschige Unterstützung im Alltag.
Die Diagnose Clusterkopfschmerz wird in Deutschland häufig erst nach mehr als acht Jahren gestellt, was zu jahrelangem Leid, Fehldiagnosen und einer unzureichenden Behandlung führt. Die Patienten erleben dabei nicht nur extreme körperliche Schmerzen, sondern auch psychische Belastungen wie Angst, Depression und Verzweiflung. Angehörige leiden mit und sind oft hilflos, da sie die körperlichen und emotionalen Qualen ihrer Familienmitglieder miterleben. Trotz der schweren Auswirkungen ist CH heute bei entsprechender Expertise schnell diagnostizierbar, und es gibt wirksame Behandlungsmöglichkeiten.
Doch aufgrund fehlender Aufklärung und mangelnder Anerkennung in der medizinischen Ausbildung bleibt der Clusterkopfschmerz häufig unzureichend behandelt, was die Belastung für Betroffene und ihre Familien weiter verstärkt.
Merke
Clusterkopfschmerz gilt als einer der stärksten und quälendsten primären Kopfschmerzen, bekannt für seine extreme Schmerzintensität und die damit verbundene Unruhe. Aufgrund der schweren Belastung wird er umgangssprachlich auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, da viele Betroffene während eines Anfalls suizidale Gedanken äußern.
Oft wird CH nicht frühzeitig erkannt oder adäquat behandelt, da sowohl in Notaufnahmen als auch bei nicht spezialisierten Ärzten häufig eine unzureichende Ausbildung und Erfahrung in der Diagnostik und Therapie von Kopfschmerzerkrankungen besteht.
Clusterkopfschmerz Ursachen
Hypothalamus als Ursprungsort von Clusterkopfschmerzen
Die genauen Ursachen von Clusterkopfschmerzen sind bislang nicht vollständig geklärt. Derzeit werden mehrere Hypothesen untersucht, wobei die verbreitetste Annahme den Hypothalamus als Ursprungsort der Beschwerden sieht.
Dieser Teil des Zwischenhirns, zuständig unter anderem für Hormonregulation und die Steuerung der inneren Uhr, soll sowohl die Schmerzattacken als auch die einseitigen autonomen Begleitsymptome auslösen. Die Schmerzsignale werden anschließend über den Nervus trigeminus weitergeleitet.
Trigeminusaktivierung und autonome Symptome
Die Aktivierung des Trigeminusnervs, insbesondere seines ersten Astes (V1), ist direkt für die starken Schmerzempfindungen verantwortlich. Parallel wird über einen Reflexbogen das autonome Nervensystem aktiviert, was die typischen begleitenden Symptome auf der betroffenen Gesichtshälfte (z. B. tränendes Auge, laufende Nase, Schwitzen) erklärt.
Chronobiologie und Clusterperioden
Ein auffälliges Merkmal von Clusterkopfschmerzen ist ihre periodische Häufung, häufig zu festen Tages- oder Jahreszeiten. Auch hier wird eine zentrale Rolle des Hypothalamus angenommen, der als eine Art „innerer Taktgeber“ wirkt und den zirkadianen Rhythmus beeinflusst.
Beteiligung von Neurotransmittern und CGRP
Ähnlich wie bei der Migräne spielt vermutlich auch bei Clusterkopfschmerzen das CGRP-System (calcitonin gene-related peptide) eine wichtige Rolle. CGRP ist ein Neurotransmitter – ein chemischer Botenstoff, mit dem Nervenzellen Informationen weitergeben. Während einer Attacke kommt es offenbar zur Freisetzung von CGRP, was entzündliche Prozesse, eine Gefäßerweiterung und Schmerz vermittelt bzw. verstärkt.
Neuro-vaskuläre Entzündung
Darüber hinaus wurde beobachtet, dass es im Rahmen der Attacke zu einer von Nerven ausgelösten Gefäßentzündung, einer sogenannten neuro-vaskulären Entzündung, kommt.
Dabei sind bestimmte Entzündungsbotenstoffe ausschließlich während der Attacke im venösen Blut der betroffenen Kopfseite erhöht, was experimentell nachgewiesen wurde. Diese Reaktion verstärkt die lokale Schmerzverarbeitung zusätzlich.
Clusterkopfschmerz Risikofaktoren
Clusterkopfschmerzen haben oft keine klaren äußeren Ursachen, aber während einer aktiven Phase (Clusterperiode) können bestimmte Reize, sogenannte Trigger, Attacken auslösen:
- Alkohol
- Nikotin
- starke Gerüche (z. B. Lösungsmittel, Parfüm)
- Histamin (Reifer Käse, Schokolade)
- hohe Temperaturen / Hitzeeinwirkung
- körperlicher oder emotionaler Stress
- Schlafmangel oder Schlafrhythmusstörungen
- Aufenthalt in hohen Höhen
- Reizendes Licht
- Medikamente (Nitroglycerin)
Warum Clusterkopfschmerzen und Migräne verwechselt werden
Clusterkopfschmerzen und Migräne weisen in bestimmten Aspekten ähnliche klinische Merkmale auf, was die Unterscheidung insbesondere in der frühen Diagnostik erschweren kann. Beide Erkrankungen gehen mit intensiven, meist einseitigen Kopfschmerzen einher und werden durch komplexe Prozesse im Nervensystem ausgelöst. Viele Menschen, die regelmäßig unter Kopfschmerzen leiden, erhalten keine eindeutige Diagnose – und bleiben dadurch oft unbehandelt oder unzureichend versorgt.
Migräne und Clusterkopfschmerz weisen mehrere pathophysiologische Gemeinsamkeiten auf. Beide Erkrankungen sind mit einer Aktivierung des trigemino-vaskulären Systems verbunden, was zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie CGRP und zur Weitstellung zerebraler Blutgefäße führt. Diese Prozesse tragen maßgeblich zur Schmerzentstehung bei. Auch bestimmte Auslöser wie starke Gerüche, histaminreiche Nahrungsmittel, Alkohol oder Lichtreize können bei beiden Kopfschmerzformen eine Attacke auslösen, was auf eine gemeinsame Reizempfindlichkeit hindeutet.

Migräne und Clusterkopfschmerz: Wenn die Schaltzentrale aus dem Takt gerät
Migräne und Clusterkopfschmerzen haben gemeinsam, dass bei beiden der Hypothalamus – ein Bereich im Zwischenhirn – aus dem Gleichgewicht geraten kann. Das betrifft zum Beispiel die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus, die Verarbeitung von Schmerzen und die Ausschüttung bestimmter Hormone. Der Hypothalamus wirkt dabei wie eine zentrale Schaltstelle, die viele Körperfunktionen koordiniert. Bei Clusterkopfschmerzen ist seine Beteiligung jedoch stärker und direkter, was sich auch in der ausgeprägten zeitlichen Regelmäßigkeit der Attacken zeigt.
Obwohl Migräne und Clusterkopfschmerzen einige pathophysiologische Gemeinsamkeiten aufweisen – etwa eine neurovaskuläre Entzündung und die Freisetzung von Botenstoffen wie CGRP – unterscheiden sie sich deutlich in ihrem Ursprung und Verlauf.
Wie sich Clusterkopfschmerz und Migräne voneinander abgrenzen
Bei Migräne legen bildgebende Studien nahe, dass der Ursprung der Attacken häufig im Bereich des Hirnstamms, insbesondere in der dorsolateralen pons (Brücke), liegt. Diese Region spielt eine Rolle bei der Schmerzverarbeitung, der Modulation von sensorischen Reizen und der Kontrolle von Aufmerksamkeits- und Stressreaktionen. Dort werden auch Prozesse angestoßen, die zu einer Aktivierung des trigemino-vaskulären Systems führen – einem Schlüsselfaktor in der Migräneentstehung.
Im Gegensatz dazu stehen Clusterkopfschmerzen in engem Zusammenhang mit einer Dysfunktion im posterioren Hypothalamus. Diese Region ist an der Steuerung von zirkadianen Rhythmen, vegetativen Funktionen und hormonellen Regelkreisen beteiligt. Der Hypothalamus scheint bei Clusterkopfschmerzen nicht nur ein Auslöser, sondern ein zentraler Taktgeber für die rhythmisch auftretenden Schmerzattacken zu sein. Die auffallende Regelmäßigkeit der Anfälle – oft zur gleichen Tageszeit und saisonal gehäuft – spricht ebenfalls für eine Beteiligung des biologischen Zeitgebers.
Migräne vs. Clusterkopfschmerz: Zwei Gesichter des Schmerzes
Migräneattacken dauern meist mehrere Stunden bis Tage und gehen häufig mit Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit einher. Clusterattacken hingegen sind deutlich kürzer, dafür extrem intensiv und treten häufig mehrmals täglich zu festen Zeiten auf. Auch ist das Auftreten einer visuellen Aura sowie migräneartiger Beschwerden möglich.
Typisch sind jedoch starke, einseitige Kopfschmerzen mit ausgeprägten autonomen Begleitsymptomen wie Tränenfluss, gerötetem Auge und laufender Nase. Das Verhalten der Patienten während der Attacken unterscheidet sich jedoch deutlich: Während Clusterpatienten typischerweise unruhig sind und sich aktiv bewegen, müssen sich Migränepatienten zurückziehen und sich, bevorzugt in einem abgedunkelten Raum, hinlegen.
Wichtig zu wissen:
Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) ist ein neuropeptidähnlicher Botenstoff, der vor allem im peripheren und zentralen Nervensystem vorkommt. Es wird insbesondere von sensorischen Nervenfasern des Trigeminusnervs freigesetzt und spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Kopfschmerzen, insbesondere bei Migräne und Clusterkopfschmerzen. CGRP wirkt stark gefäßerweiternd (vasodilatierend) und fördert die neurogene Entzündung im Bereich der Hirnhäute.
Diese Prozesse führen zur Aktivierung von Schmerzrezeptoren und tragen maßgeblich zur Schmerzentstehung bei. Aufgrund seiner Schlüsselrolle gilt CGRP heute als wichtiger therapeutischer Angriffspunkt: Es stehen mittlerweile Medikamente zur Verfügung, die entweder das Peptid selbst oder seine Rezeptoren blockieren (sog. CGRP-Antagonisten oder -Antikörper).
Wie lassen sich Clusterkopfschmerzen und Migräne voneinander unterscheiden?
Clusterkopfschmerzen und Migräne gehören zu den schwerwiegenden primären Kopfschmerzerkrankungen und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen stark. In einigen Punkten unterscheiden sie sich jedoch in ihrem Erscheinungsbild. Während beide Kopfschmerzformen mit einer visuellen Aura und migräneartigen Symptomen einhergehen können, so zeigt sich die Migräne häufig mit begleitenden Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen.
Clusterkopfschmerzen zeichnen sich durch extrem starke, unerträgliche Schmerzattacken (Suizidkopfschmerz!) mit autonomen Begleiterscheinungen aus. Es ist zudem möglich, dass beide Kopfschmerzformen gleichzeitig auftreten. Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die wichtigsten Erkennungsmerkmale:
| Merkmal | Clusterkopfschmerz | Migräne |
|---|---|---|
| Schmerzcharakter | Extrem stark, stechend/brennend, meist lokal im Auge oder direkt dahinter, „glühend heißes Messer“, “brennender Dorn“ | Sehr stark, pulsierend, pochend, meist halbseitig |
| Dauer einer Attacke | 15 Minuten bis 3 Stunden | 4 bis 72 Stunden |
| Häufigkeit | Meist nachts, mehrmals täglich in Clusterperioden | Ein- bis viermal pro Monat |
| Begleitsymptome | Tränenfluss, gerötetes Auge, hängendes Augenlid, laufende/verstopfte Nase, ggf. Aura | Aura, Übelkeit, Erbrechen, Licht-/Lärmempfindlichkeit, Sensibilitätsstörungen |
| Verhalten während eines Anfalls | Unruhig, Bewegungsdrang, Schaukeln mit dem Oberkörper | Ruhebedürfnis, Rückzug, Schmerzverstärkung bei Bewegung |
| Triggerfaktoren | Nikotin, Alkohol, Tagesrhythmusstörungen, starke Gerüche | Stress, Hormone, Lebensmittel, Gerüche |
| Geschlecht | Häufiger bei Männern | Häufiger bei Frauen |
| Alter bei Erstauftreten | Meist 20–40 Jahre | Pubertät bis junges Erwachsenenalter |
| Ort des Schmerzes | Einseitig, Augenpartie bis Stirn/Schläfe | Einseitig oder beidseitig, meist Schläfenregion |
| Ursprung | Hypothalamus, zirkadian strukturiert | Hirnstamm (v. a. Pons), diffus, variabel |
Akutbehandlung und Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes
Aufgrund der oft hohen Attackenfrequenz kann im klinischen Alltag eine Kombinationstherapie – etwa Triptane für schwere Attacken und Sauerstoff oder Lidocain als Ergänzung – sinnvoll sein.
- Die Inhalation von 100 % Sauerstoff über eine Gesichtsmaske mit Rückatembeutel (Non-Rebreather-Maske) bei einem Fluss von 12 l/min über 15–20 Minuten ist hochwirksam und hilft durch eine Gefäßverengung etwa 78 Prozent der Patienten. Die Kosten für die Sauerstofftherapie in Druckgasflaschen werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
- Laut aktueller Leitlinie haben sich zur Behandlung akuter Clusterkopfschmerzattacken parenteral verabreichte 5-HT₁B/D-Agonisten als besonders wirksam erwiesen. Insbesondere Sumatriptan (6 mg subkutan) und Zolmitriptan (5–10 mg nasal) gelten als Mittel der ersten Wahl.
- Lidocaintropfen: Durch eine Nervenblockade lässt sich die periphere (parasympathische) Endstrecke der Clusterkopfschmerz-Symptomatik gezielt unterbrechen. Dieser Therapieansatz stellt insbesondere für Patienten mit Kontraindikationen für Triptane eine sinnvolle Behandlungsoption dar. Mehr dazu: Hinweise zur Anwendung von Lidocain.
Gut zu wissen:
Die orale Einnahme von Triptanen bei Clusterkopfschmerzen ist aufgrund der unzureichenden Geschwindigkeit der Resorption und der damit verbundenen verzögerten Schmerzlinderung nicht empfehlenswert. Clusterkopfschmerzen zeichnen sich durch abrupt einsetzende, hochintensive Schmerzen aus, die eine rasche therapeutische Intervention erfordern. Die orale Applikation von Triptanen führt zu einer verzögerten Resorption über den Magen-Darm-Trakt, was eine lange Zeit bis zum Wirkeintritt zur Folge hat – üblicherweise etwa 30 Minuten oder länger.
Galcanezumab beim Clusterkopfschmerz: Zwischen klinischem Bedarf und regulatorischer Realität
In Anbetracht der Notwendigkeit einer schnellen Symptomlinderung sind alternative Applikationsformen wie subkutane Injektionen, Nasensprays oder Inhalatoren vorzuziehen, da diese eine raschere Aufnahme und damit eine schnellere Wirkung ermöglichen. Diese schnelleren Verabreichungswege sind klinisch vorteilhaft, um den intensiven Schmerz eines Clusterkopfschmerzanfalls effektiv und zeitnah zu behandeln.
Die folgenden Informationen richten sich ausschließlich an medizinisches Fachpersonal: In der Europäischen Union, einschließlich Deutschland, ist Emgality® (Galcanezumab) derzeit ausschließlich zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zugelassen. Ein Antrag des Herstellers Eli Lilly auf Erweiterung der Zulassung zur Prophylaxe von episodischem Clusterkopfschmerz wurde von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) im Februar 2020 abgelehnt. Die EMA begründete ihre Entscheidung damit, dass die vorgelegten Studiendaten nicht ausreichend waren, um einen klaren Nutzen gegenüber den Risiken zu belegen (European Medicines Agency [EMA], 2020).
Im Gegensatz dazu hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) Emgality® bereits im Juni 2019 zur Behandlung des episodischen Clusterkopfschmerzes zugelassen. In Deutschland ist die Anwendung von Galcanezumab bei Clusterkopfschmerz derzeit off-label und erfordert eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung sowie gegebenenfalls eine Genehmigung durch die Krankenkasse (U.S. Food and Drug Administration [FDA], 2019).
Weitere Medikamente und Behandlungsoptionen bei Clusterkopfschmerz
- Des Weiteren sind Kortikosteroide wie Prednison (mindestens 1 mg/kg Körpergewicht) ebenfalls effektiv, sollten jedoch nur kurzfristig (weniger als 4 Wochen) als erste therapeutische Maßnahme eingesetzt werden.
- In der prophylaktischen Behandlung ist Verapamil die Substanz der ersten Wahl (Dosierung: 3–6 × 80 mg/Tag, selten bis zu 960 mg/Tag). Dabei ist auf mögliche Nebenwirkungen wie Bradykardien und AV-Blockierungen zu achten. Es sollten retardierte Präparate eingesetzt werden.
- Lithium (bei einem Plasmaspiegel von 0,6–1,2 mmol/l) und Topiramat (100–200 mg/Tag) gelten als Mittel der zweiten Wahl zur Prophylaxe des Clusterkopfschmerzes.
Wie wirkt Verapamil?
Verapamil ist ein Kalziumkanalblocker und gilt als Mittel der ersten Wahl zur Vorbeugung von Clusterkopfschmerzen. Es wirkt vermutlich durch die Hemmung zentraler Kalziumkanäle und beeinflusst die Aktivität im Hypothalamus sowie im trigemino-vaskulären System. Dadurch kann die Häufigkeit und Intensität der Attacken deutlich reduziert werden. Wegen möglicher Auswirkungen auf das Herz sollte die Behandlung unter regelmäßiger EKG-Kontrolle erfolgen.
Clusterkopfschmerz: Anspruchsvolle Therapie erfordert spezialisierte Betreuung
Entspannungsverfahren, die bei anderen Kopfschmerzformen wie Spannungskopfschmerzen oder Migräne oft lindernd wirken, zeigen bei Clusterkopfschmerzen in der Regel keine therapeutische Wirkung. Auch frei verkäufliche Schmerzmittel bleiben bei dieser Form des Kopfschmerzes wirkungslos, da sie weder die Schwere noch die Dauer der Attacken beeinflussen können.
Die Behandlung von Clusterkopfschmerzen erfordert daher eine gezielte, medikamentöse Therapie, die idealerweise in spezialisierten Kopfschmerzzentren erfolgt. Dort kann unter stationären Bedingungen eine exakte Diagnostik und individuelle Einstellung der Therapie vorgenommen werden. Da sowohl die Wahl der Medikamente als auch ihre Dosierung stark variieren können, ist eine engmaschige Betreuung durch erfahrene Fachärzte unerlässlich.
Nur durch eine individuell angepasste Behandlung und kontinuierliche Überwachung lassen sich die Lebensqualität verbessern, die Häufigkeit der Attacken reduzieren und langfristige Therapieerfolge erzielen. Die interdisziplinäre Betreuung in spezialisierten Einrichtungen bietet Betroffenen dabei die bestmögliche Unterstützung.
Clusterkopfschmerz: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Viele Kundinnen und Kunden mit wiederkehrenden Kopfschmerzen greifen regelmäßig zu rezeptfreien Schmerzmitteln, ohne eine klare ärztliche Diagnose zu haben. Dabei handelt es sich nicht selten um Kopfschmerzerkrankungen, die spezifische Behandlungsstrategien erfordern.
- Insbesondere bei häufiger Einnahme von Schmerzmitteln droht die Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes oder einer Chronifizierung, etwa in Form einer chronischen Migräne. Auch Clusterkopfschmerzen können in eine chronische Verlaufsform übergehen, bei der die schmerzfreien Intervalle ausbleiben.
- Apotheken spielen eine wichtige Rolle in der frühen Identifikation und Aufklärung: Auf Warnzeichen wie die häufige Einnahme von Analgetika, nächtliche Schmerzattacken, einseitige Kopfschmerzen oder vegetative Begleitsymptome (z. B. Übelkeit, tränendes Auge, Lichtempfindlichkeit) sollte geachtet werden.
- Es ist wichtig, die Therapietreue bei verordneten Prophylaxen (z. B. Verapamil, Topiramat) oder bei neueren Therapien wie CGRP-Antikörpern zu unterstützen.
- Bei Verdacht auf Migräne oder Clusterkopfschmerz sollte eine ärztliche Abklärung angestrebt werden – idealerweise in spezialisierten Kopfschmerzambulanzen oder durch neurologische Fachärzte.
- Die Beratung in der Apotheke kann wesentlich dazu beitragen, dass eine frühzeitige und angemessene Behandlung erfolgt – und damit einer Chronifizierung sowie einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität vorgebeugt wird.
- Clusterkopfschmerz erkennen – Apothekenfachpersonal als Schlüssel zur schnelleren Diagnose. PTA digital im Interview mit Herrn Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Leitfaden herunterladen
Clusterkopfschmerz zählt zu den intensivsten Schmerzformen überhaupt. Unser neuer Beratungsleitfaden unterstützt dabei, Betroffene empathisch und kompetent zu begleiten – mit kompaktem Wissen und praxisnahen Empfehlungen.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Rachenentzündung: fachgerechte Behandlung und Hausmittel, die helfen
Eine Rachenentzündung (Pharyngitis) ist eine Entzündung der Schleimhaut im Rachenraum, die oft mit Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Rötungen einhergeht. Meist sind Viren die Ursache, seltener bakterielle Infektionen wie Streptokokken. Auch Reizstoffe wie Rauch, trockene Luft oder Allergene können den Rachen reizen und Beschwerden auslösen.
Dieser Artikel liefert einen kompakten Überblick über Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Rachenentzündung, um eine gezielte Beratung in der Apotheke zu ermöglichen und passende Empfehlungen auszusprechen.

Entstehung der Rachenentzündung
Eine Rachenentzündung ist eine Entzündung der Schleimhaut im Rachenraum, die sich durch Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Rötungen äußern kann. Verschiedene Faktoren können die akut oder chronisch verlaufende Entzündung begünstigen:
Häufigste Auslöser
Die häufigsten Ursachen einer Rachenentzündung sind:
- Viren: In den meisten Fällen ist eine Pharyngitis viral bedingt, z. B. durch Rhinoviren, Adenoviren oder das Influenza-Virus.
- Bakterien: Seltener sind Bakterien wie Streptococcus pyogenes (Erreger der Streptokokken-Angina) die Ursache.
- Allergene: Pollen, Hausstaub oder Tierhaare können eine Entzündung der Rachenschleimhaut hervorrufen.
- Reizstoffe: Zigarettenrauch, trockene oder kalte Luft sowie chemische Dämpfe können die Schleimhaut irritieren und eine Entzündung begünstigen.
Risikofaktoren
Bestimmte Faktoren erhöhen die Anfälligkeit für eine Rachenentzündung:
- Rauchen: Tabakrauch reizt die Schleimhaut und kann die lokale Immunabwehr schwächen.
- Geschwächtes Immunsystem: Chronische Erkrankungen, Stress oder ein Nährstoffmangel können die Abwehrkräfte reduzieren und die Infektanfälligkeit erhöhen.
Arten der Rachenentzündung
Rachenentzündungen lassen sich anhand verschiedener Kriterien klassifizieren. Dabei spielen die Ursache, der Verlauf und die betroffenen Gewebeschichten eine zentrale Rolle.
Einteilung nach Ursache
- Virale Pharyngitis: In den meisten Fällen wird eine Rachenentzündung durch Viren verursacht, insbesondere durch Rhinoviren, Adenoviren oder Influenza-Viren. Diese Form verläuft meist selbstlimitierend und erfordert vor allem eine symptomatische Behandlung.
- Bakterielle Pharyngitis: Seltener liegt eine bakterielle Infektion vor, häufig durch Streptococcus pyogenes (Streptokokken-Angina). Diese Form kann schwere Komplikationen wie Scharlach oder rheumatisches Fieber nach sich ziehen und erfordert eine antibiotische Therapie.
- Reizbedingte Pharyngitis: Externe Faktoren wie Rauchen, trockene Luft, chemische Dämpfe oder eine übermäßige Stimmbelastung können eine nicht-infektiöse Entzündung der Rachenschleimhaut auslösen.
- Allergische Pharyngitis: Allergene wie Pollen oder Hausstaub können eine entzündliche Reaktion im Rachenraum hervorrufen, oft begleitet von Juckreiz, Reizhusten und Schleimhautreizungen.
Einteilung nach Verlauf
- Akute Pharyngitis: Dies ist die häufigste Form, sie tritt plötzlich auf und klingt in der Regel nach wenigen Tagen bis zwei Wochen ab. Meist handelt es sich um eine virale Infektion.
- Chronische Pharyngitis: Dauert die Entzündung länger als drei Wochen an, spricht man von einer chronischen Pharyngitis. Diese tritt oft durch dauerhafte Reizexposition (z. B. Rauchen, Luftverschmutzung, chronische Mundatmung) oder als Folge wiederholter Infektionen auf.

Einteilung nach betroffenen Gewebeschichten
- Katarrhalische Pharyngitis: Gekennzeichnet durch eine oberflächliche Entzündung der Schleimhaut mit Rötung und Schwellung, häufigste Form.
- Atrophische Pharyngitis: Die Schleimhaut wird dünner und trockener, häufig als Folge chronischer Reizung oder im Rahmen eines atrophischen Prozesses (z. B. im höheren Alter).
- Hypertrophe Pharyngitis: Gekennzeichnet durch eine Verdickung der Schleimhaut und Lymphfollikel-Hypertrophie, oft bei chronischer Reizung oder als Reaktion auf wiederholte Infekte.
Symptome und Diagnostik einer Rachenentzündung
Eine Rachenentzündung kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen zeigen. Zu den häufigsten gehören starke Halsschmerzen, die vor allem beim Schlucken oder Sprechen intensiver werden. Diese Schmerzen gehen oft mit einer Rötung und Schwellung der Rachenschleimhaut einher, was klinisch durch eine gerötete, teils entzündete Schleimhaut sichtbar wird.
Zusätzlich können Patienten unter Schluckbeschwerden leiden, die in einigen Fällen so ausgeprägt sind, dass das Schlucken von Speisen und Getränken schmerzhaft oder sogar nahezu unmöglich wird. Weitere begleitende Symptome sind häufiges Räuspern/Husten, leichtes Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl, das mit Kopf- und Gliederschmerzen einhergehen kann.
Symptome einer Rachenentzündung im Überblick:
- Halsschmerzen
- Rötung und Schwellung der Rachenschleimhaut
- Geschwollene Lymphknoten
- Schluckbeschwerden
- Allgemeines Krankheitsgefühl mit weiteren Erkältungssymptomen wie Fieber, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen
- Bei Kindern auch Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
Diagnostik einer Rachenentzündung
Für die Diagnostik der Rachenentzündung ist zunächst eine gründliche Anamnese erforderlich, bei der der Arzt die Dauer und Intensität der Symptome sowie etwaige begleitende Beschwerden wie Fieber oder Husten erfragt. Die klinische Untersuchung umfasst eine Inspektion des Rachens, bei der insbesondere auf eine Rötung und Schwellung der Schleimhäute sowie auf mögliche Eiterbeläge geachtet wird sowie das Abtasten der Halslymphknoten.
Um zwischen viralen und bakteriellen Ursachen der Entzündung zu differenzieren, kann ein Schnelltest auf Streptokokken der Gruppe A durchgeführt werden, da diese eine häufige bakterielle Ursache für Pharyngitis darstellen. In bestimmten Fällen, etwa bei Verdacht auf eine andere zugrunde liegende Ursache oder bei sehr schweren Verläufen, kann eine weiterführende Diagnostik, wie ein Abstrich zur Kultivierung von Erregern oder eine Blutuntersuchung, sinnvoll sein.
Abgrenzung der Rachenentzündung zu anderen Erkrankungen
Bei der Unterscheidung der Rachenentzündung von anderen Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie Halsschmerzen oder Schluckbeschwerden verursachen können, ist eine genaue Untersuchung wichtig. Im Folgenden werden die häufigsten Erkrankungen beschrieben, die mit einer Rachenentzündung verwechselt werden können:
1. Mandelentzündung (Tonsillitis):
Die Mandelentzündung unterscheidet sich von der Rachenentzündung in erster Linie durch den betroffenen Bereich und die spezifischen Symptome.
- Bei einer Tonsillitis sind vor allem die Gaumenmandeln betroffen, die in der Regel geschwollen, gerötet und mit Eiter belegt sein können. Im Gegensatz zur Pharyngitis, bei der die Entzündung der Rachenschleimhaut im Vordergrund steht, können bei der Tonsillitis deutlich ausgeprägte lokale Schmerzen im Bereich der Mandeln auftreten.
- Zudem ist oft eine stärkere Allgemeinsymptomatik mit Fieber und Lymphadenopathie (geschwollene Lymphknoten) zu beobachten. Während eine Pharyngitis häufig viralen Ursprungs ist, ist eine bakterielle Mandelentzündung (z. B. durch Streptokokken) häufiger und erfordert eine gezielte antibiotische Therapie.
2. Laryngitis:
Die Laryngitis ist eine Entzündung des Kehlkopfs und äußert sich durch Heiserkeit, Stimmlosigkeit und Husten, die bei einer Rachenentzündung nicht oder nur in geringem Maße vorkommen.
- Während Halsschmerzen auch bei einer Laryngitis auftreten können, stehen die typischen Symptome der Rachenentzündung wie Schluckbeschwerden und eine ausgeprägte Rötung im Rachenraum weniger im Vordergrund.
- Zudem kann die Laryngitis oft mit einer Veränderung der Stimme oder deren Verlust verbunden sein, was ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Rachenentzündung darstellt. In vielen Fällen ist die Laryngitis viral bedingt, etwa durch Infektionen mit Erkältungsviren.
3. Reflux-bedingte Beschwerden (Laryngopharyngealer Reflux – LPR):
Der Laryngopharyngeale Reflux, bei dem saurer Mageninhalt in den Rachenbereich aufsteigt, kann ähnliche Symptome wie eine Rachenentzündung verursachen, insbesondere Halsschmerzen und ein Fremdkörpergefühl im Hals.
- Im Gegensatz zur infektiösen Pharyngitis sind die Symptome des Refluxes chronischer Natur und treten insbesondere nach dem Essen, beim Liegen oder beim Bücken auf. Typische Begleitsymptome des Refluxes sind Husten, Heiserkeit und ein ständiges Räuspern.
- Bei der Diagnostik ist eine gezielte Anamnese hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten und des zeitlichen Auftretens der Beschwerden entscheidend, während eine Rachenentzündung in der Regel mit akut auftretenden entzündlichen Veränderungen der Rachenschleimhaut und typischen infektiösen Symptomen wie Fieber verbunden ist.
- Die Unterscheidung dieser Erkrankungen basiert auf einer gründlichen klinischen Untersuchung, ergänzt durch eine detaillierte Anamnese. Zudem können gezielte Tests, wie ein Streptokokken-Schnelltest oder eine Endoskopie bei Verdacht auf eine laryngopharyngeale Refluxerkrankung (LPR), zur Diagnosestellung beitragen. Falls erforderlich, kommen auch bildgebende Verfahren oder spezifische labordiagnostische Untersuchungen zum Einsatz.
Behandlung der Rachenentzündung mit pflanzlichen Präparaten aus der Apotheke
Die Behandlung einer Rachenentzündung kann mit verschiedenen pflanzlichen Präparaten aus der Apotheke unterstützt werden, die entzündungshemmende, schmerzlindernde und beruhigende Eigenschaften besitzen.
Diese Präparate bieten eine gute Möglichkeit, die Beschwerden zu lindern und den Heilungsprozess zu fördern.
Pflanzliche Präparate aus der Apotheke:
- Salbei (Salvia officinalis): Salbei ist für seine entzündungshemmenden und antiseptischen Eigenschaften bekannt. In der Apotheke sind Salbeitee, Lutschtabletten oder Sprays erhältlich, die bei Halsschmerzen und Entzündungen im Rachen eine lindernde Wirkung haben können.
- Eibisch (Althaea officinalis): Eibischpräparate wie Tees oder Lutschtabletten können sich beruhigend auf gereizte Schleimhäute auswirken und sind besonders hilfreich bei trockenem Hustenreiz.
- Kamille (Matricaria chamomilla): Kamille hat entzündungshemmende und beruhigende Eigenschaften. Kamillenpräparate können die Entzündung im Rachen zu lindern und den Heilungsprozess fördern.
- Isländisch Moos (Cetraria islandica): Isländisch Moos wird häufig in Tees oder Lutschtabletten angeboten und ist besonders effektiv, um die entzündeten Schleimhäute zu beruhigen und einen schützenden Film über die Schleimhaut zu legen.
- Thymian (Thymus vulgaris): Thymianpräparate wirken antibakteriell und entzündungshemmend. Sie sind hilfreich bei Halsschmerzen und Infektionen der oberen Atemwege.
- Löwenzahn (Taraxacum officinale): Löwenzahn wird in der Apotheke als Tee oder Tropfen angeboten. Es wirkt entzündungshemmend und kann helfen, die Heilung der Rachenschleimhaut zu unterstützen.
Medikamentöse Behandlung:
Neben pflanzlichen Präparaten können auch konventionelle Medikamente aus der Apotheke zur Behandlung einer Rachenentzündung eingesetzt werden.
- Schmerzmittel: Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen können die Schmerzen lindern. Sie sind besonders bei starken Beschwerden und Fieber eine hilfreiche Ergänzung.
- Entzündungshemmende Medikamente: Medikamente, wie Ibuprofen, wirken außerdem entzündungshemmend und können so Schwellungen und Rötungen im Rachen reduzieren.
- Lutschtabletten und Sprays: Produkte mit entzündungshemmenden oder betäubenden Inhaltsstoffen bieten eine gezielte Linderung und können Schmerzen schnell reduzieren.
- Antibiotika: Die meisten Rachenentzündungen sind viral bedingt. Falls jedoch eine bakterielle Infektion, beispielsweise durch Streptokokken, vorliegt, ist eine Antibiotika-Therapie notwendig.
Hausmittel und natürliche Ansätze:
- Salzwasser-Gurgeln: Ein bewährtes Hausmittel zur Linderung von Halsschmerzen ist das Gurgeln mit einer Salzlösung. Hierfür wird in einem Glas warmem Wasser ein Teelöffel Salz aufgelöst. Das Gurgeln fördert die Schleimlösung und kann helfen, schmerzhafte Beschwerden zu lindern.
- Kamillentee: Kamille besitzt entzündungshemmende und beruhigende Eigenschaften. Ein warmer Kamillentee kann nicht nur innerlich eingenommen werden, sondern auch durch das Inhalieren des Dampfes eine lindernde Wirkung auf die Schleimhäute im Rachen haben.
- Honig: Honig, besonders in Kombination mit warmem Wasser oder Tee, wirkt beruhigend auf die entzündeten Schleimhäute und kann die Heilung fördern. Die antibakteriellen Eigenschaften von Honig können zudem zur Bekämpfung von Infektionen beitragen.
- Warme Getränke: Warme Flüssigkeiten wie Tees (z. B. Salbei, Ingwer oder Lindenblüte) können die Schleimhäute beruhigen, die Durchblutung fördern und den Heilungsprozess unterstützen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Getränke nicht zu heiß sind, um die Schleimhäute nicht zusätzlich zu reizen.
Gut zu wissen:
Das Feuchthalten der Schleimhäute ist entscheidend für die Genesung bei Rachenentzündungen, da es die mukoziliäre Clearance unterstützt. Eine gut befeuchtete Schleimhaut fördert den Abtransport von Viren, Bakterien und Schadstoffen, indem sie die Zilienbewegung optimiert.
Dies hilft, Erreger effizient aus dem Körper zu eliminieren. Trockene Schleimhäute hingegen verzögern diesen Abtransport, wodurch Erreger leichter verbleiben und sich vermehren können. Maßnahmen wie eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr, Inhalation von Wasserdampf oder isotonische Salzlösungen können dazu beitragen, die Schleimhäute feucht zu halten und die körpereigene Abwehr zu stärken.
Wichtige Hinweise zur Unterstützung der Heilung:
Neben der Verwendung pflanzlicher Präparate ist es wichtig, reizende Lebensmittel wie scharfe, saure oder sehr heiße Speisen zu vermeiden. Rauchen sollte unterlassen werden, da es die Heilung verzögert und die Schleimhäute weiter reizt. Auch eine übermäßige Stimmbeanspruchung sollte vermieden werden, um die Entzündung nicht zu verschlimmern.
Die Kombination aus pflanzlichen Präparaten und medikamentösen Therapien aus der Apotheke kann eine effektive Behandlung der Rachenentzündung unterstützen und zu einer schnelleren Linderung der Beschwerden führen.
Wann ein Arztbesuch empfehlenswert ist
Ein Arztbesuch wird empfohlen, wenn die Symptome einer Rachenentzündung länger anhalten oder sich deutlich verschlimmern. Halsschmerzen oder Schluckbeschwerden, die über mehrere Tage bestehen und sich weder durch Hausmittel noch durch rezeptfreie Medikamente lindern lassen, können auf eine ernstere Ursache hindeuten.
Ein weiteres Warnsignal ist hohes Fieber, insbesondere wenn die Temperatur über 39°C steigt und trotz fiebersenkender Maßnahmen nicht sinkt. Auch Atemprobleme, wie Atemnot oder pfeifendes Atmen, können auf eine schwerwiegendere Entzündung oder eine zusätzliche Atemwegserkrankung hindeuten.
Schwierigkeiten beim Schlucken, die so stark sind, dass Flüssigkeiten oder Nahrung kaum noch aufgenommen werden können, sowie eine deutliche Schwellung der Halslymphknoten mit Schmerzen und Rötungen können auf eine bakterielle Infektion hinweisen. In solchen Fällen ist eine gezielte Behandlung erforderlich, um Komplikationen wie Abszesse oder schwerwiegendere Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Vorbeugung einer Rachenentzündung
Zur Vorbeugung einer Rachenentzündung ist es wichtig, bestimmte Hygienemaßnahmen konsequent zu befolgen. Eine der effektivsten Maßnahmen ist regelmäßiges Händewaschen mit Seife, insbesondere nach dem Kontakt mit öffentlichen Oberflächen oder nach dem Husten und Niesen. Dadurch wird die Übertragung von Viren und Bakterien erheblich reduziert. Zudem sollte der Kontakt mit erkälteten Personen vermieden werden, da Rachenentzündungen oft durch virale Infektionen ausgelöst werden, die leicht über Tröpfcheninfektion übertragen werden.
Hygiene, Ernährung und Immunstärkung
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der sorgfältige Umgang mit Lebensmitteln. Rohes Fleisch, nicht richtig gewaschene Obst- und Gemüsesorten sowie unzureichend erhitzte Lebensmittel können Krankheitserreger wie Bakterien übertragen, die in seltenen Fällen eine Rachenentzündung auslösen können. Es ist daher wichtig, auf eine gute Hygiene bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln zu achten und auf eine ausreichende Erhitzung zu achten.
Zudem sollte das Immunsystem durch eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Bewegung gestärkt werden, da eine starke Immunabwehr dazu beiträgt, Infektionen zu vermeiden. Die Vermeidung von Rauchen und passivem Rauchen sowie das Reduzieren von Stressfaktoren sind ebenfalls wichtige Präventionsmaßnahmen, um das Risiko einer Rachenentzündung zu minimieren.
Rachenentzündung: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Eine Rachenentzündung (Pharyngitis) ist eine Entzündung der Rachenschleimhaut, die Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Rötungen verursachen kann.
- Meist sind Viren die Ursache, seltener Bakterien wie Streptokokken.
- Reizstoffe wie Rauch, trockene Luft oder Allergene können ebenfalls eine Rachenentzündung auslösen.
- Die Erkrankung kann akut oder chronisch verlaufen.
- Eine virale Pharyngitis heilt meist von selbst, während eine bakterielle Infektion eine Antibiotikabehandlung erfordert.
- Typische Symptome sind Halsschmerzen, Rötung der Schleimhäute, Schluckbeschwerden, Husten und leichtes Fieber.
- Zur Diagnose erfolgt eine Anamnese und Untersuchung des Rachens, bei Verdacht auf Streptokokken kann ein Schnelltest durchgeführt werden.
- Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen lindern Schmerzen und Fieber, Ibuprofen wirkt zusätzlich entzündungshemmend.
- Lutschtabletten und Sprays mit entzündungshemmenden Wirkstoffen können die Beschwerden gezielt lindern.
- Pflanzliche Präparate aus der Apotheke, z. B. mit Salbei, Kamille oder Isländisch Moos, können die Heilung unterstützen.
- Zusätzlich eignen sich auch Hausmittel wie Salzwasser-Gurgeln, Kamillentee und Honig. Wichtig ist, die Schleimhäute feucht zu halten, um den Abtransport der Erreger zu ermöglichen.
- Ein Arztbesuch ist erforderlich, wenn Symptome länger anhalten, hohes Fieber auftritt oder Atem- und Schluckbeschwerden bestehen.
- Zur Vorbeugung einer Rachenentzündung sind sorgfältige Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen, das Vermeiden von engem Kontakt mit erkrankten Personen und das richtige Niesen oder Husten in die Armbeuge besonders wichtig.
Häufige Fragen
Wie lange dauert ein entzündeter Rachen?
Die Dauer einer Rachenentzündung hängt von der Ursache ab. Eine virale Rachenentzündung dauert in der Regel etwa 3 bis 7 Tage und klingt oft ohne spezielle Behandlung ab. Bei einer bakteriellen Infektion, wie zum Beispiel einer Streptokokken-Infektion, können die Symptome bis zu 10 Tage anhalten, wobei eine antibiotische Behandlung die Heilung beschleunigen kann. In einigen Fällen können Symptome länger bestehen bleiben, besonders wenn es zu Komplikationen kommt.
Ist es ansteckend?
Eine Rachenentzündung kann ansteckend sein, besonders wenn sie durch Viren (wie Erkältungs- oder Grippeviren) oder Bakterien (wie Streptokokken) verursacht wird. Die Übertragung erfolgt meist über Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen oder Sprechen, sowie durch direkten Kontakt mit infizierten Oberflächen oder Gegenständen.
Was verschreibt der Arzt bei Rachenentzündung?
Die Behandlung einer Rachenentzündung hängt von der Ursache ab. Bei einer viralen Rachenentzündung verschreibt der Arzt meist nur symptomatische Behandlungen wie Schmerzmittel (z. B. Paracetamol oder Ibuprofen), entzündungshemmende Mittel und Lutschtabletten zur Linderung von Halsschmerzen. Falls eine bakterielle Infektion diagnostiziert wird (z. B. bei einer Streptokokken-Angina), kann der Arzt Antibiotika verschreiben. In seltenen Fällen werden auch kortisonhaltige Sprays oder Mundspülungen verschrieben, um Entzündungen zu lindern.
Was tötet Viren und Bakterien im Hals ab?
Viren und Bakterien im Hals können durch verschiedene Mittel bekämpft werden. Antibiotika wirken gezielt gegen bakterielle Infektionen, während antivirale Medikamente (wie bei der Grippe) speziell gegen bestimmte Viren gerichtet sind. Allerdings werden virale Rachenentzündungen in der Regel symptomatisch behandelt, da keine spezifische antivirale Behandlung für viele Erkältungsviren existiert. Neben Medikamenten können auch natürliche Mittel wie Honig oder Salzwasser-Gurgeln helfen, die Beschwerden zu lindern und das Wachstum von Bakterien zu hemmen.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Gerstenkorn verstehen: Symptome, Ursachen und Behandlung
Als Gerstenkorn (Hordeolum) wird eine häufig vorkommende, akute Entzündung einer Drüse am Lidrand bezeichnet, die durch Bakterien – meist Staphylokokken – verursacht wird. Typisch sind eine schmerzhafte Rötung, Schwellung und manchmal eitrige Sekretion.
Obwohl es sich in der Regel um eine selbstlimitierende Erkrankung handelt, kann ein Gerstenkorn für die Betroffenen sehr unangenehm sein und eine temporäre Beeinträchtigung des Sehens verursachen.

Für das Apothekenpersonal ist es entscheidend, das Gerstenkorn von anderen Lidrandveränderungen wie dem Hagelkorn (Chalazion) abzugrenzen und gezielte Empfehlungen für die Therapie und unterstützende Maßnahmen zu geben.
Neben der Beratung zur lokalen Behandlung – z. B. Wärmeauflagen, desinfizierende Augensalben oder Tropfen – spielt auch die Aufklärung über Hygienemaßnahmen und Risikofaktoren eine wichtige Rolle.
Formen des Gerstenkorns (Hordeolum) am Auge
Ein Gerstenkorn ist eine akute, bakterielle Entzündung der Drüsen am Augenlid, die in der Regel harmlos verläuft. Je nach Lokalisation unterscheidet man zwei Hauptformen, die durch die jeweilige betroffene Drüse definiert werden:
1. Äußeres Gerstenkorn (Hordeolum externum)
- Definition: Eine Entzündung der Zeis-Drüsen (Talgdrüsen am Haarfollikel) oder Moll-Drüsen (Schweißdrüsen am Lidrand).
- Lokalisation: Direkt am äußeren Lidrand, oft sichtbar als kleine, eitrige Erhebung.
- Symptome: Rötung, Schwellung und Druckschmerz am Lidrand, begleitet von einer sichtbaren Eiteransammlung.
- Häufigkeit: Diese Form ist häufiger als das innere Gerstenkorn.
2. Inneres Gerstenkorn (Hordeolum internum)
- Definition: Eine Entzündung der Meibom-Drüsen, die tief im Lid verankert sind und für die Lipidproduktion des Tränenfilms verantwortlich sind.
- Lokalisation: Im Inneren des Augenlids, was die Diagnose erschweren kann.
- Symptome: Rötung und Schwellung des gesamten Lids. Der Schmerz ist oft stärker, da die Entzündung tiefer liegt. Von außen ist die Eiteransammlung seltener sichtbar; sie kann jedoch bei einem Blick auf die Lidinnenseite erkennbar sein.
- Komplikationen: Aufgrund der tiefen Lage kann das innere Gerstenkorn länger bestehen bleiben und in manchen Fällen ein Chalazion (Hagelkorn) nach sich ziehen, falls der Entzündungsprozess chronisch wird.
Differenzierung zu anderen Lidveränderungen
- Hagelkorn (Chalazion): Chronische, nicht-schmerzhafte Entzündung einer verstopften Meibom-Drüse, ohne bakterielle Infektion.
- Blepharitis: Allgemeine Entzündung des Lidrandes, oft chronisch und mit Schuppenbildung verbunden.

Gerstenkorn Symptome
Die Symptome unterscheiden sich je nach Lokalisation der Entzündung (äußeres oder inneres Gerstenkorn).
Allgemeine Symptome eines Gerstenkorns
Ein Gerstenkorn (Hordeolum) äußert sich typischerweise durch eine akute, lokalisierte Schwellung am Augenlid, die mit Rötung, Druckschmerz und Überwärmung einhergeht. Zudem kann es zu einer spontanen Eitersekretion kommen, insbesondere wenn das Hordeolum nach außen durchbricht.
Betroffene klagen häufig über ein Fremdkörpergefühl, ein unangenehmes Spannungsgefühl sowie eine verstärkte Tränensekretion. Auch kann die Bindehaut gereizt und das Auge vermehrt berührungs- und lichtempfindlich sein. Während beim externen Hordeolum eine oberflächliche Pustelbildung an den Lidrändern erkennbar ist, liegt das Hordeolum internum tiefer verborgen und kann sich lediglich durch eine diffuse, druckschmerzhafte Schwellung zeigen.
Periorbitales Ödem und seltene Orbitaphlegmone
Gelegentlich kann eine ausgeprägtere Entzündungsreaktion mit periorbitalem Ödem auftreten, insbesondere bei Patienten mit prädisponierenden Faktoren wie Diabetes mellitus oder Immunsuppression.
In sehr seltenen Fällen kann sich die Infektion ausbreiten und eine Orbitaphlegmone nach sich ziehen, was sich durch eine zunehmende Rötung, Schwellung und Fieber bemerkbar machen würde. In der Regel bleibt ein Hordeolum jedoch auf die betroffene Drüse begrenzt und heilt nach spontaner Perforation oder Resorption des Eiters komplikationslos ab.
Spezifische Symptome nach Form des Gerstenkorns
Äußeres Gerstenkorn (Hordeolum externum)
- Lokalisation: Entzündung an den Zeis- oder Moll-Drüsen (am äußeren Lidrand).
- Symptome: Sichtbare Eiteransammlung direkt am Lidrand oder in Nähe der Wimpernwurzeln, Lokal begrenzte Schwellung und Rötung.
Gelegentlich spontane Eröffnung des Gerstenkorns mit Austritt von eitrigem Sekret und anschließender Linderung.
Inneres Gerstenkorn (Hordeolum internum)
- Lokalisation: Entzündung der Meibom-Drüsen (tief im Augenlid).
- Symptome: Diffuse Schwellung des gesamten Augenlids, oft ohne erkennbare Eiteransammlung von außen. Schmerzen stärker ausgeprägt aufgrund der tieferliegenden Entzündung. Sichtbare Eiteransammlung nur bei Inspektion der Innenseite des Augenlids (nach Ektropionieren).
Langsamerer Verlauf und höhere Wahrscheinlichkeit, in ein Chalazion (Hagelkorn) überzugehen.
Augeninnendruck und Glaukom: Beratung in der Apotheke
Glaukom – auch Grüner Star – ist ein Sammelbegriff für verschiedene Schädigungen des Sehnerves. Wichtig ist eine fachkundige Beratung, da die Therapieadhärenz ansonsten schlecht ist. Die nötigen Infos dazu hier

Diagnostik eines Gerstenkorns
Die Diagnostik eines Gerstenkorns (Hordeolum) erfolgt in der Regel klinisch anhand der Anamnese und einer gezielten augenärztlichen Untersuchung. Wichtige anamnestische Hinweise umfassen das Vorliegen von Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Hauterkrankungen (z. B. Rosazea, seborrhoische Dermatitis), Immunsuppression oder eine unzureichende Lidrandhygiene.
Bei unkomplizierten Fällen ist die Diagnosestellung rein klinisch und erfordert keine weiterführenden Untersuchungen. In komplizierten oder rezidivierenden Fällen kann jedoch eine mikrobiologische Abstrichuntersuchung zur Identifikation möglicher therapieresistenter oder atypischer Erreger sinnvoll sein.
Zudem kann eine Laboruntersuchung zur Abklärung eines zugrunde liegenden Diabetes mellitus oder einer Immunsuppression angezeigt sein. In seltenen Fällen, insbesondere bei Verdacht auf eine tiefergehende Infektion oder Orbitabeteiligung, kann eine weiterführende Bildgebung mittels Sonographie, MRT oder CT erforderlich werden.
Behandlung eines Gerstenkorns
Die Behandlung eines Gerstenkorns richtet sich nach dem Schweregrad der Entzündung und erfolgt primär symptomatisch. In den meisten Fällen heilt die Infektion innerhalb weniger Tage bis Wochen spontan ab.
Die initiale Therapie umfasst lokale Maßnahmen wie trockene Wärmeapplikationen, beispielsweise durch Rotlicht oder warme Kompressen, um die spontane Drainage des eitrigen Sekrets zu fördern. Eine mechanische Manipulation oder das forcierte Ausdrücken der Läsion sollte vermieden werden, da dies das Risiko einer Keimverschleppung erhöht.
Von Salben bis chirurgischen Eingriffen
Die rezeptfrei erhältliche Augensalbe mit dem Wirkstoff Bibrocathol sollte drei- bis fünfmal täglich mit einem sauberen Wattestäbchen auf die betroffenen Lidstellen aufgetragen werden.1 Bei ausgeprägten oder persistierenden Verläufen kann eine topische antibiotische Therapie, beispielsweise mit Gentamicin- oder Ofloxacin-haltigen Augensalben oder -tropfen2 nötig sein.
In seltenen Fällen, insbesondere bei großen oder persistierenden Hordeolum internum, kann eine chirurgische Inzision und Drainage unter sterilen Bedingungen erforderlich sein, um die Abheilung zu beschleunigen. Zusätzlich kann eine verbesserte Lidrandhygiene durch regelmäßige Reinigung mit verdünnten antiseptischen Lösungen oder speziellen Lidreinigungstüchern zur Prophylaxe beitragen.
Gerstenkorn: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Ein Gerstenkorn (Hordeolum) ist eine akute bakterielle Entzündung der Drüsen am Lidrand, meist verursacht durch Staphylokokken. Es äußert sich durch eine schmerzhafte Rötung, Schwellung und gelegentlich eitrige Sekretion.
- Diese Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend und heilt innerhalb weniger Tage bis Wochen ab, kann aber sehr unangenehm sein und das Sehen vorübergehend beeinträchtigen.
- Es gibt zwei Hauptformen: das äußere Gerstenkorn (Zeis- oder Moll-Drüsen) und das innere Gerstenkorn (Meibom-Drüsen). Das äußere Gerstenkorn ist meist durch eine sichtbare eitrige Erhebung am Lidrand erkennbar, während das innere Gerstenkorn tief im Lid liegt und stärkere Schmerzen verursachen kann.
- Für die Behandlung ist es wichtig, den Patienten zu empfehlen, trockene Wärmeapplikationen, wie zum Beispiel Rotlicht oder warme Kompressen, anzuwenden. Diese fördern die spontane Eiterdrainage und lindern die Beschwerden. Besonders wichtig ist, dass bei der Anwendung darauf geachtet wird, keine feuchten Kompressen oder manuelle Manipulationen durchzuführen, um eine Keimverschleppung zu vermeiden.
- Eine antiseptische Augensalbe wie Bibrocathol kann 3–5 Mal täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen werden. Bei ausgeprägteren oder länger anhaltenden Verläufen kann eine antibiotische Therapie mit Gentamicin- oder Ofloxacin-haltigen Salben oder Tropfen notwendig sein.
- In Fällen von inneren Gerstenkörnern, bei denen sich der Eiter nicht von selbst entleert, kann eine chirurgische Drainage erforderlich sein. Diese sollte jedoch nur in spezialisierten Einrichtungen unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden.
- Patienten sollten regelmäßig auf eine gründliche Lidrandhygiene hingewiesen werden, insbesondere bei prädisponierenden Faktoren wie einer schlechten Hygiene, Diabetes oder Hauterkrankungen wie Rosazea. Die Verwendung von speziellen Reinigungstüchern oder verdünnten antiseptischen Lösungen kann helfen, Rückfälle zu vermeiden.
- Besonders wichtig ist die Aufklärung über die Vermeidung von mechanischer Manipulation des Gerstenkorns, da dies das Risiko einer Keimverschleppung erhöhen kann.
- Bei häufig wiederkehrenden Fällen oder bei Anzeichen von Komplikationen, wie einer schweren Entzündung oder einer Orbitaphlegmone, sollte umgehend eine ärztliche Untersuchung erfolgen.
Häufige Fragen zum Gerstenkorn
Welche Hausmittel helfen bei einem Gerstenkorn?
Einige Hausmittel, die häufig bei einem Gerstenkorn empfohlen werden, sollten vermieden werden, da sie die Infektion verschlimmern oder Komplikationen begünstigen können. Dazu gehört insbesondere das Auflegen von feuchtwarmen Kompressen oder Kamillenteebeuteln. Die Feuchtigkeit kann das Bakterienwachstum fördern und die Infektion weiter ausbreiten. Auch das Ausdrücken oder Manipulieren des Gerstenkorns sollte unbedingt vermieden werden, da dies das Risiko einer Keimverschleppung und einer schweren Entzündung erhöht.
Ebenso sind Hausmittel wie Honig, Kamille oder andere naturheilkundliche Substanzen direkt auf dem Auge nicht empfehlenswert, da sie nicht steril sind und zusätzliche Reizungen oder Infektionen verursachen können. Abschließend sollten auch reizende Hausmittel wie Zwiebelsaft oder Essig nicht angewendet werden, da sie die empfindliche Haut des Augenlids stark reizen und zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen können.
Stattdessen sind trockene Wärme, etwa durch Rotlicht, eine gute Lidrandhygiene und gegebenenfalls antiseptische oder antibiotische Augensalben die sichereren Alternativen.
Ist ein Gerstenkorn ansteckend?
Die Ansteckungsgefahr eines Gerstenkorns (Hordeolum) wird als gering eingestuft, da die Infektion durch Staphylococcus aureus meist endogen aus der eigenen Haut- oder Nasenflora stammt. Dennoch ist eine Übertragung auf andere Personen möglich, insbesondere durch direkten Kontakt mit eitrigem Sekret oder kontaminierten Gegenständen wie Handtüchern, Kissenbezügen oder Kosmetika.
Zur Prävention sollten Betroffene auf eine gute Lidrandhygiene, regelmäßiges Händewaschen und das Vermeiden von Augenreiben achten. Kosmetika und Kontaktlinsen sollten nicht geteilt und regelmäßig ausgetauscht werden.
Wann sollte man mit einem Gerstenkorn zum Arzt?
Kunden mit einem Gerstenkorn sollten an einen Arzt verwiesen werden, wenn die Schwellung sehr stark ausgeprägt ist, starke Schmerzen verursacht oder nach mehreren Tagen keine Besserung eintritt. Ebenso ist eine ärztliche Abklärung erforderlich, wenn sich die Rötung und Schwellung auf das gesamte Augenlid oder die Umgebung ausbreiten.
Auch bei begleitenden Allgemeinsymptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit oder geschwollenen Lymphknoten ist ein Arztbesuch ratsam. Kunden mit wiederkehrenden Gerstenkörnern sollten auf mögliche Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus untersucht werden. Bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem oder bekannten Hauterkrankungen wie Rosazea oder seborrhoischer Dermatitis ist ebenfalls eine frühzeitige ärztliche Konsultation empfehlenswert.
Kann man einem Gerstenkorn vorbeugen?
Die Prävention eines Gerstenkorns basiert auf der Vermeidung von Faktoren, die die Entstehung und Ausbreitung bakterieller Infektionen begünstigen. Die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen umfassen:
- Hygiene des Augenlids: Eine regelmäßige und gründliche Lidrandhygiene ist entscheidend. Empfohlen wird die tägliche Reinigung der Lidränder mit speziellen antiseptischen Lösungen oder Lidreinigungstüchern, die helfen, die Drüsenöffnungen frei von Ablagerungen und Bakterien zu halten. Besonders bei Patienten mit einer prädisponierten Haut wie bei Rosazea oder seborrhoischer Dermatitis ist diese Maßnahme besonders wichtig.
- Vermeidung von Augenreizung: Das Reiben der Augen sollte vermieden werden, da dies Keime aus den Händen in die Augen überträgt. Ebenso sollten die Hände regelmäßig gewaschen und desinfiziert werden, besonders nach Kontakt mit potenziell kontaminierten Oberflächen.
- Kontaktlinsenhygiene: Kontaktlinsenträger sollten auf eine sorgfältige Reinigung und regelmäßige Desinfektion ihrer Linsen achten, um die Ansammlung von Keimen zu verhindern. Ein regelmäßiger Austausch der Linsen und der Pflegemittel ist ebenfalls wichtig.
- Vermeidung von Make-up-Benutzung bei akuten Entzündungen: Kosmetika, insbesondere Mascara und Eyeliner, sollten während eines akuten Gerstenkorns nicht verwendet werden, um das Risiko einer weiteren Keimverschleppung zu minimieren. Es wird empfohlen, kosmetische Produkte regelmäßig zu ersetzen, um eine Kontamination zu verhindern.
- Gesundheitsmanagement von Grunderkrankungen: Eine gute Blutzuckerregulation bei Diabetikern sowie die Behandlung von Hautkrankheiten wie Rosazea oder seborrhoischer Dermatitis kann das Risiko von Hordeolum-Ausbrüchen verringern.
- Stärkung des Immunsystems: Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und Stressmanagement tragen zur allgemeinen Stärkung des Immunsystems bei, was die Abwehrkräfte gegen Infektionen verbessert.
- Häufiges Händewaschen: Kleine Kinder fassen sich oft unbewusst ins Gesicht und an die Augen, wodurch Keime leichter übertragen werden können. Regelmäßiges Händewaschen hilft, einer Infektion vorzubeugen.
Durch die konsequente Umsetzung dieser Präventionsmaßnahmen kann das Risiko eines Gerstenkorns signifikant gesenkt werden, insbesondere bei Patienten mit wiederkehrenden oder chronischen Verläufen.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Keuchhusten – unterschätzte Gefahr im Erwachsenenalter
Immer häufiger erkranken Erwachsene an der bakteriellen, meldepflichtigen Infektionserkrankung. Die Krankheit ist hochansteckend und wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Sie zählt weltweit zu den häufigsten Infektionserkrankungen der Atemwege.
Eine Verharmlosung der sogenannten Kinderkrankheit hält sich immer noch hartnäckig, dabei raten Mediziner dringend zur empfohlenen Impfung und zur regelmäßigen Auffrischung.

Keuchhusten-Auslöser und Merkmale der Erkrankung
Die Erkrankung wird durch Bordetella pertussis-Bakterien ausgelöst. Das von diesen Bakterien produzierte Toxin schädigt die Schleimhäute der Atemwege und beeinträchtigt deren Funktion.1,2
- Das klinische Bild zeigt sich anfänglich in Form einer Erkältung und wird ebenfalls durch Tröpfcheninfektion übertragen. Darauffolgend kommt es zu den charakteristischen, krampfartigen Hustenanfällen mit einziehender Atmung, die dem Keuchhusten seinen Namen verleiht. Diese treten vorzugsweise nachts auf. Meist gepaart mit Abhusten zähem Schleims und Erbrechen.
- Die Erkrankungszeit dauert bis zu 6 Wochen, daran anschließend folgt eine 6-10-wöchige Erholungsphase. Wichtig ist jedoch, dass sich die klassische Symptomatik bei Jugendlichen und Erwachsenen oftmals abgeschwächt zeigt. Anhand des Krankheitsverlaufes und einer zuverlässigen Laboruntersuchung kann die Diagnose gestellt werden.
Klinische Symptomatik
Pertussis ist eine langanhaltende Erkrankung, die über mehrere Wochen bis Monate verlaufen kann. Bei einer typischen Erstinfektion ungeimpfter Personen zeigt sich der Verlauf in drei charakteristischen Stadien1,2:
- Stadium decrementi (6–10 Wochen): In diesem abschließenden Stadium nehmen die Hustenanfälle allmählich ab, bis sie schließlich verschwinden.
- Stadium catarrhale (1–2 Wochen, Inkubationszeit 5–21 Tage): In diesem frühen Stadium treten erkältungsähnliche Symptome wie Schnupfen und leichter Husten auf. Fieber fehlt meist oder ist nur mäßig ausgeprägt.
- Stadium convulsivum (4–6 Wochen): Dieses Stadium ist geprägt von anfallsartigen Hustenstößen (Stakkatohusten), die von einem inspiratorischen Ziehen begleitet werden. Das typische Keuchen oder Juchzen entsteht durch eine plötzliche Einatmung gegen eine geschlossene Glottis am Ende eines Anfalls.
Häufig kommt es während der Hustenattacken zum Hervorwürgen von zähem Schleim und anschließendem Erbrechen. Die Attacken können sehr zahlreich sein und treten besonders oft nachts auf. Fieber bleibt selten oder gering ausgeprägt; eine deutliche Temperaturerhöhung weist eher auf eine bakterielle Sekundärinfektion hin.
Wann sollte eine Labordiagnostik auf Keuchhusten erfolgen?
Bei Patienten mit Husten, unabhängig von dessen Dauer, sollte eine Labordiagnostik auf Keuchhusten erfolgen, wenn
- ein Kontakt mit einem bestätigten Keuchhustenfall stattgefunden hat oder
- klassische Symptome wie Hustenattacken, inspiratorischer Stridor oder Erbrechen nach den Hustenanfällen vorliegen.
- Auch bei länger anhaltendem Husten (über 14 Tage) ohne diese typischen Symptome ist eine Diagnostik angezeigt.
- Eine bestehende Impfung schließt die Möglichkeit einer Keuchhustenerkrankung nicht aus.
Wichtig: Zu den häufigsten Komplikationen zählen Pneumonien und Mittelohrentzündungen, auch Rippen- und Leistenbrüche sind möglich. Bei Säuglingen sind Atemaussetzer am meisten gefürchtet.

Vorkommen von Pertussis
Pertussis tritt ganzjährig auf, wobei die Inzidenz im Herbst und Winter etwas höher ist. Trotz hoher Impfquoten bei jüngeren Kindern (im Jahr 2018 lag die Impfquote der Schulanfänger bei etwa 93 Prozent) treten in Deutschland weiterhin zyklische Anstiege der Erkrankung alle 4 bis 6 Jahre auf.
Seit der Einführung der Keuchhusten-Meldepflicht im Jahr 2013 werden jährlich zwischen 11 und 20 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner an das RKI gemeldet. Besonders betroffen sind Säuglinge, die in epidemischen Jahren mit Inzidenzen über 100 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner rechnen müssen und häufig hospitalisiert werden. Aus diesem Grund empfiehlt die STIKO seit 2020 eine Pertussisimpfung für Schwangere.
Ein rasches Nachlassen des Impfschutzes führt auch bei älteren Kindern und Jugendlichen zu häufigeren Erkrankungen. Obwohl die Inzidenz bei Erwachsenen niedriger ist, entfallen mittlerweile etwa 60 Prozent der Fälle auf Personen ab 18 Jahren. Dies ist unter anderem auf eine unzureichende Auffrischimpfung, besonders bei Jugendlichen und Erwachsenen, zurückzuführen.2
Säuglinge besonders gefährdet
Bei Säuglingen finden sich häufig atypische Verläufe. Für erkrankte Säuglinge besteht die größte Gefahr, die Erkrankung kann aufgrund möglicher Apnoen lebensbedrohlich sein. Zudem machen weitere, mögliche Komplikationen eine stationäre Behandlung notwendig. Häufige stecken sich die Säuglinge bei ihren Eltern oder engen Familienmitgliedern an. Auch unbemerkt können infizierte Personen die Erreger weitergeben.
Asthma im Herbst und Winter: Grundlagen der Apothekenberatung
Akute Infekte können Asthma auslösen und verschlimmern, ebenso kann Kälte gefährlich sein. Wichtige Aspekte für die Beratung rund um Asthma werden im Folgenden erläutert.

Keuchhusten vorbeugen und Ansteckung vermeiden
Die Grundimmunisierung von Säuglingen und Kleinkindern sollte so früh wie möglich beginnen, idealerweise direkt nach Vollendung des zweiten Lebensmonats, und planmäßig fortgesetzt werden.
Für Reifgeborene im Säuglingsalter werden drei Impfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten empfohlen. Es bietet sich an, hierfür einen Kombinationsimpfstoff zu verwenden, der gleichzeitig Schutz vor Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Hib und Hepatitis B bietet.
Wichtigkeit der Impfung für Säuglinge, Kinder und Erwachsene
Da die Immunität nach einer natürlichen Pertussis-Infektion oder einer vollständigen Impfung nur begrenzt anhält, können sich Menschen im Laufe ihres Lebens mehrfach infizieren und erkranken.
Die aktuelle Impfstrategie in Deutschland zielt daher darauf ab, Säuglinge und Kleinkinder, die durch B. pertussis besonders gefährdet sind, so früh wie möglich durch eine Grundimmunisierung umfassend zu schützen.
Impfempfehlungen für Jung und Alt
Zudem sind Auffrischimpfungen im Vorschulalter, in der Jugend und im Erwachsenenalter erforderlich, um den Impfschutz aufrechtzuerhalten, die klinische Wirksamkeit zu sichern und die Weitergabe der Infektion an ungeimpfte oder immungeschwächte Personen zu reduzieren. Generell wird Erwachsenen ein Kombinationsimpfstoff im Zusammenhang mit einer nötigen Tetanus/ Diphtherie Auffrischung empfohlen.2
Ebenso sollten betreuende Personen Neugeborener wie beispielsweise die Großeltern einen sicheren Impfstatus berücksichtigen. Bei Kontakt zu Erkrankten sollte vorsichtshalber eine Antibiotikaeinnahme erfolgen, so soll Ausbruch und Weitergabe der Infektion abgewendet werden. Betroffene verwechseln die atypisch verlaufenden Hustenattacken oftmals mit einer Bronchitis. Daher empfehlen Experten bei Husten, der hartnäckig über mehrere Wochen anhält, an Keuchhusten zu denken.
Empfehlung in der Schwangerschaft:
Seit März 2020 empfiehlt die STIKO Schwangeren, sich zu Beginn des dritten Trimesters gegen Pertussis impfen zu lassen. Besteht ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt, sollte die Impfung bereits im zweiten Trimester erfolgen. Die Impfung wird in jeder Schwangerschaft empfohlen, unabhängig davon, wie lange zurückliegende Pertussis-Impfungen zurückliegen. Ziel dieser Maßnahme ist es, Neugeborene und junge Säuglinge besser vor Pertussis zu schützen.2
Antibiotische Behandlung bei Keuchhusten
Eine antibiotische Therapie kann die Dauer und Intensität von Hustenattacken nur dann wirksam beeinflussen, wenn sie sehr frühzeitig, also vor dem Auftreten oder innerhalb der ersten ein bis zwei Wochen mit Beginn des Hustens, eingesetzt wird. Dennoch spielt sie eine wichtige Rolle bei der Unterbrechung von Infektionsketten.
Aufgrund der besseren Verträglichkeit und einfacheren Anwendung zählen die Makrolide Azithromycin und Clarithromycin zu den gängigen Antibiotika, vor Erythromycin. Makrolid-Resistenzen treten bislang nur äußerst selten auf. Als Alternative zu Makroliden kann Cotrimoxazol eingesetzt werden. Oral-Penicilline und Cephalosporine sind hingegen nicht geeignet.2
Zur Unterstützung der antibiotischen Therapie können folgende Maßnahmen Linderung verschaffen:
- Feuchte Raumluft, etwa durch Luftbefeuchter oder Inhalationen mit Kochsalzlösung, kann den Hustenreiz verringern und die Atemwege beruhigen.
- Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr hilft, die Schleimhäute feucht zu halten und zähen Schleim zu verflüssigen, während körperliche Ruhe wichtig ist, um den Kreislauf und die Atemwege zu entlasten.
- Bei starker Atemnot kann in schweren Fällen eine Sauerstoffgabe notwendig sein, insbesondere bei Babys und Kleinkindern, die engmaschig überwacht werden sollten, da Keuchhustenanfälle für sie lebensbedrohlich sein können.
- Ergänzende Maßnahmen wie eine leicht aufrechte Schlafposition und die Vermeidung von Reizstoffen wie Staub und Zigarettenrauch können zusätzliche Erleichterung bringen.
- Kleine, häufige Mahlzeiten bei Würgereiz/Erbrechen.
Wichtig: Die antibiotische Therapie spielt insbesondere in den frühen Stadien der Erkrankung eine entscheidende Rolle, da sie sowohl den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen als auch Infektionsketten effektiv unterbrechen kann.1,2
Was tun bei Keuchhusten?
Im Falle eines Verdachts auf Keuchhusten sollte die Arztpraxis vor dem Besuch informiert werden, damit entsprechende Schutzmaßnahmen gegen eine mögliche Ansteckung getroffen werden können.2
Betroffene sollten sich aus Rücksicht auf andere Personen isolieren und insbesondere den Kontakt zu Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen vermeiden. Säuglinge unter 6 Monaten sowie Menschen mit schweren Vorerkrankungen werden bei Keuchhusten häufig ins Krankenhaus aufgenommen, wo gefährliche Atemaussetzer frühzeitig erkannt werden können.
Medikamentöse Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion
Medikamente sollten ausschließlich nach Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin eingenommen werden. In einigen Fällen wird ein Antibiotikum verordnet. Wird es frühzeitig eingenommen, kann es den Husten in der Anfangsphase verhindern oder abschwächen.
Nach Beginn der Hustenanfälle können Antibiotika den Krankheitsverlauf jedoch nicht verkürzen, sie reduzieren aber die Ansteckungsfähigkeit und verhindern eine weitere Ausbreitung der Krankheit.
Ernährung und Flüssigkeitszufuhr bei Keuchhusten
Erkrankte sollten ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, um den trockenen Husten zu lindern. Aufgrund des Würgereizes und Erbrechens empfiehlt es sich, kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt einzunehmen. Kinder sollten während der Hustenanfälle aufrecht und mit leicht vorgebeugtem Kopf sitzen.
Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes für Betroffene
Zum Schutz anderer gelten die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes. Kinder und Erwachsene, die an Keuchhusten erkrankt sind oder bei denen der Verdacht darauf besteht, dürfen Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Kindergärten nicht besuchen oder dort arbeiten, bis die Krankheit nicht mehr ansteckend ist.
Betroffene müssen die Einrichtung über die Erkrankung informieren. Nach Beginn der Antibiotika-Behandlung dürfen Betroffene in der Regel nach 5 Tagen wieder in die Gemeinschaftseinrichtungen, oder sobald ein negativer Abstrich vorliegt und der Gesundheitszustand dies zulässt. Ohne Antibiotika-Therapie ist ein Wiedereintritt in Gemeinschaftseinrichtungen meist nach 3 Wochen ab Beginn des Hustens möglich.
Keuchhusten: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Keuchhusten (Pertussis) ist eine meldepflichtige, hoch ansteckende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst wird. Hauptübertragungsweg: Tröpfcheninfektion.
- Eine Weitergabe der Erreger ist auch durch nicht erkrankte und geimpfte Personen möglich.
- Die Antibiotikatherapie soll den Krankheitsverlauf mildern und eine Weitergabe verhindern.
- Die Diagnose wird frühzeitig anhand des Krankheitsverlaufes und mittels Abstrich gestellt, später bildet der Körper Antikörper, die im Blut nachgewiesen werden können.
- Patienten sollten bei Verdacht (über Wochen anhaltender Husten) an einen Arzt verwiesen werden.
- In der Schwangerschaft empfiehlt die STIKO die Impfung zu Beginn des 3. Trimenons, bei möglicher Frühgeburt ab dem 2. Trimenon, um einen Nestschutz für das Neugeborene durch mütterliche Antikörper zu erreichen.
- Insbesondere Säuglinge sind gefährdet, gefürchtet sind hier Atemaussetzer, eine stationäre Überwachung wird empfohlen.
- Regelmäßige Auffrischungen sind essenziell, da der Impfschutz nachlässt. Erwachsene sollten die Impfung in Kombination mit Tetanus/Diphtherie-Auffrischung erneuern.
- Um Komplikationen wie Sekundärinfektionen zu vermeiden, sollten Erwachsene langanhaltenden Husten ärztlich abklären lassen.
- Weiterführende Informationen findet Ihr hier:
- Da Keuchhusten gemeldet werden muss, steht das örtliche Gesundheitsamt mit Informationen und großer Erfahrung im Umgang mit der Krankheit zur Verfügung.
- Informationen zum Infektionsschutz durch Impfen findet Ihr auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.impfen-info.de).
- RKI – Impfungen A – Z – Schutzimpfung gegen Pertussis: Häufig gestellte Fragen und Antworten
- RKI – Impfungen A – Z – Schutzimpfung gegen Pertussis (Keuchhusten)
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Migräne: Symptome, Auslöser, Trigger und Behandlungsansätze
Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit.¹ Migräne ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die als transiente Funktionsstörung des Gehirns charakterisiert werden kann. Sie äußert sich primär durch wiederkehrende Kopfschmerzattacken, die häufig mit neurologischen und vegetativen Begleitsymptomen einhergehen.
Bei einem Teil der Betroffenen treten diese Attacken in Verbindung mit einer Aura auf, die durch vorübergehende fokale neurologische Symptome, wie visuelle, sensorische oder sprachliche Störungen, gekennzeichnet ist und den Schmerzepisoden vorausgeht.²

Definition der Migräne laut S1 Leitlinie
Bei der Migräne kommt es zu Attacken heftiger, häufig einseitiger pulsierend-pochender Kopfschmerzen, die bei körperlicher Betätigung an Intensität zunehmen.
Die einzelnen Attacken sind begleitet von Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80 %), Erbrechen (40–50 %), Lichtscheu (60 %), Lärmempfindlichkeit (50 %) und Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Gerüchen (10 %). Zeichen der Aktivierung des Parasympathikus finden sich bei bis zu 82 % der Patienten, am häufigsten leichtes Augentränen.
Wenn die Kopfschmerzen einseitig sind, können sie innerhalb einer Attacke oder von Attacke zu Attacke die Seite wechseln. Die Intensität der Attacken kann von Attacke zu Attacke stark variieren. Die Dauer der Attacken beträgt nach der Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft unbehandelt zwischen 4 und 72 Stunden.
3Herausgegeben von der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
Abgrenzung zu anderen Kopfschmerzformen
Im Vergleich zu anderen primären Kopfschmerzerkrankungen weist die Migräne charakteristische Unterschiede auf. So tritt der Kopfschmerz vom Spannungstyp typischerweise beidseitig auf, mit drückendem oder ziehendem Charakter und leichter bis mittlerer Intensität, ohne Verstärkung durch körperliche Aktivität und ohne die für Migräne typischen Begleitsymptome.
Clusterkopfschmerz hingegen ist durch streng einseitige, sehr starke Schmerzen im Bereich des Auges oder der Schläfe gekennzeichnet, begleitet von autonomen Symptomen wie Tränenfluss oder Nasenlaufen.4
Die genaue Abgrenzung der Migräne von anderen Kopfschmerzformen ist essenziell für eine zielgerichtete Therapie und ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Pathomechanismen.
Symptome der Migräne
Migräne ist eine häufige neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende, pulsierende Kopfschmerzen charakterisiert ist. Diese treten typischerweise einseitig auf und können von mittlerer bis starker Intensität sein. Die Schmerzattacken dauern unbehandelt zwischen 4 und 72 Stunden und verschlimmern sich häufig bei körperlicher Aktivität.2
Begleitsymptome während der Kopfschmerzphase können umfassent2:
- Übelkeit und/oder Erbrechen
- Photophobie (Lichtempfindlichkeit)
- Phonophobie (Geräuschempfindlichkeit)
- Hyperosmie (Geruchsüberempfindlichkeit)
Aura, Schmerz und Erschöpfung: Wie sich Migräne zeigt
Migräne kann sich ankündigen. Vor einer Schmerzattacke bemerken einige Betroffene Heißhunger, sind gereizt oder leiden unter einer depressiven Verstimmung.
Bei etwa 15 Prozent der Patienten tritt eine Aura auf, die durch reversible, fokale neurologische Symptome wie visuelle Phänomene (z. B. Flimmerskotome, Lichtblitze), sensorische Missempfindungen oder Sprachstörungen gekennzeichnet ist.2 Die Aura hält typischerweise 20 bis 30 min an.
Nach der Schmerzphase fühlen sich viele Patienten erschöpft, leiden unter Konzentrationsschwierigkeiten oder allgemeiner Schwäche. Die Symptome variieren individuell und zwischen den Attacken.

Ursachen und Risikofaktoren der Migräne
Migränepatienten weisen keine strukturellen Veränderungen des Gehirns auf; der anatomische Aufbau des Gehirns ist unauffällig. Allerdings zeichnet sich das Nervensystem von Migränepatienten durch eine erhöhte Reizverarbeitung aus, die vermutlich genetisch bedingt ist.
Sensorische Reize wie plötzliche, intensive oder vielfältige Stimuli können eine übermäßige Aktivierung der Nervenzellen hervorrufen. Diese Überaktivierung führt zu einem erhöhten Energieverbrauch in den Nervenzellen, wodurch die Energiereserven erschöpft werden. Infolge dieser Erschöpfung kann es wiederholt zu einer Dysregulation der neuronalen Funktionen kommen, was schließlich eine Migräneattacke auslösen kann.5
Wie entzündliche Prozesse Migräneschmerzen verstärken
Im Verlauf einer solchen Fehlregulation werden entzündliche Mediatoren im Bereich der Arterien der Hirnhäute freigesetzt. Diese Substanzen bewirken eine erhöhte Empfindlichkeit der Hirnhäute gegenüber äußeren Reizen.
Dies erklärt den typischen pochenden und pulsierenden Schmerz während einer Migräneattacke, der durch jeden Pulsschlag oder jede Kopfbewegung verstärkt wird. Der Migräneschmerz basiert somit auf einer neurogenen Entzündung, die mit einer gesteigerten Schmerzempfindlichkeit der Hirnhäute einhergeht.5
Triggerfaktoren begünstigen Migräne
Die Ätiopathogenese der Migräne ist multifaktoriell. Im Zentrum stehen biochemische Veränderungen im serotonergen System sowie entzündliche Prozesse an den meningealen Gefäßen, die eine entscheidende Rolle spielen.2 Neben einer genetischen Veranlagung können Triggerfaktoren eine Migräneattacke begünstigen; sie sind jedoch nicht die Ursache.
Meist müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit ein Migräneanfall ausgelöst wird. Zu den häufigsten Triggern zählen eine Reizüberflutung, emotionale Belastung, ebenso als Entlastungsreaktion nach Stress, Veränderungen des Schlaf-Wachrhythmus, Dehydratation, hormonelle Schwankungen, Hypoglykämie, Wetterumschwung (Föhn, aber auch sehr grelles Licht) sowie bestimmte Lebens- und Genussmittel.2
Merke: Migräne ist eine eigenständige Erkrankung und nicht auf andere Erkrankungen zurückzuführen.
Migräne-Symptomatik und Therapie in der Schwangerschaft
Glücklicherweise leiden viele Frauen in der Schwangerschaft wesentlich seltener oder gar nicht an Migräne. Dieser schöne Umstand ist vermutlich auf die veränderte Hormonlage zurückzuführen. Jedoch kann die Umstellung im Wochenbett zu erneuten Migräneattacken führen.

Häufigkeit und Verlauf
Migräne betrifft weltweit etwa 10 bis 15 Prozent der Erwachsenen, wobei Frauen häufiger (12 bis 14 %) als Männer (6 bis 8 %) betroffen sind. Frauen leiden zudem unter längeren und intensiveren Attacken. In Deutschland sind circa 3,7 Millionen Frauen und 2 Millionen Männer betroffen, wobei die Erkrankung besonders häufig bei 35- bis 45-Jährigen auftritt.
Danach nehmen Schwere und Häufigkeit der Attacken ab. Migräne beginnt meist im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt, tritt jedoch auch bei etwa 4 bis 5 % der Kinder auf, wobei Jungen und Mädchen bis zur Pubertät gleich häufig betroffen sind.
Häufigkeit und Auswirkungen variieren stark: Die Hälfte der Patienten hat eine Attacke pro Monat, während jeder zehnte Migräniker vier oder mehr Attacken erlebt. Die Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben sind erheblich. Schätzungen zufolge verursachen Migränepatienten pro 1.000 Berufstätige rund 270 verlorene Arbeitstage pro Jahr.2
ADITUS-Studie: Warum Migräne oft im Stillen ertragen wird
Eine US-Studie zeigt, dass viele Betroffene jährlich an sechs Tagen arbeitsunfähig sind. Laut der internationalen ADITUS-Studie beeinträchtigen Migräneattacken fast alle Patienten im Alltag: 30 % berichten von Schwierigkeiten, familiären Verpflichtungen nachzukommen, was oft zu häuslichen Problemen führt.
Dennoch sucht knapp die Hälfte der Betroffenen, insbesondere 49 % der Frauen und 63 % der Männer in Deutschland, keine ärztliche Hilfe. Dies verdeutlicht die hohe persönliche und gesellschaftliche Belastung durch Migräne.2
Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) klassifiziert Migräne in unterschiedliche Arten und dazugehörige Unterformen6:
Migräne ohne Aura
- Rein menstruelle Migräne ohne Aura
- Menstruationsassoziierte Migräne ohne Aura
- Nicht-menstruelle Migräne ohne Aura
Migräne mit Aura
- Typische Aura (mit Kopfschmerzen oder ohne Kopfschmerzen)
- Migräne mit Hirnstammaura (früher: basiläre Migräne)
- Hemiplegische Migräne
- Retinale Migräne (Kopfschmerz nicht immer vorhanden)
- Rein menstruelle Migräne mit Aura
- Menstruationsassoziierte Migräne mit Aura
- Nicht-menstruelle Migräne mit Aura
Chronische Migräne
- Eine Migräne wird als chronisch definiert, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Häufigkeit der Kopfschmerztage:
- Kopfschmerzen treten an mindestens 15 Tagen pro Monat auf.
- Migränetage:
- An mindestens 8 dieser Tage pro Monat erfüllen die Kopfschmerzen die typischen Kriterien einer Migräne (z. B. einseitiger, pulsierender Schmerz, mittlere bis starke Intensität, verstärkt durch körperliche Aktivität, begleitet von Übelkeit, Erbrechen oder Licht- und Lärmempfindlichkeit).
- Dauer:
- Die genannten Kriterien bestehen über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten.
- Differenzialdiagnose:
- Die Kopfschmerzen dürfen nicht besser durch andere Diagnosen erklärt werden (z. B. Spannungskopfschmerzen, Medikamentenübergebrauchskopfschmerzen).
- Migränekomplikationen
- Status migraenosus
- Migränöser Infarkt
- Aura-getriggerter epileptischer Anfall
- Wahrscheinliche Migräne
- Mit oder ohne Aura
- Episodische Syndrome mit Migräneassoziation
- Wiederkehrende Magen-Darm-Störungen (z. B. abdominelle Migräne, besonders häufig bei Kindern)
- Vestibuläre Migräne
- Stille Migräne (Aura-Symptome ohne Kopfschmerz)
Die Hauptkategorien sind Migräne ohne Aura und Migräne mit Aura, wobei jede Form spezifische Untergruppen aufweist, die eine differenzierte Diagnostik und Therapie ermöglichen.
Migräne durch hormonelle Schwankungen
Migräne zeigt bei Frauen in verschiedenen Lebensphasen komplexe Zusammenhänge mit hormonellen Schwankungen, jedoch müssen diese differenziert betrachtet werden. Die menstruelle Migräne betrifft nur eine kleine Gruppe von Frauen und wird durch den plötzlichen Abfall des Östrogenspiegels ausgelöst.
Hormonelle Therapien, wie Östrogenpflaster oder -gele, haben sich als wenig wirksam erwiesen. Während der Wechseljahre bleibt die Migräne bei vielen Frauen unverändert oder verschlechtert sich sogar. Hormontherapien oder operative Eingriffe wie die Entfernung der Gebärmutter haben keinen nachweisbaren Einfluss auf den Migräneverlauf. Die Therapie orientiert sich in allen Phasen am allgemeinen Migränemanagement.7
Gut zu wissen: Die menstruelle Migräne ist definitionsgemäß eine Migräne, bei der die Attacken ausschließlich in dem Zeitfenster 2 Tage vor bis zu 3 Tage nach dem Einsetzen der Blutung bei mindestens 2 von 3 Zyklen auftreten3.
Risiko für vaskuläre Erkrankungen
Frauen mit häufigen Migräneattacken mit Aura und vaskulären Risikofaktoren haben ein leicht erhöhtes Risiko für ischämische Insulte, zerebrale Blutungen und Myokardinfarkte. Daher ist die konsequente Behandlung von Risikofaktoren wie Hypertonie, Rauchen und Hyperlipidämie essenziell.
Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Migräne mit Aura und vaskulären Ereignissen, weshalb die Kontrolle dieser Risikofaktoren priorisiert werden sollte. Östrogenhaltige Kontrazeptiva sind unter sorgfältiger Risikokontrolle nicht grundsätzlich kontraindiziert, jedoch wird bei häufigen Attacken die Verwendung gestagenhaltiger Kontrazeptiva empfohlen.3
Wichtig: Merkmale zur Unterscheidung Migräne oder TIA
- Entstehung: Eine Transitorische Ischämische Attacke (TIA) resultiert aus einer kurzzeitigen Unterbrechung der Blutversorgung, während eine Migräneaura durch eine Erregungswelle im Gehirn (Cortical Spreading Depression) ausgelöst wird.
- Symptomverlauf: TIA-Symptome treten plötzlich und schlagartig auf, Migräneaura-Symptome entwickeln sich langsam und breiten sich allmählich aus.
- Dauer: TIA-Symptome dauern meist Minuten bis wenige Stunden, Aura-Symptome hingegen in der Regel bis zu einer Stunde.
- Begleiterscheinungen: Eine Migräneaura geht oft mit Migränekopfschmerzen einher, während bei einer TIA Kopfschmerzen selten sind.
- Risikobewertung: Eine TIA ist ein dringendes Alarmsignal für einen möglichen Schlaganfall, während eine Migräneaura zwar belastend, aber meist harmlos ist.
Migräneaura und Schlaganfall zeigen ähnliche Symptome wie Sehstörungen, Sprachprobleme oder Taubheitsgefühle, was Betroffene oft verunsichert.
Aura-Symptome entstehen durch eine Erregungswelle im Gehirn (CSD), entwickeln sich langsam und klingen meist innerhalb einer Stunde ab. Schlaganfälle hingegen treten plötzlich auf, oft begleitet von Lähmungen einer Körperhälfte.
Das schrittweise Auftreten der Aura-Symptome ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, das Betroffenen hilft, ihre Ängste zu reduzieren und Schlaganfall-Symptome rechtzeitig zu erkennen.
Wann zum Arzt?
Tritt die Migräne erstmals in Erscheinung oder in veränderter Form (mit Aura) sollte eine ärztliche Abklärung erfolgen. Äußern Kunden, dass sie unter sehr starken Kopfschmerzen leiden und normalerweise nicht zu den typischen Kopfschmerzpatienten gehören, ist besondere Aufmerksamkeit angebracht.
Dann ist eine sofortige ärztliche Untersuchung zum Ausschluss einer schwerwiegenden Erkrankung wie u. a. einer Subarachnoidalblutung, Sinusvenenthrombose oder einer Meningitis, notwendig.8
Behandlung der Migräne
Folgende Behandlungsempfehlungen bieten einen Überblick über die gängigsten Medikamente und Therapien in der Apothekenberatung:
Triptane und Mutterkornalkaloide3:
- Die Triptane Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei akuten Migräneattacken. Sie sollten bei starken Kopfschmerzen und bei Migräneattacken, die nicht auf Analgetika, Kombinationen von Analgetika mit Koffein oder auf NSAR ansprechen, eingesetzt werden.
- Sumatriptan 3 mg oder 6 mg subkutan ist die wirksamste und am schnellsten wirksame Therapie akuter Migräneattacken.
- Eletriptan 40 mg und Rizatriptan 10 mg sind nach den Ergebnissen von Metaanalysen die am schnellsten wirksamen oralen Triptane.
- Naratriptan und Frovatriptan haben die längste Halbwerstzeit und damit die längste Wirkdauer.
- Bei Nichtansprechen auf ein Triptan kann ein anderes Triptan versucht werden.
- Die Kombination von Triptanen mit einem langwirkenden NSAR (Naproxen) ist wirksamer als die Monotherapie und kann einem Wiederauftreten der Migräneattacke vorbeugen.
- Ergotamin ist in der Akuttherapie der Migräne wirksam. Die Wirksamkeit ist in prospektiven Studien allerdings schlecht belegt.
- Mutterkornalkaloide dürfen nicht mit Triptanen kombiniert werden.
Gut zu wissen: Lasmiditan hat keine vasokonstriktiven Eigenschaften und kann bei Patienten mit Kontraindikationen gegen Triptane verwendet werden3.
Wann kommen Triptane zum Einsatz?
Triptane sind spezifische Migränetherapeutika und werden bei mittelschweren bis schweren Migräneattacken sowie bei leichteren Attacken mit unzureichendem Ansprechen auf einfache Analgetika eingesetzt. Sie sind ebenfalls gegen die häufigen Begleiterscheinungen der Migräne wie Übelkeit.9
Wichtig: Werden Triptane während der Aura eingenommen, solange noch keine Kopfschmerzen bestehen, sind sie wahrscheinlich nicht wirksam.³
Wie wirken Triptane?
Triptane hemmen die sogenannte neurogene Entzündung und Erweiterung der Blutgefäße in den Hirnhäuten während der Migräneattacke9.
Was tun bei bei Wiederkehrkopfschmerz?
Erneute Einnahme eines Triptans frühestens nach 2 h oder initiale Kombinationstherapie Triptan + lang wirksames NSAR bei KI gegen Triptane oder Unwirksamkeit von Analgetika/NSARs/Triptanen Rimegepant oder Lasmiditan p. o.³
Weiterführende Informationen für die Apothekenberatung findet Ihr hier.
Antiemetika und Analgetika3:
- Antiemetika sind in der Migräneattacke wirksam zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen.
- Analgetika wie Acetylsalicylsäure und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und die Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein sind bei der Behandlung der Migräne wirksam. Leichtere und mittelstarke Migräneattacken sollten zunächst mit diesen Substanzen behandelt werden. Sie wirken auch bei einem Teil der Patienten mit schweren Migräneattacken.
- Die Wirksamkeit der Medikamente zur Therapie akuter Migräneattacken inklusive der Triptane ist höher, wenn diese früh in der Kopfschmerzphase eingenommen werden.
- Opioid-Analgetika sollen in der Therapie akuter Migräneattacken nicht verwendet werden.
Risiken einer Übermedikation:
- Die Schwelle für die Entstehung von Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln liegt für Triptane und Kombinationsanalgetika bei ≥ 10 Einnahmetagen/Monat und für Monoanalgetika bei ≥ 15 Einnahmetagen/Monat.
Notfalltherapie:
Patienten, die einen Arzt zur Behandlung ihrer Migräneattacken rufen oder eine Notfallambulanz aufsuchen, haben zuvor meist orale Medikamente ohne Erfolg eingesetzt. Daher liegen für die Notfallbehandlung in erster Linie Studien zu parenteral applizierten Substanzen vor.
Eingesetzt werden können: ASS i. v., Triptane s. c., Metoclopramid i. v. (sowie andere Dopaminantagonisten), Metamizol i. v. und beim Status migraenosus Steroide oral oder i. v.
Vorbeugung der Migräne
Zur Prophylaxe der Migräne-Auren können Lamotrigin, Flunarizin oder Topiramat eingesetzt werden.³
Seit dem 1. März 2025 steht in Deutschland mit Atogepant der erste orale CGRP-Rezeptorantagonist zur Migräneprophylaxe zur Verfügung.10
Gut zu wissen: Der CGRP-Rezeptor spielt eine zentrale Rolle bei Migräne, da das entzündungsfördernde Neuropeptid CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) während eines Migräneanfalls freigesetzt wird. CGRP verursacht eine Erweiterung der Blutgefäße und verstärkt die Schmerzwahrnehmung im Gehirn. Gepante wirken, indem sie gezielt an den CGRP-Rezeptor binden und dessen Aktivierung blockieren. Dadurch wird die Wirkung von CGRP unterbunden, was zu einer Reduktion der Migräne-Symptome führt, ohne die Blutgefäße zu verengen.
Die nicht-medikamentöse Behandlung der Migräne umfasst eine Vielzahl von Ansätzen, die präventiv und unterstützend eingesetzt werden können. Die wichtigsten in Kürze:
Lebensstilmodifikation:
- Regelmäßige Schlaf- und Wachzeiten, ausreichende Hydratation, und eine ausgewogene Ernährung mit der Vermeidung von Triggern wie Koffein, Alkohol oder histaminreichen Lebensmitteln.
- Stressreduktion durch gezielte Strategien wie Zeitmanagement und Vermeidung von Überforderung.
Verhaltens- und Entspannungstherapien:
- Entspannungstechniken wie progressive Muskelrelaxation, autogenes Training oder Meditation haben sich als effektiv in der Reduktion der Attackenfrequenz erwiesen.
- Biofeedback-Therapien unterstützen Patient:innen dabei, physiologische Prozesse wie Muskelspannung oder Hauttemperatur zu kontrollieren.
Physische Aktivität:
- Regelmäßiger Ausdauersport, wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen, trägt nachweislich zur Migräneprophylaxe bei und wirkt stabilisierend auf das Nervensystem.
Tipp für die Praxis: Oftmals kündigt sich eine Migräne an, wenn sich die Blutgefäße im Gehirn erweitern. Betroffene erleben dann häufig kalte Hände und Füße. Ein koffeinhaltiges Getränk sowie Wärme können in dieser Phase gefäßverengend und lindernd wirken.11
Prophylaxe der menstruellen Migräne3:
Für eine Kurzzeitprophylaxe kommen Naproxen oder Triptane mit langer Halbwertszeit, beginnend 2 Tage vor der Menstruation, über 5–6 Tage, in Betracht. Als vorbeugende Maßnahme kann die kontinuierliche Gabe eines kombinierten oralen Kontrazeptivums (KOK) in Betracht gezogen werden. Für die Prophylaxe der menstruellen Migräne kommt auch die Gabe von Desogestrel in Betracht.
Leben mit Migräne
Die Behandlung von Migräne erfordert eine Kombination aus medikamentösen und verhaltenstherapeutischen Ansätzen, da die Lebensführung die Häufigkeit und Stärke der Anfälle maßgeblich beeinflussen kann. Migräne wirkt sich stark auf Beruf, Familie und Freizeit aus, was häufig zu Einschränkungen und Spannungen im sozialen Umfeld führt.
Stressbewältigung, Entspannungstechniken und kognitive Verhaltenstherapie können helfen, die Lebensqualität zu verbessern. Unterstützungsangebote wie Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und ärztliche Betreuung spielen daher eine zentrale Rolle im Leben mit Migräne.
Migräne: Das Wichtigste für PTA im Überblick
- Migräne ist eine häufige neurologische Erkrankung mit wiederkehrenden, einseitigen, pulsierenden Kopfschmerzen.
- Begleiterscheinungen: Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit und Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen.
- Bei ca. 15 % der Patienten tritt eine Aura auf (visuelle, sensorische oder sprachliche Störungen). Dauer der Attacken: 4 bis 72 Stunden.
- Migräne wird durch eine erhöhte Reizverarbeitung und Entzündungsreaktion im Gehirn ausgelöst. Sie ist eine eigenständige, neurologische Erkrankung.
- Triggerfaktoren wie Stress, Schlafmangel, Wetterumschwünge oder bestimmte Lebensmittel können eine Attacke begünstigen, sie sind aber nicht die Ursache. Zu den Risikofaktoren zählen hormonelle Veränderungen (besonders bei Frauen) und eine genetische Veranlagung.
- Akutbehandlung: Triptane (z. B. Sumatriptan, Eletriptan) sind die Mittel der Wahl bei starken Migräneattacken, insbesondere bei Nichtansprechen auf Analgetika. Bei Bedarf Kombination mit NSAR (z. B. Naproxen). Antiemetika: Zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen während der Migräneattacke. Analgetika: Leichtere Migräne kann mit Acetylsalicylsäure oder NSAR behandelt werden.
Besondere Hinweise für die Beratung:
- Migräne mit Aura: Triptane wirken wahrscheinlich nicht in der Aura-Phase und sollten erst zu beginn der Kopfschmerzphase eingenommen werden.
- Schwangerschaft und Stillzeit: Bei Frauen, die schwanger sind oder stillen, sollte die Medikation angepasst werden. Weiterführende Informationen bietet das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie.
- Wann zum Arzt: Wenn Migräne erstmals auftritt oder sich verändert, ist eine ärztliche Abklärung notwendig, besonders bei ungewöhnlich starken Kopfschmerzen und wenn der Kunde sonst nicht unter Kopfschmerzen leidet.
- Eine Aura unterscheidet sich durch ihren langsamen Beginn, während eine TIA oder ein Schlaganfall sehr plötzlich/ schlagartig auftreten. Im Zweifelsfall sollte eine sofortige ärztliche Abklärung erfolgen.
- Weiterführende Infomaterialien und Selbsthilfegruppen für Eure Kunden bietet die MigräneLiga e. V. Deutschland.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Akne im Fokus: Klärung der Symptome, Ursachen und Behandlung
Akne ist eine Hauterkrankung, bei der Mitesser, Knötchen und Pickel im Gesicht und am Oberkörper auftreten. Betroffen sind vor allem Jugendliche; der Leidensdruck ist groß.
In schwereren Fällen ist eine topische oder systemische Behandlung notwendig. Was PTAs bei der Beratung zu Akne wissen müssen.

Akne – was ist das?
Akne – auch Acne vulgaris – ist eine weltweit häufig auftretende Hauterkrankung. Siebzig bis fünfundneunzig von hundert Jugendlichen¹ sind betroffen. Ein Sechstel bis ein Drittel² von ihnen leidet unter behandlungsbedürftiger Akne.
Ursächlich sind Entzündungen der Talgdrüsenfollikel, die vor allem in der Pubertät im Rahmen der Nebennierenreifung auftreten. Doch auch jüngere Kinder (Acne neonatorum/infantum) oder Erwachsene (Acne tarda) können betroffen sein.
Symptome: Wie zeigt sich Akne?
Typisch für Akne sind Mitesser (Komedonen), Knötchen (Papeln) und Pickel (Pusteln) im Gesicht, am Hals, auf der Brust, dem Rücken und an den Schultern. In schweren Fällen, bei etwa zwei bis sieben von hundert Akne-Betroffenen¹, bilden sich auch Zysten, Abszesse und Narben.
Eine Überempfindlichkeit der Talgdrüsen führt dazu, dass diese ein Übermaß an Sekret bilden (Hyperseborrhoe), die Neubildung von Hautzellen angeregt wird und die Verhornung zunimmt Hyperkeratose). Zudem ist eine vermehrte Ansiedlung vom Propionibacterium acnes festzustellen. Es kommt zu entzündlichen Reaktionen.

Akne und seine Verlaufsformen
Je nach Ausprägung der Symptome unterscheiden sich verschiedene Verlaufsformen:
- Acne comedonica: Vorwiegend treten Mitesser auf.
- Acne papulopustulosa: Hier zeigen sich überwiegend Knötchen und Pickel.
- Acne nodularis/conglobata: Bei dieser schweren Verlaufsform treten Knoten, Plaques und Abszesse auf.
- Acne fulminans: Dieser besonders schwere Verlauf kann mit hohem Fieber einhergehen und wird gegebenenfalls stationär behandelt.
Neben den körperlichen Symptomen besteht auch eine große psychische Belastung, insbesondere bei Betroffenen im Teenageralter. Eine professionelle und gleichzeitig einfühlsame Beratung ist hier von großer Bedeutung.
Neben der Aufklärung über die Anwendung der verordneten Präparate sind auch Tipps zur medizinischen Hautpflege und Ernährung hilfreich. Mehr dazu erfahrt ihr in den folgenden Abschnitten.
Ursachen: Wie entsteht Akne?
Männliche Sexualhormone (Androgene), vor allem Testosteron, lösen bei Akne Reaktionen in den Talgdrüsenfollikeln aus. Verschiedene Risikofaktoren können solche Reaktionen und damit die Entstehung von Akne begünstigen. Dazu gehören:
- kohlenhydrat-, insbesondere zuckerreiche Ernährung, Hyperinsulinämie
- Medikamente wie Steroide, Androgene, Psychopharmaka (Acne medicamentosa)
- UV-Strahlung
- Nikotinmissbrauch
- erbliche Veranlagung
- Chemikalien (Acne venenata), ungeeignete Kosmetika (Acne cosmetica)
- Bakterien, Hefepilze
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung von Akne erfolgt in der Regel lokal, in schwereren Fällen auch systemisch. Zunächst erfolgt eine Mono-, bei Bedarf eine Kombitherapie. Um Resistenzbildungen zu vermeiden, sollte keine topische Monotherapie mit Antibiotika erfolgen.
Eingesetzt werden vor allem Retinoide. Treten Knötchen und Pickel auf, kommen auch Azelainsäure, Antibiotika und/oder Benzoylperoxid zum Einsatz. Gängige Wirkstoffkombinationen sind Adapalen und Benzoylperoxid sowie Clindamycin und Benzoylperoxid.³
Zur systemischen Akne-Behandlung eignen sich:
- Antibiotika: Tetra-, Doxy-, Minocyclin
- Isotretinoin (Hier ist eine konsequente Verhütung notwendig. Der Wirkstoff sollte nicht gleichzeitig mit Tetracyclin eingenommen werden.)
- bei Frauen eine hormonelle antiandrogene Therapie (HAAT)4
Eine topische Erhaltungstherapie ist auch nach einer systemischen Behandlung entscheidend für den Langzeiterfolg. Auch hier besteht erhöhter Beratungsbedarf, da die langfristige Compliance oft schlecht ist.

Medizinische Ausreinigung
Um Mitesser und Pickel möglichst schnell loszuwerden, versuchen Betroffene oft, diese selbst auszudrücken. Davon ist abzuraten, da es zu Reizungen und so einer Verschlimmerung der Entzündungsreaktion führen kann.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich vereinzelte Narben bilden. Wenn überhaupt, sollte eine medizinische Ausreinigung in der dermatologischen Praxis oder einem qualifizierten Kosmetikstudio erfolgen.
Welche Ernährung bei Akne?
Um die Erfolgsaussichten der Aknetherapie zu erhöhen, ist eine geeignete Ernährungsweise ratsam. Auf folgende Faktoren sollten Betroffene achten:
- ausreichend Omega-3-Fettsäuren⁵: Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind in fettreichem Seefisch wie Hering, Lachs und Makrele, hochwertigen Pflanzenölen wie Raps-, Walnuss- und Leinöl sowie Nüssen enthalten. Zwei Fischmahlzeiten pro Woche sind daher ratsam.
- kaum Zucker, wenig kurzkettige Kohlenhydrate⁶: Zucker und Weißmehl sollten möglichst selten verzehrt werden. Empfehlenswerter sind Getreideprodukte aus dem vollen Korn.
- wenig Milch⁶: Betroffene sollten nach Möglichkeit wenig Milch verzehren. Milchprodukte sind im Allgemeinen weniger problematisch als pure Milch. Achtung: Tetracycline werden jedoch besser aufgenommen, wenn sie nicht mit Milchprodukten eingenommen werden.
- Probiotika⁵: Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass bei Akne eventuell die Einnahme von Probiotika unterstützend wirken könnte. Eindeutig ist die Studienlage in dieser Hinsicht aber noch nicht.
Geeignete Hautpflege bei Akne
Forschende haben herausgefunden, dass eine geeignete medizinische Hautpflege bei Akne wichtig ist. Untersuchungen zufolge wirkt sie sich nicht nur positiv auf den Krankheitsverlauf aus, sondern verbessert auch die Compliance.⁷
Geeignete Reinigungsprodukte, Feuchtigkeitspflege und Sonnenschutz⁹ kann die dermatologische Praxis empfehlen. Ist das nicht erfolgt, liegt die Beratung dazu in eurer Verantwortung. Einen Überblick über das Thema Sonnenschutz erhaltet ihr hier.
Die Hautreinigung sollte zweimal täglich mit einem milden, aber gründlich reinigenden Produkt erfolgen¹⁰ am besten mit einem pH-neutralen Gesichtsreiniger¹¹. Öl-in-Wasser-Emulsionen und Gele zur Hautpflege sind fettreicheren Formulierungen vorzuziehen.
Um den Leidensdruck der Betroffenen schnell zu reduzieren, eignen sich dekorative Kosmetika, die die Mitesser und Pickel kaschieren können. Auch hier gilt, dass die Produkte wenig Fett enthalten sollten.
Akne-Beratung: PTA-Wissen im Überblick
- Akne ist eine Hauterkrankung, bei der im Gesicht und am Oberkörper Mitesser, Knötchen und Pickel entstehen. Nicht zu vernachlässigen sind die psychischen Belastungen und die damit einhergehende Einschränkung der Lebensqualität.
- Betroffen ist vor allem ein Großteil der Jugendlichen während der Nebennierenreifung, doch auch Kinder und Erwachsene können unter Akne leiden.
- Den Symptomen liegt eine Überempfindlichkeit der Talgdrüsen gegen männliche Sexualhormone zugrunde.
- Risikofaktoren sind unter anderem eine zuckerreiche Ernährung und damit einhergehende Hyperinsulinämie, bestimmte Medikamente, UV-Strahlung, Nikotinabusus sowie eine erbliche Veranlagung.
- Die Behandlung erfolgt zunächst topisch, bei Bedarf auch systemisch. Zum Einsatz kommen Retionide, Azelainsäure, Antibiotika, Benzoylperoxid, Isotretionin, bei Frauen eine hormonelle antiandrogene Therapie.
- Langfristig ist eine topische Erhaltungstherapie notwendig; die Compliance ist jedoch im Allgemeinen schlecht.
- Um den Behandlungserfolg zu verbessern, sollten Betroffene auf eine angemessene Ernährungsweise achten und geeignete medizinische Hautpflegeprodukte verwenden. Besonders wichtig ist konsequenter UV-Schutz.
- Patienteninformation der Deutschen Haut- und Allergiehilfe e.V.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Burning-Mouth-Syndrom (BMS): schmerzhaftes Brennen im Mund
Beim Burning-Mouth-Syndrom (BMS) leiden Betroffene unter schmerzhaftem Zungenbrennen, teilweise auch unter Geschmacksstörungen oder Mundgeruch. Die Diagnose und Behandlung sind schwierig. Umso wichtiger ist eine kompetente Apothekenberatung der überwiegend weiblichen Betroffenen.
Das Burning-Mouth-Syndrom (BMS) – auch als orofaziales Schmerzsyndrom oder Glossodynie bezeichnet – stellt für die Betroffenen eine große Einschränkung der Lebensqualität dar. An der Diagnose und Behandlung sind verschiedene Fachrichtungen beteiligt. Eindeutige Krankheitsmarker gibt es nicht. Somit handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.
Nicht zu vernachlässigen ist die psychische Komponente der Erkrankung: Krankhaftes Zungenbrennen tritt oft im Zusammenhang mit Depressionen auf. Neben einer medikamentösen Behandlung kann daher auch eine Psychotherapie angezeigt sein.

Zusammenfassung: Burning-Mouth-Syndrom im Überblick
- Ursachen: Das BMS tritt häufig im Zusammenhang mit Depressionen und Angststörungen auf, kann aber auch eine Wechseljahresbeschwerde sein. Zu den weiteren möglichen Ursachen gehören Nährstoffmangel, Allergien, Zahn- und Magenprobleme sowie Nebenwirkungen von Medikamenten.
- Symptome: Betroffene leiden unter brennenden Schmerzen in der Zunge, der Mundhöhle und/oder dem Rachen. Auch Geschmacksstörungen und Mundgeruch können auftreten.
- Wann zum Arzt? Da der Leidensdruck für die Betroffenen erheblich ist, sollte eine zeitnahe Diagnostik und Therapie stattfinden. Auf eine akute Infektion können Fieber, Rötungen oder Schwellungen hindeuten. Tritt das brennende Gefühl im Mund im Zusammenhang mit Atemnot auf, ist unverzüglich notärztliche Hilfe notwendig, da es sich um eine anaphylaktische Reaktion handeln könnte.
- Diagnose: Als Ausschlussdiagnose erfordert das orofaziale Schmerzsyndrom eine umfangreiche Diagnostik, an der verschiedene Fachrichtungen beteiligt sind.
- Therapie: Die Behandlung von Glossodynie sollte immer auch die psychische Komponente mit einbeziehen. Neben Psychotherapie kommen vor allem Psychopharmaka zum Einsatz. Je nach Ursache oder Auslöser der Erkrankung können auch andere Präparate verordnet werden, beispielsweise zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden. Als Akuthilfe eignen sich schmerzstillende Gele, etwa mit den Wirkstoffen Capsaicin oder Lidocain.
- Vorbeugen: Betroffene sollten ihr Stressniveau senken, beispielsweise durch einen regelmäßigen Schlafrhythmus und Entspannungstechniken. Alkohol, Zigaretten, scharfe Speisen und heiße Getränke sind zu meiden. Kühle Speisen und Getränke werden von vielen Betroffenen hingegen als angenehm empfunden.
Was ist das Burning-Mouth-Syndrom (BMS)?
Als Burning-Mouth-Syndrom wird schmerzhaftes Zungenbrennen in Verbindung mit weiteren Symptomen wie Geschmacksstörungen oder Mundgeruch bezeichnet. Eine körperliche Ursache ist in den wenigsten Fällen festzustellen. Oft ist die Psyche an der Entstehung der Symptomatik beteiligt: Das BMS tritt häufig in Zusammenhang mit einer Depression auf.
Etwa 1 bis 15 von 100 Personen leiden unter dem BMS. Bei weniger als 1 von 100 Personen bestehen die Beschwerden dauerhaft.1 Die Betroffenen sind vorwiegend weiblich und haben ein höheres Lebensalter, da das BMS vermehrt während der Wechseljahre auftritt.
Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose, an der verschiedene Fachrichtungen mit unterschiedlichen Untersuchungen beteiligt sind:
- Zahnarzt
- Internist
- Neurologe
- Psychiater
- Dermatologe

Burning-Mouth-Syndrom: Symptome des orofazialen Schmerzsyndroms
Das BMS trägt diesen Namen aufgrund der charakteristischen, brennenden Schmerzen an der Zunge, aber auch an den Innenseiten der Wangen, am Zungengrund, am Gaumen, am Zahnfleisch und sogar im Rachen. Betroffene können es so empfinden, dass die Zunge juckt oder aber die Zunge schmerzt wie verbrannt. Weitere mögliche Symptome sind.
- Missempfindungen im Mund oder Rachen
- metallischer oder bitterer Geschmack im Mund
- Veränderung des Geschmackssinns
- Mundgeruch
Zudem können Betroffene empfindlich auf scharfe oder heiße Speisen sowie auf Metall im Mund reagieren, etwa durch Zahnpflegeprodukte, aber auch Füllungen oder Zahnersatz.
Die Beschwerden können so stark ausgeprägt sein, dass sie den Schlaf und die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen. So ist auch möglich, dass psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit dem BMS eher aus der körperlichen Symptomatik resultieren.
Burning-Mouth-Syndrom: Ursachen von Zungenbrennen
Das Burning-Mouth-Syndrom kann sowohl primär als sekundär auftreten. Als Ursache von primärem BMS vermuten Fachleute Schäden an Nerven für die Geschmackswahrnehmung sowie die Schmerzweiterleitung. Es gibt Hinweise auf eine funktionelle Störung der Chorda tympani, also eines Gesichtsnervenastes.
Sekundäres BMS kann eine Vielzahl verschiedener Ursachen haben, die sowohl allein als auch in Kombination miteinander vorliegen können.
- Insbesondere hormonelle Veränderungen während des Klimakteriums können beim orofazialen Schmerzsyndrom eine Rolle spielen, denn vermehrt tritt das BMS in den Wechseljahren auf.
- Zudem scheint ein Zusammenhang mit Depressionen, Angststörungen und Karzinophobie zu bestehen, also einer übersteigerten Angst vor einer Krebserkrankung.
- BMS kann darüber hinaus als Nebenwirkung bestimmter Arzneimittel auftreten, etwa bei der Einnahme von Antidepressiva oder ACE-Hemmern.
- Ein trockener Mund scheint das Risiko von Zungenbrennen zu erhöhen. Dieser kann sowohl durch eine Erkrankung, etwa das Sjögren-Syndrom, als auch in Form von Nebenwirkungen bei der Einnahme bestimmter Wirkstoffe oder einer Strahlentherapie auftreten.
- Allergien gegen Metalle in Zahnprothesen oder gegen bestimmte Lebensmittel sind ebenfalls ein möglicher Auslöser.
- Zähneknirschen, Reflux und Infektionen im Mund, etwa mit einem Hefepilz, können eine Rolle spielen.
- Auch ein Nährstoffmangel, etwa an Vitamin B oder Eisen, kann die Ursache für Zungenbrennen sein.
- Zunehmend wird ein Zusammenhang mit Covid-Infektionen beobachtet.
Burning-Mouth-Syndrom: Behandlung des orofazialen Schmerzsyndroms
Der Therapie des BMS geht eine umfangreiche Diagnostik voraus. Erst wenn andere Erkrankungen ausgeschlossen sind, beginnt die Behandlung des BMS. Idealerweise wird die Ursache therapiert, also beispielsweise ein hormonelles Ungleichgewicht während der Wechseljahre oder das Sjögren-Syndrom.
Ist das nicht möglich oder nicht ausreichend, wird das Zungenbrennen symptomatisch behandelt. Hier kommen insbesondere Psychotherapie und Antidepressiva zum Einsatz. Clonazepam, eine Nahrungsergänzung mit Alpha-Liponsäure sowie eine Low-Level-Lasertherapie zur Anregung der Selbstheilungskräfte sind weitere Behandlungsoptionen. Trotz der genannten Therapieoptionen kann das BMS eine langwierige Erkrankung sein.
Akute Schmerzen bei Glossodynie behandeln
Das Burning-Mouth-Syndrom kann zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität führen. Umso wichtiger ist es, die Beschwerden bestmöglich zu lindern. Neben langfristigen Behandlungen sollten daher auch Präparate zur akuten Linderung zum Einsatz kommen. Bewährt haben sich schmerzstillende Gele für die orale Anwendung, beispielsweise mit Wirkstoffen wie Capsaicin oder Lidocain.
Zungenbrennen: Hausmittel bei BMS
Neben der schulmedizinischen Therapie können beim BMS auch Hausmittel zum Einsatz kommen. Insbesondere eine Kältetherapie, etwa mit Eiswürfeln oder gekühlten Getränken, wird von vielen Betroffenen als lindernd empfunden. Zuckerfreie Kaugummis oder Bonbons regen den Speichelfluss an und können so ebenfalls Linderung bringen.
Burning-Mouth-Syndrom: Wie beugt man Zungenbrennen vor?
Um dem BMS vorzubeugen oder bei Betroffenen Schmerzattacken zu verhindern, ist es wichtig, Risikofaktoren im Alltag zu meiden und einen gesunden Lebensstil zu etablieren. Über geeignete Maßnahmen aufzuklären, ist ein entscheidender Teil der Apothekenberatung.
Allergene sind zu meiden, sowohl in Lebensmitteln als auch in Zahnpflegeprodukten. Hier ist gegebenenfalls noch ärztliche Diagnostik notwendig. Milde Speisen und Pflegeprodukte sind für BMS-Betroffene im Allgemeinen besser verträglich. Patienten mit Glossodynie sollten Alkohol meiden und auf Zigaretten verzichten.
Zungenbrennen und psychische Gesundheit
Aufgrund der psychischen Komponente des orofazialen Schmerzsyndroms ist insbesondere das Erlernen einer Entspannungsmethode sinnvoll. Besonders etabliert sind Methoden wie die Progressive Muskelentspannung oder Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Entspannung ist aber sehr individuell: Welche Methode geeignet ist, variiert von Person zu Person.
Ein weiterer wichtiger Faktor, um Stress zu reduzieren, ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus. Zu viel oder zu wenig Schlaf stellt eine Belastung für den Körper dar. Gleiches gilt für ständig wechselnde Schlafzeiten, etwa bei Schichtdienst oder veränderten Schlafgewohnheiten am Wochenende. Bei Schlafstörungen können entsprechende freiverkäufliche Präparate unterstützen, etwa mit Melatonin oder Baldrian.
Bei psychischen Problemen oder außergewöhnlichen mentalen Belastungen kann eine Psychotherapie notwendig sein. Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie wird auch ein progressiver Umgang mit chronischen Schmerzen erlernt. Die dadurch sinkende emotionale Belastung wiederum kann sich positiv auf die Beschwerden auswirken.
Burning Mouth: Häufige Fragen
Woher kommt das Burning-Mouth-Syndrom?
Das Burning-Mouth-Syndrom hat in den meisten Fällen psychische Ursachen und tritt häufig im Zusammenhang mit Depressionen und Angststörungen auf. Zudem zeigt sich das BMS gehäuft während der Wechseljahre. Weitere mögliche Ursachen sind Nebenwirkungen von Medikamenten, Allergien und Nährstoffmangel.
Kann Brennen im Mund psychisch sein?
Zungenbrennen ist oft zumindest teilweise psychisch bedingt. Die seelische Gesundheit spielt daher auch bei der Therapie eine entscheidende Rolle.
Was essen bei Burning-Mouth-Syndrom?
BMS-Betroffene reagieren oft empfindlich auf scharfe Lebensmittel und Heißgetränke. Kühle Speisen und Getränke werden hingegen oft als lindernd empfunden. Zuckerfreie Kaugummis und Bonbons regen den Speichelfluss an und können auf diese Weise ebenfalls Linderung bringen. Alkohol und Zigaretten sollten gemieden werden.
Welcher Arzt bei Burning-Mouth Syndrom?
Das orofaziale Schmerzsyndrom ist eine Ausschlussdiagnose. Das bedeutet: Erst wenn andere mögliche Ursachen ausgeschlossen sind, wird diese Diagnose gestellt. An der Diagnostik und Behandlung des BMS sind verschiedene Fachrichtungen beteiligt: Betroffene müssen einen Zahnarzt, einen Internisten, einen Neurologen, einen Psychiater und einen Dermatologen aufsuchen. Liegt dem Zungenbrennen eine Erkrankung zugrunde, muss diese durch den entsprechenden Facharzt behandelt werden.
Welche Medikamente bei Burning-Mouth Syndrom?
Da Glossodynie oft eine psychische Komponente hat, kommen vor allem Antidepressiva in der Therapie zum Einsatz. Hormonpräparate zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden, Clonazepam oder eine Nahrungsergänzung mit Alpha-Liponsäure sind weitere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten. Gegen die akuten Beschwerden helfen schmerzstillende Gele, beispielsweise mit den Wirkstoffen Capsaicin oder Lidocain.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren
Haarausfall: Arten, Ursachen und Behandlungsansätze
Haarausfall kann viele verschiedene Ursachen haben, etwa Autoimmun- oder Hauterkrankungen, Nährstoffmangel sowie als Nebenwirkung einer Chemotherapie oder hormonell bedingt auftreten. Die Behandlung ist abhängig von der Art und Ursache.
Der Leidensdruck für Betroffene ist groß. Umso wichtiger ist eine kompetente Beratung zu Mitteln gegen Haarausfall in der Apotheke. Alles, was ihr dazu wissen müsst, erfahrt ihr im Folgenden.

Haarausfall: Arten der Alopezie
Übermäßiger Haarverlust liegt vor, wenn täglich mehr als 100 Haupthaare ausfallen.1 Das Haupthaar besteht aus Terminalhaaren. Dabei handelt es sich um Haare, die deutlich kräftiger sind als ein Großteil der restlichen Körperbehaarung. Ein Mensch hat etwa 250 bis 450 Haupthaare pro Quadratzentimeter der Kopfhaut, insgesamt sind es gut 100.000.1
Im Zusammenhang mit Haarverlust sind zwei Fachbegriffe wichtig:
- Effluvium beschreibt den Vorgang des Ausfallens.
- Alopezie ist der Zustand der Haarlosigkeit.
Es gibt zahlreiche verschiedene Arten. Welche Form auftritt, ist von der Ursache abhängig.
Erblich bedingter (androgenetischer) Haarausfall
Androgenetische Alopezie (AGA) ist keine Krankheit, kann bei den Betroffenen aber dennoch einen großen Leidensdruck verursachen. AGA ist die häufigste Form des Haarverlusts. Ihr liegt eine genetische Veranlagung zugrunde.
Durch das männliche Geschlechtshormon Dihydrotestosteron (DHT) werden die Haarfollikel der Betroffenen übermäßig stimuliert. Aufgrund der hormonellen Störung wird die Wachstumsphase der Haare verkürzt. Sie werden dünner und fallen vermehrt aus.

Jeder zweite Mann ist noch vor seinem 50. Lebensjahr betroffen.2 Androgenetischer Haarausfall bei Frauen ist seltener, zudem sind die Symptome bei ihnen weniger stark ausgeprägt. AGA tritt bei Frauen vor allem dann auf, wenn sich das Gleichgewicht der Geschlechtshormone zugunsten von männlichen Hormonen verschiebt, also nach den Wechseljahren oder beim polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS).
Während bei Frauen vor allem das Haar am Scheitel dünner wird, bilden sich beim Mann Geheimratsecken bis hin zur Glatze. Je früher im Leben die AGA auftritt, desto schwerer ist der zu erwartende Verlauf.
Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata, AA)
Von Alopecia areata (AA) ist etwa 1 von 1.000 Menschen betroffen, vor allem im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt.2 AA ist eine Autoimmunerkrankung, die familiär gehäuft auftritt. Schätzungsweise einer von fünf Betroffenen hat eine erbliche Veranlagung.2 Zudem leiden Betroffene oft unter weiteren Autoimmunerkrankungen oder Allergien.
Die Alopecia areata tritt plötzlich auf. Häufige Auslöser sind psychischer oder physischer Stress, etwa durch Operationen oder Infektionen. Körpereigene Immunzellen greifen den Haarfollikel an, sodass das Haar abbricht. In den meisten Fällen sind kreisrunde, münzgroße Stellen an der Kopfhaut betroffen. AA kann aber auch an anderen Bereichen des Körpers oder generalisiert auftreten.
Die Symptome verschwinden meist innerhalb von drei Jahren von selbst. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen kehrt das Haar vollständig zurück.1,2,iii
Diffuser Haarausfall (telogenes Effluvium)
Von telogenem Effluvium ist die Rede, wenn die Wachstumsphase der Haare vermehrt unterbrochen wird. Dadurch treten übermäßig viele Haare in die sogenannte Telogenphase ein, also in die Ruhe- oder Ausfallphase. Im Verlauf von drei bis etwa acht Monaten lockert sich das Haar aus dem Follikel und fällt aus.1,2 Somit tritt der Haarverlust erst mit zeitlicher Verzögerung nach dem auslösenden Ereignis ein.
Das telogene Effluvium wird vor allem durch physischen oder psychischen Stress ausgelöst. Mögliche Ursachen sind daher
- übermäßige seelische Belastung
- Medikamente: Retinoide, Blutdrucksenker, Gerinnungshemmer
- Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse
- Diäten
- Mangel an Biotin, Vitamin B12, Vitamin D, Eisen und/oder Eiweiß
- Ekzeme
Durch die hormonelle Umstellung infolge der Schwangerschaft kann das telogene Effluvium auch nach der Geburt in der Stillzeit auftreten.
Vernarbender Haarausfall
Hier ist der Haarverlust durch entzündliche Prozesse in der Haut begründet. Um die Follikel herum treten Entzündungen auf, zudem kommt es zu Hyperkeratose, also einer Verdickung der Hornschicht der Haut.
Neben dem Haarverlust können noch weitere Symptome auftreten:
- Juckreiz
- Schmerzen
- fehlende Follikelöffnungen
In den meisten Fällen liegt dem Haarverlust eine Erkrankung zugrunde, etwa:
- Hauterkrankungen wie Akne oder Ekzeme
- Autoimmunerkrankungen
- Infektionen
- Tumoren
- Schädigungen der Haut durch äußere Einflüsse wie Verletzungen, Verbrennungen, Röntgenstrahlung
Bei dieser Form ist der Haarverlust irreversibel. Je schneller die zugrundeliegende Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird, desto besser. Tritt der Haarverlust idiopathisch auf, ist er zumeist therapieresistent.
Extremer Haarausfall bei Chemotherapie
Einige Chemotherapeutika haben Haarverlust als Nebenwirkung. Die Medikamente hemmen die Zellteilung der Krebszellen, können aber auch körpereigene Zellen beeinflussen. So kommt es bei einer Chemotherapie mitunter bis hin zum vollständigen Verlust der Kopf-, bisweilen auch der restlichen Behaarung.
- Drei bis sechs Monate nach Abschluss der Behandlung setzt das Haarwachstum wieder ein.iv Jedoch können die Haarstruktur und -farbe danach verändert sein.
- Auch eine Strahlentherapie kann zu Haarverlust führen. Dann ist aber nur das Haar im bestrahlten Bereich betroffen.
- Dem Haarverlust bei Chemotherapie entgegenzuwirken, ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht möglich. Betroffene können jedoch psychologische Unterstützung erhalten und/oder vorübergehend eine Perücke tragen.

Um das Haarwachstum nach der Behandlung zu fördern, sollten Betroffene ihre Kopfhaut gut pflegen, vor UV-Strahlung schützen, das nachwachsende Haar nicht zu oft waschen und nur schonend stylen.
Lebenszyklus der Haare
Der Lebenszyklus eines Haars lässt sich in drei Stadien einteilen:
- Anagenphase: In der Wachstumsphase wächst das Haupthaar jeden Monat etwa einen Zentimeter.1,2 Diese Phase hält zwischen zwei und sechs Jahren an.1,2 Etwa vier von fünf Haupthaaren befinden sich in der Anagenphase.1,2
- Ketagenphase: Die Übergangsphase verläuft über zwei bis sechs Wochen.1,2 Eins von zwanzig Haupthaaren befindet sich in diesem Stadium.2
- Telogenphase: In der Ruhephase lockert sich das Haar aus dem Follikel und fällt dann innerhalb von drei bis acht Monaten aus.1,2 Etwa eins von fünf Haupthaaren ist gerade in der Ruhephase.2 An die Telogenphase schließt sich eine erneute Anagenphase an.
Man unterscheidet zwischen anagenem und telogenem Effluvium:
- Anagenes Effluvium, bei dem das Haar bereits in der Wachstumsphase ausfällt, geht meist auf eine schwere Schädigung der Haarmatrix zurück, in der das Haar gebildet wird. Ursächlich sind in der Regel eine Chemo- oder Strahlentherapie.
- Telogenes Effluvium tritt hingegen aufgrund von Erkrankungen oder Stress auf. Die Anagenphase endet vorzeitig, die Haare gehen vermehrt in die Ketagen- und dann in die Telogenphase über, sodass sie mit einer Verzögerung von mehreren Monaten ausfallen.

Haarausfall: Ursachen für Alopezie
Oft geht Haarverlust auf eine erbliche Veranlagung zurück; das ist insbesondere bei Haarausfall bei Männern der Fall. Bei Frauen können hormonelle Ungleichgewichte durch Schwangerschaft, Wechseljahre oder gynäkologische Erkrankungen wie das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) zu Alopezie führen.
Haut- und Autoimmunerkrankungen, die unter anderem Haarverlust auslösen können, liegt oft eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren zugrunde. Dazu gehören psychischer und physischer Stress, Übergewicht, der Konsum von Alkohol und Zigaretten.
Entsteht Alopezie aufgrund eines manifesten Nährstoffmangels, liegt das in der Regel an einseitigen Diäten, Essstörungen oder einer Erkrankung des Verdauungstrakts.
Eine Ausnahme stellt Vitamin D dar: Diesen Vitalstoff in ausreichender Menge mit der Nahrung aufzunehmen ist schwierig. Der menschliche Organismus kann Vitamin D zwar selbst bilden, benötigt dazu jedoch Hautkontakt mit UV-Strahlung. Laut dem RKI ist etwa ein Drittel der Deutschen mangelhaft mit Vitamin D versorgt, ein weiteres Drittel leidet bereits unter einem substantiellen Mangel.v Das liegt zum einen daran, dass die Sonnenstrahlung im mitteleuropäischen Winter nicht intensiv genug ist. Zum Anderen schützen sich viele – zurecht – mit UV-Schutzmitteln vor Hautkrebs.
Natürliche Mittel gegen Haarausfall
Nicht nur Stress begünstigt also Haarverlust; auch systemische Krankheiten wie etwa Autoimmunerkrankungen können dazu beitragen. Nicht nur, aber auch deshalb ist es also wichtig, ihnen mit einem gesunden Lebensstill vorzubeugen oder den Verlauf bereits bestehender Erkrankungen positiv zu beeinflussen.
Eine wichtige Rolle spielt dabei ein gesunder Lebensstil:
- ausreichend Schlaf und ein regelmäßiger Schlafrhythmus
- Bewegung, idealerweise an der frischen Luft
- moderates Training (Leistungssport hingegen bedeutet Stress für den Körper)
- gesunde Ernährung
Neben den allgemein gültigen Empfehlungen für eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise sollte der Fokus darauf liegen, die Darmflora zu unterstützen. Forschungsergebnisse legen nahe, dass zwischen einigen Arten von Haarverlust und dem Darmmikrobiom ein Zusammenhang bestehen könnte.vi,vii In der Zukunft könnte hier sogar ein Ansatz zur Behandlung zu finden sein.
Bis es so weit ist, kann es sich lohnen, die Darmgesundheit mit probiotischen Präparaten zu unterstützen, sei es prophylaktisch oder als ergänzende Therapie. Außerdem ist eine ballaststoffreiche und zuckerarme Ernährungsweise empfehlenswert.
Haarausfall stoppen mit Entspannungstechniken
Stress kann nicht nur auf direktem Weg zu frühzeitigem Haarverlust führen, sondern auch indem er systemische Vorerkrankungen verschlechtert. Das Erlernen einer Entspannungstechnik kann hier helfen.
Aus wissenschaftlicher Sicht gilt die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (auf Englisch mindfulness-based stress reduction, kurz MBSR) als besonders empfehlenswert.viii Die stresslindernde Wirkung von progressiver Muskelentspannung nach Jacobson und Autogenem Training sind ebenfalls wissenschaftlich belegt.ix,x
Auch über Alopezie und damit assoziierte Erkrankungen hinaus ist Stressreduktion essentiell. Stress stellt einen bedeutenden Risikofaktor für diverse schwere Erkrankungen dar, darunter etwa Herzinfarkt und Schlaganfall.
Haarausfall: Behandlung mit Nahrungsergänzung
Liegt dem Haarverlust ein ärztlich diagnostizierter Nährstoffmangel zugrunde, sollte dieser mit einem geeigneten Präparat ausgeglichen werden. Auch wenn kein Vitaminmangel vorliegt, kann die Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels sinnvoll sein, wie Forschungen gezeigt haben:
- Sulforaphan ist ein sekundärer Pflanzenstoff, der vor allem in Brokkolisprossen enthalten ist. Forschende haben Hinweise darauf gefunden, dass der Wirkstoff gegen androgenetische Alopezie helfen könnte.xi,xii
- Kürbiskernöl hat sich in wissenschaftlichen Studien als haarwuchsfördernd erwiesen.xiii,xiv
- Sägepalmenextrakt könnte ebenfalls Haarverlust vorbeugen und so androgenetische Alopezie lindern.xv,xvi
Was hilft gegen Haarausfall?
Liegt dem Haarverlust eine systemische oder dermatologische Erkrankung zugrunde, steht deren Therapie im Vordergrund. Wird die Ursache diffusen Haarverlusts beseitigt, ist damit zu rechnen, dass die Haare innerhalb von drei bis sechs Monaten nachwachsen.2 Zur Unterstützung bei diffusem Haarverlust eignen sich Minoxidil oder östrogenhaltige Lösungen.
Bei vernarbendem Haarverlust ist besonders schnelles Handeln geboten, da der Haarverlust bei dieser Form dauerhaft ist. Ergänzend zur ursächlichen Therapie können Glukokortikoide zur lokalen Anwendung oder als Tabletten, Retinoide sowie Immunsuppressiva verordnet werden.
Bei Alopecia areata kommen Kortison zur lokalen Anwendung, Dapson, Zinksulfat oder -aspartat, Licht- oder Reiztherapie zum Einsatz. AGA wird bei Frauen lokal mit Minoxidil oder 17-a-Estradiol therapiert, bei Männern systemisch mit Finasterid. Mit einer Verbesserung ist nach frühestens einem halben Jahr zu rechnen.1 Ist die medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich, entscheiden sich manche Betroffene für eine Haartransplantation.
Um weiterem Haarverlust bei Alopezie-Betroffenen vorzubeugen, können Shampoos mit folgenden Wirkstoffen zum Einsatz kommen:
- Salizylsäure, 0,2 %xvii
- Panthenol 0,2 %17
- Niacinamid 0,1 %17
- Koffeinxviii
- Adenosin18
Haarausfall: das Wichtigste für PTAs im Überblick
- Es gibt zahlreiche verschiedene Arten, etwa erblich/hormonell bedingte Alopezie, Alopecia areata, telogenes Effluvium und Haarverlust durch eine Chemotherapie. Auch systemische Erkrankungen können Alopezie auslösen.
- Von übermäßigem Haarverlust ist die Rede, wenn täglich mehr als 100 Haupthaare ausgehen.i
- Die Behandlung von Alopezie richtet sich nach der Ursache. Bleiben die Mittel gegen Haarausfall wirkungslos, kann eine Haartransplantation erfolgen.
- Körperlicher und psychischer Stress können übermäßigen Haarverlust auslösen oder begünstigen. Ein gesunder Lebensstil, insbesondere Stressreduktion, ist daher essentiell.
- Shampoos, die das Haarwachstum fördern, können unterstützend zum Einsatz kommen. Entsprechende Wirkstoffe sind etwa Koffein und Salicylsäure.
Häufige Fragen zum Haarausfall
Was ist das beste Mittel gegen Haarausfall?
Die Behandlung ist abhängig von der Ursache. Liegt dem Haarverlust eine Erkrankung zugrunde, muss diese therapiert werden. Unterstützend zu einer eventuellen medikamentösen Behandlung kommen Shampoos mit Wirkstoffen zum Einsatz, die das Haarwachstum fördern. Wichtig ist auch ein gesunder Lebensstil, insbesondere Stressreduktion.
Was hilft bei sehr starkem Haarausfall?
Extremem Haarverlust können eine Hauterkrankung, ein hormonelles Ungleichgewicht oder eine Chemotherapie zugrundeliegen. Wichtig ist auch hier die Behandlung der Ursache. Androgenetische, also erblich bedingte Alopezie, geht auf eine Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegen männliche Geschlechtshormone zurück. Sie wird beim Mann systemisch mit Finasterid behandelt, bei der Frau lokal mit Minoxidil oder 17-a-Estradiol.
Welches Vitamin fehlt, wenn man Haarausfall hat?
Übermäßiger Haarverlust kann durch einen Mangel an Biotin, Vitamin B12, Vitamin D, Eisen und/oder Eiweiß auftreten.
Auf welche Krankheiten kann Haarausfall hinweisen?
Alopezie kann begleitend bei einer Vielzahl verschiedener Erkrankungen auftreten, etwa bei Haut- und Autoimmunerkrankungen, Tumoren, Infektionen oder dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS). Auch hormonelle Ungleichgewichte nach der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren können eine Rolle spielen.
Lesen Sie auch folgende Artikel
Metamizol: Wie sicher ist das Schmerzmittel wirklich?13.10.2025: Metamizol wirkt schmerzlindernd, fiebersenkend und krampflösend. Wegen des Risikos einer Agranulozytose wird Metamizol nur dann eingesetzt, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht eingesetzt werden können.
Mehr erfahren
Wie Apotheken bei Clusterkopfschmerz helfen können: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel09.07.2025: PTA erkennen mehr: Clusterkopfschmerz früh zu erkennen kann den Unterschied machen. Mehr dazu erfahrt ihr hier bei uns im Interview mit Prof. Dr. Hartmut Göbel.
Mehr erfahren
Clusterkopfschmerz: Warnzeichen erkennen und gezielt beraten09.07.2025: Clusterkopfschmerz – extrem belastend, oft verkannt Auch als „Suizidkopfschmerz“ bezeichnet, lässt sich die Erkrankung klar von Migräne abgrenzen. Unser Beitrag zeigt die typischen Merkmale und warum ein frühes Erkennen so wichtig ist.
Mehr erfahren






