Glycerin kann bei trockener Haut Fluch oder Segen sein – je nachdem, ob man sich damit auskennt. PTA Petra Kurz ist Kosmetik-Expertin und hat hier ihr Wissen über den Stoff zusammengefasst

Wer in den letzten Jahren die Entwicklung der Kosmetikindustrie genauer beobachtet hat, wird festgestellt haben, dass der neue, innovative Heilsbringer für sehr viele überarbeitete Rezepturen, ein alter Bekannter ist. Nämlich nichts anderes als das Glycerin. Leider muss ich immer wieder feststellen, dass in unserem Fachgebiet sehr wenig über diesen Stoff gelehrt wird. Ich erspare uns die chemischen Voraussetzungen, die kann bei Bedarf jeder in den dazu passenden Büchern nachlesen.

Positive Eigenschaften von Glycerin

Der praktische Nutzen von Glycerin für die Kosmetikhersteller besteht darin, dass es als körpereigene Substanz gilt und daher besonders hautverträglich ist. Im menschlichen Körper ist es ein wichtiger Bestandteil des Feuchthaltesystems der Haut. Es wird bei der Hydrolyse hauteigener Lipide freigesetzt und gelangt so in die Hornschicht. Es ist stark feuchtigkeitsbindend und wasseranziehend, so dass eine hervorragende Eignung als „Natural Moisturing Factor“ (NMF) vorhanden ist.

Man hat mittlerweile sehr viele galenische Möglichkeiten und umfangreiches Wissen darüber, wie Glycerin schneller und effektiver in die tieferen Hautschichten geschleust werden kann. Es ist ein sehr „pflegeleichter“ Wirkstoff, der problemlos mit Wasser, Alkohol oder Fetten mischbar ist. Sowohl eine O/W als auch eine W/O-Zubereitung ist möglich, wobei die Wirksamkeit in W/O-Cremes effektiver ist. Da es sich eher um ein kleines Molekül handelt, kann es gut von der Haut aufgenommen werden. Es wirkt emulsionsstabilisierend und verbessert die Textur von Gelen und Emulsionen. Seine Konsistenz ist viskos, dicklich oder sirupartig, was als „Soforteffekt“ bei Pflegecremes gut genutzt werden kann. Es glättet ohne zu fetten und erhöht die Elastizität der Haut. Besonders sehr raue Hände oder andere trockene überlastete Hautstellen, können durch diese Glättung profitieren.

Glycerin dient als Barriere zum Schutz vor äußeren Einflüssen, beispielsweise Kälte oder Chemikalien. Die damit arbeitenden Handcremes werden basierend auf diesen Tatsachen von mir liebevoll „Arbeiter-Handcremes“ genannt. Zusätzlich verdunstet deutlich weniger hauteigene Flüssigkeit und es bildet sich ein annähernd unsichtbarer Handschuh, der sich auch nach mehrmaligem Händewaschen nicht verabschiedet hat und weiterhin schützt.

Der richtige Umgang mit Glycerin

Wie bei jedem anderen Stoff auch sollte man einige Regeln beachten, denn ansonsten kann der Segen schnell zu einem Fluch werden. Das beste Beispiel hierfür liefert uns die Kosmetikindustrie selbst, mit dem einarbeiten von zu viel Glycerin in Lippenpflegestifte. Gerade in empfindlichen dünnen Hautregionen sollte die Konzentration von Glycerin niemals höher als 3% liegen, denn ansonsten entscheidet die vorhandene Luftfeuchtigkeit woher das Glycerin sein Wasser bindet und es wirkt möglicherweise austrocknend. Enthält die Luftfeuchtigkeit, zum Beispiel aufgrund von Heizungswärme, sehr wenig Wasser, beginnt die Lippenpflege Feuchtigkeit aus dem Gewebe zu binden und an die Umgebung abzugeben. Der Effekt wäre, dass die Lippen trocken und spröde werden und wir erneut zu dem Fettstift greifen.

In Körperpflege sollte die Konzentration über 3% liegen und in Hand- oder Fußpflege Produkten bei 10 – 20%. Was jedoch genauso von Nachteil wäre wie bei der Lippenpflege ist, wenn in Hautpflegeprodukten die Konzentration von 30% überschritten wird.

Unterschiedliche Arten von Glycerin und Anwendungsgebiete

Die Herkunft von Glycerin kann komplett unterschiedlich sein. Es gibt pflanzliche Erzeugnisse aus Palmöl oder Soja, genauso wie tierische Erzeugnisse als Abfallprodukt der Seifenherstellung aus Rinderknochen. Konventionell gewinnt man das Glycerin aber aus Erdöl. Unterschiede bezüglich seiner Eigenschaften durch die verschiedenen Arten der Gewinnung, kann man schwer nachvollziehen. Die Quellen werden auch nicht auf den Kosmetika deklariert. Was sich jedoch im Preis stark bemerkbar macht, sind die aufwendigen Reinigungs-und Aufbereitungsverfahren die zwingend notwendig sind um die pharmazeutische Arzneibuchqualität zu erzielen. Ebenso hochpreisig ist reines Bio-Glycerin, welches einige Hersteller von Naturkosmetik benutzen und dieses aus kontrolliert, biologischem Anbau stammt. Auch in unserer Nahrung findet sich unter der Abkürzung E 422 das Glycerin wieder. Außerdem in Kunststoffen, in Reinigungsprodukten wie Duschgel oder Shampoo, in Treibstoffen als Frostschutzzusatz u.v.m. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit kennen wir es als Anfrage von Kunden, die den Weihnachtsbaum mit zusätzlicher Feuchtigkeit versorgen möchten. Und das ist doch eine schöne Möglichkeit dem Kunden zu erklären was diese Substanz alles zu leisten vermag.

Was ihr als PTA wissen solltet

  • Glycerin ist als Rohstoff umfassend von der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie erforscht und gilt als gut verträglich
  • Glycerin ist eine körpereigene Substanz
  • Glycerin ist ein wichtiger und gut zu verarbeitender Rezepturbestandteil
  • Für die optimale Wirksamkeit ist die richtige Konzentration ausschlaggebend
  • Die Substanz kann zur Reinigung und zum Schutz des ganzen Körpers eingesetzt werden