Lieber Herr Prof. Göbel, wir freuen uns sehr, Sie erneut als Experten bei uns begrüßen zu dürfen. Spannungskopfschmerzen sind nicht nur die häufigste Kopfschmerzform, auch zählen sie zu den weitverbreitesten Erkrankungen des Menschen. Dementsprechend hoch ist auch die Nachfrage in der Apotheke, der meist 1. Anlaufstelle für unsere Kunden. Wir sind gespannt, mehr zu diesem interessanten Thema zu erfahren:

Wieviel Einfluss hat der Spannungskopfschmerz auf das Leben Betroffener?

Der Spannungskopfschmerz oder der Kopfschmerz vom Spannungstyp, wie er in der wissenschaftlichen Literatur genannt wird, ist mit Abstand die häufigste Kopfschmerzform und zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen. Er ist so häufig und wirkt daher so trivial, dass ihm seitens der Wissenschaft kaum Aufmerksamkeit geschenkt und er sowohl hinsichtlich der Erforschung als auch der Ausbildung von Ärzten weitgehend übersehen wurde. Trotz oder möglicherweise auch aufgrund der bisherigen wissenschaftlichen Skotomisierung hat diese Kopfschmerzerkrankung erhebliche Auswirkungen auf den Lebensablauf der Betroffenen und verursacht enorme soziale Kosten. Die Kosten entstehen durch medizinische Versorgung, durch direkte und indirekte Konsequenzen der Erkrankung, insbesondere durch reduzierte Arbeitsfähigkeit oder kompletten Ausfall der Arbeitsfähigkeit. In einer dänischen Studie wird geschätzt, dass der Arbeitszeitverlust durch die Migräne 270 Arbeitstage pro tausend Beschäftigte pro Jahr beträgt. Die entsprechende Zahl für den Kopfschmerz vom Spannungstyp ist erheblich größer, nämlich 920 Tage pro tausend Arbeitnehmer pro Jahr. 3% der deutschen Bevölkerung leidet an Kopfschmerz vom Spannungstyp an mehr als der Hälfte der Tage. Aus den verschiedenen internationalen epidemiologischen Studien zeigt sich, dass zwischen 40% und 90% der Bevölkerung an episodisch auftretendem Kopfschmerz vom Spannungstyp leidet. Der Kopfschmerz vom Spannungstyp stellt aufgrund der Häufigkeit das gravierendste Problem von allen Kopfschmerzerkrankungen dar.

Wie häufig treten Spannungskopfschmerzen auf?

Zur Häufigkeit von Kopfschmerzen liegen mittlerweile umfangreiche internationale und nationale Daten vor. Für Deutschland wurde die Lebenszeitprävalenz von Kopfschmerzen in einer umfangreichen repräsentativen Studie untersucht. Dabei zeigte sich, dass 71,4% der deutschen Bevölkerung angeben, zumindest zeitweise an Kopfschmerzen zu leiden. Nur 28,5% verneinten, dass Kopfschmerzen ein Gesundheitsproblem in ihrem Leben darstellen oder in der Vergangenheit darstellten. 27,5% erleiden im Laufe ihres Lebens Kopfschmerzattacken, die die Kriterien der Migräne erfüllen. 38,3% weisen Kopfschmerzen auf, die dem Phänotyp des Kopfschmerzes vom Spannungstyp entsprechen. 5,6% der Bevölkerung gibt Kopfschmerzen an, die nicht diesen beiden vorgenannten primären Kopfschmerzformen entsprechen. Die Häufigkeitsverteilung der analysierten Kopfschmerzdiagnosen zeigt, dass unter den Menschen, die angeben, an Kopfschmerzen zu leiden, bei 53,6% der Kopfschmerz vom Spannungstyp, bei 38,4% der Kopfschmerz vom Migränetyp und bei 7,9% andere Kopfschmerzen bestehen. Somit sind die zwei primären Kopfschmerzen

  • Migräne und
  • Kopfschmerz vom Spannungstyp

für über 92% aller Kopfschmerzleiden verantwortlich. Nur die Minderheit von rund 8% aller Kopfschmerzformen wird dagegen von einer Vielzahl seltener Kopfschmerzen bedingt. Die internationale Kopfschmerzklassifikation umfaßt 367 verschiedene Kopfschmerzhauptdiagnosen. Somit wird deutlich, dass der Behandlung der Migräne und des Kopfschmerzes vom Spannungstyp zentrale Aufmerksamkeit zukommt.

Welche Kopfschmerzformen treten auf?

Der sporadische episodische Kopfschmerz vom Spannungstyp charakterisiert sich durch wiederkehrende Kopfschmerzepisoden mit einer Dauer von Minuten bis Tagen. Der Schmerz ist typischerweise von drückender, beengender Qualität. Er erreicht eine leichte bis mäßige Intensität, ist beidseits lokalisiert und verstärkt sich nicht durch körperliche Routineaktivitäten. Es besteht keine begleitende Übelkeit. Photophobie oder Phonophobie, nicht jedoch beides, können vorhanden sein. Die Kopfschmerzhäufigkeit beträgt weniger als 12 Tage/Jahr.

Der gehäuft auftretende episodische Kopfschmerz vom Spannungstyp äußert sich durch wiederkehrende Kopfschmerzepisoden mit einer Dauer von Minuten bis Tagen. Der Schmerz ist typischerweise von drückender, beengender Qualität. Er erreicht eine leichte bis mäßige Intensität, ist beidseits lokalisiert und verstärkt sich nicht durch körperliche Routineaktivitäten. Es besteht keine begleitende Übelkeit. Photophobie oder Phonophobie können vorhanden sein, nicht jedoch beides. Die Zahl der Kopfschmerztage beträgt  mehr als 12 und weniger als 180 Tage/Jahr für wenigstens 3 Monate

Der chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp manifestiert sich durch wiederkehrende Kopfschmerzepisoden mit einer Dauer von Minuten bis Tagen. Der Schmerz ist typischerweise von drückender, beengender Qualität. Er erreicht eine leichte bis mäßige Intensität, ist beidseits lokalisiert und verstärkt sich nicht durch körperliche Routineaktivitäten. Es besteht keine begleitende Übelkeit. Photophobie oder Phonophobie, nicht jedoch beides, kann vorhanden sein. Die Kopfschmerzhäufigkeit beträgt 15 Tage/Monat oder mehr für wenigstens 3 Monate.

Wie grenzt man Migräne vom Spannungskopfschmerz ab?

Die Migräne ist eine chronische Kopfschmerzerkrankung, die sich durch Kopfschmerzattacken mit einer Dauer von 4 – 72 Stunden zeigt. Es werden 45 verschiedene Formen unterschieden. Kopfschmerzmerkmale sind einseitige Lokalisation, pulsierende Qualität, mittlere bis schwere Intensität und Verstärkung durch körperliche Aktivität. Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtüberempfindlichekeit. Die Migräneaura ist ein Komplex verschiedener neurologischer fokaler Symptome, welche vor oder zu Beginn der Kopfschmerzen eintreten können. Ca. 90% der Attacken treten ohne Aura auf. Ankündigungssymtome können Stunden bis Tage vor der Aura und den Kopfschmerzen auftreten. Sie schließen Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Nackensteifigkeit, sensorische Überempfindlichkeit, Blässe und Gähnen ein.

Im Gegensatz zur Migräne ist der Spannungkopfschmerz nicht pulsierend, verstärkt sich nicht bei körperlicher Aktivität. Ein ruhiger Spaziergang an der frischen Luft kann die Symptome reduzieren. Der Spannungskopfschmerz zeigt eine leichte bis mittlere Schmerzintensität, starke Übelkeit und Erbrechen fehlen ebenfalls. Eine zusätzliche Abgrenzung zur Migräne ist das Fehlen charakteristischer neurologischer Symptome, sog. Auren, wie z.B. Kribbelmissempfindungen oder Zickzack-Sehen.

Spannungskopfschmerz kann durch Depressionen, Angst und Stress unterhalten und verstärkt werden. Bei chronischen Verläufen treten solche Beschwerden meist zusammen mit den Kopfschmerzen auf.

Etwa die Hälfte der Migränepatienten kennt auch Spannungskopfschmerzen. Betroffene müssen daher genau unterscheiden, welche Kopfschmerzform aktuell vorliegt. Sie werden unterschiedlich behandelt. Am besten hilft für die Differenzierung: Migräne verstärkt sich bei körperlicher Aktivität, Spannungskopfschmerz nicht. Bei Migräne kann Übelkeit, Erbrechen und starke Lärm und Lichtempfindlichkeit bestehen. Bei Spannungskopfschmerz besteht kein Erbrechen. Leichte Lärm und Lichtempfindlichkeit können bestehen.

Welche Auswirkungen können Spannungskopfschmerzen bedingen?

Kopfschmerzen führen zu einer ausgeprägten Behinderung. Während Migräne bei 1.000 Arbeitnehmern zu einem jährlichen Ausfall von 270 Tagen pro Jahr führt, werden durch Kopfschmerz vom Spannungstyp bei 1.000 Arbeitnehmern 920 Arbeitstage pro Jahr vernichtet. Die individuellen und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Kopfschmerzen wurden in der Vergangenheit gravierend unterschätzt.

Wie entstehen Spannungskopfschmerzen?

Der episodische Kopfschmerz vom Spannungstyp kann bei Vorliegen der ätiologischen Faktoren bei sonst völlig gesunden Menschen auftreten. Die Kopfschmerzepisode ist dabei Ausdruck einer zeitweisen Störung der normalen Schmerzwahrnehmung und deren zentraler Kontrollmechanismen aufgrund vorübergehender unphysiologischer Beanspruchung. Initial scheint dabei ein erhöhter peripherer nozizeptiver Imput aus überanspruchten pericranialen Muskeln, z.B. bei übermäßiger Belastung oder mangelnden Ruhephasen, verantwortlich zu sein. Psychische Faktoren können dabei entweder zu einer erhöhten Muskelanspannung beitragen oder durch eine Sensibilisierung peripherer und zentraler nozizeptiver Mechanismen die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Kommen Reparaturmechanismen nicht zum Tragen, wird eine zunehmende Dauersensibilisierung im myofascialen Gewebe induziert. Die erhöhte Aktivierung kann zu einer konstanten Langzeitaktivierung nozizeptiver Neurone und zu einer permamenten Blockierung inhibitorischer antinozizeptiver Mechanismen führen. Eine Daueraktivierung zentraler nozizeptiver Neurone kann einen chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp bedingen. Periphere und zentrale sensorische als auch motorische Mechanismen können somit im Einzelfall mit völlig unterschiedlicher Gewichtung das chronische Kopfschmerzgeschehen bedingen. Andauernde Schmerzen können zu einem Schmerzgedächtnis führen. Das bedeutet, dass Schmerz stärker und häufiger wird. Zudem breitet er sich räumlich aus. Wir sprechen von einer Schmerz-Chronifizierung.

Welche physikalische Therapieansätze gibt es gegen Spannungskopfschmerzen?

Es gibt zahlreiche physikalische Therapieansätze für Patienten mit Kopfschmerz vom Spannungstyp, die häufig zur Anwendung kommen und dennoch sehr unzureichend auf ihre Effektivität untersucht sind, so dass die Erkenntnislage insgesamt sehr unübersichtlich ist. Ein vorrangiges Ziel physikalischer Behandlungen beim Kopfschmerz vom Spannungstyp ist die Vermeidung und der Abbau mechanischer Fehlbelastungen und muskulären Stresses, insbesondere im Bereich der perikranialen Muskulatur. Der Patient soll lernen, Störungen im Bereich der mechanischen Regulation zu verhindern und so Kopfschmerzen vorzubeugen. Hierzu leisten sporttherapeutische Angebote, Aufklärung durch Schulungen und gezielte Übungen zur Vermeidung unphysiologischer Haltungen beim Stehen, Sitzen, Gehen und Tragen wichtige Beiträge. Neben solchen präventiven Angeboten gibt es aktiv-therapeutische Maßnahmen im Rahmen der Physiotherapie, um pathophysiologische Prozesse im Bereich der Muskulatur positiv zu beeinflussen. Zu diesen gehören isometrische Übungen, Bewegungsübungen (Halswirbelsäulengymnastik) sowie Massagetechniken.

Thermotherapeutische Anwendungen (u.a. mit feuchtheißen Kompressen, Fangopackungen, heiße Rolle, Rotlicht u.ä.) sollen zusätzlich entlastende und entspannende Beiträge leisten: Durch das Einsetzen lokaler Wärme soll eine lokale Hyperämie im entsprechenden Areal ausgelöst werden. Man verspricht sich davon ein erhöhtes Angebot an Sauerstoff und einen schnelleren Abbau von Stoffwechselmetaboliten im Bereich des überbeanspruchten Muskels. Zudem soll eine verbesserte arterielle und venöse Blutströmung ermöglicht werden und auch eine Normalisierung des Lymphstroms bewirkt werden. Gleichzeitig wird der Muskeltonus reduziert und die Schmerzempfindlichkeit vermindert.

Weitere physikalische Effekte können erzeugt werden durch lokale Elektrotherapie und durch die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Durch diese Maßnahmen kann der Patient in vielen Fällen selbstständig auch in Akutsituationen ohne Einsatz von Medikamenten eine Schmerzlinderung erzielen. Über die Beeinflussung des körpereigenen antinozizeptiven Systems führen diese Verfahren zu einer Reduktion der afferenten Schmerzinformation. Auf ähnliche Wirkmechanismen zielt der Einsatz verschiedener Akupunkturtechniken.

Einen nennenswerten Stellenwert hat auch die Therapie bei oromandibulärer Dysfunktion, welche insbesondere bei Patienten mit chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp häufig zu finden ist. Hier stehen krankengymnastische Übungen im Vordergrund, welche den Patienten befähigen, bewusst Bewegungen des Kiefers wahrzunehmen und aktiv auf die mechanischen Vorgänge Einfluss zu nehmen.

Welche verhaltensmedizinische Verfahren gibt es?

Während die physiotherapeutischen Maßnahmen allgemein in ihrer Wirksamkeit nicht fundiert belegt sind, konnte für verschiedene psychotherapeutische, insbesondere verhaltenstherapeutische Behandlungsformen signifikante positive Effekte nachgewiesen werden. Diese Therapieansätze fokussieren die Bedeutung von Lernprozessen für die Entwicklung, die Aufrechterhaltung und auch die Modifikation der Schmerzerkrankung. Aus diesbezüglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten sich notwendige und ebenso vielversprechende Ansatzpunkte für die Therapie ab, auf deren Grundlage in der Schmerzbehandlung dann verschiedene Therapiebausteine kombiniert werden. Diese verfolgen die übergeordneten Ziele, dysfunktionale Kognitionen zu identifizieren und zu verändern, die psychophysische Aktivierung durch Stressoren zu verringern und die Patienten zu befähigen, ihre Gesundheit trotz vorhandener Beschwerden zu fördern, aktiver zu werden, weniger beeinträchtigt zu sein sowie Genuss und Lebensfreude zu finden.

Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson ist ein in der Kopfschmerztherapie bewährtes und sehr effektives Entspannungsverfahren, welches beim Kopfschmerz vom Spannungstyp sowohl in der Akutbehandlung als auch zur Prophylaxe angewandt wird. Es werden systematisch alle Bereiche der Skelettmuskulatur angespannt und wieder entspannt. Auf diese Weise wird eine Sensitivierung für Anspannung und eine aktive Entspannung der Muskulatur erreicht. Selbstlernkurse gibt es in der Migräne-App oder über www.neuro-media.de

Das Biofeedback kann eine sinnvolle Ergänzung einerseits zur PMR, andererseits aber auch zu den kognitiven Methoden in der Schmerztherapie sein. Biofeedback ist ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren der Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin, bei dem computergestützt normalerweise automatisch und unbewusst ablaufende psychophysiologische Prozesse (z.B. Herzfrequenz, Schweißdrüsenaktivität oder Muskelaktivität) durch eine direkte akustische oder visuelle Rückmeldung wahrnehmbar gemacht werden. So sieht der Patient beispielsweise auf dem Bildschirm eigene Körperfunktionen dargestellt, die seiner unmittelbaren Wahrnehmung normalerweise nicht zugänglich sind . Diese Körpervorgänge können über deren technisch nun mögliche und genaue Wahrnehmung ganz gezielt beeinflusst und ihre Regulation erlernt werden. Der Patient soll lernen, diese Parameter in eine gewünschte Richtung zu verändern und bekommt eine regelmäßige Rückmeldung über den Erfolg seiner Bemühungen. Auf diese Weise werden die Entspannungsfähigkeit und die Körperwahrnehmung verbessert und der Patient kann über diese konditionierte Veränderung der physiologischen Parameter Einfluss auf das Schmerzgeschehen ausüben.

Das Kopfschmerzbewältigungstraining ist ein in erster Linie psychoedukatives Programm, welches nach Möglichkeit im Gruppensetting durchgeführt werden sollte. Die Patienten lernen im gegenseitigen Austausch und mit gegenseitiger Unterstützung Techniken kennen, die es ihnen ermöglichen sollen, Bewältigungsstrategien und -kompetenzen zu entwickeln, um adäquat mit den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen sowie den Folgen der Kopfschmerzerkrankung umgehen zu können. Ziel ist der Aufbau von Selbstkompetenz und die Entwicklung von Attributionsmustern, die sich positiv sowohl auf den Behandlungserfolg als auch auf die Lebensqualität des Patienten auswirken. Inhaltlich setzt sich das Training aus verschiedenen Themenbereichen zusammen: Die Patienten lernen neben rein informativen Inhalten zum Krankheitsbild verhaltenstherapeutische Interventionsmethoden zur Stressbewältigung, zum Problemlösen, zum kognitiven Umstrukturieren und zum Erlernen sozialer Kompetenzen kennen. Beim Patienten erhöht sich das Gefühl der Kompetenz und Selbsteffektivität. Er wird damit in die Lage gebracht, aus der passiven Opferrolle auszusteigen und sein Aktivitätsniveau zu steigern.

Kopfschmerzpatienten können in der Regel psychosoziale Einflussfaktoren auf ihre Kopfschmerzerkrankung gut benennen. Dennoch ist es für die Patienten häufig schwer, sich auf die psychotherapeutischen Behandlungsverfahren einzulassen. Dies ist nicht verwunderlich, da sich das Leiden ja deutlich von der körperlichen Seite bemerkbar macht und die Patienten entsprechend auch nach körperlichen Ursachen des Symptoms suchen. Die kritische Haltung gegenüber psychologischen Therapiebausteinen wird dadurch bestärkt, dass diese Art der Behandlung durch die Medizin oft erst nach Ausschluss organischer Ursachen in Erwägung gezogen wird, so dass der Patient leicht den Schluss zieht, er werde aufgrund fehlender medizinischer Befunde verdächtigt, sich den Schmerz nur „einzubilden“ oder gar zu simulieren und fühlt sich „in die Psychoecke abgeschoben“. Daher ist das erste Ziel zunächst in der Motivierung des Patienten zu sehen. Hierzu sind Einzelinterventionen unabdingbar, um den einzelnen Patienten in seinem subjektiven (Schmerz-) Erleben ernst zu nehmen. In diesem Zusammenhang hat sich die gemeinsame Erarbeitung eines individuellen, biopsychosozialen Krankheitsmodells bewährt, welches psychosomatische und somatopsychische Wechselwirkungen am persönlichen Schmerzerleben und im individuellen Lebenskontext plausibel macht. Wichtig ist auch die Entwicklung eines Aktivitäts- und Verstärkerplanes, der die Lebensqualität und –zufriedenheit fördert. Dazu gehört auch die Fähigkeit, adäquat mit den Energien zu haushalten, ein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und diese auch sozial verträglich vor anderen vertreten bzw. durchsetzen zu können.

Falls der Patient begleitend ein psychisches Störungsbild, wie etwa eine Depression oder Angststörung, aufweist, gilt dieses als aggravierender Faktor und muss ebenfalls in die Behandlung einbezogen werden. Dies gilt auch für bestimmte Persönlichkeitsänderungen, die eine Schmerzerkrankung aufrechterhalten können.

Lieber Herr Prof.Göbel, wir danken Ihnen für Ihre ausführlichen Erkenntnisse. Wir wünschen Ihnen alles Gute und weiterhin so viel Einsatz und Empathie im Bereich der Schmerzdiagnostik und -behandlung.