Arzneimittelrückstände belasten Gewässer, deren Bewohner und das Grundwasser. Diese Stoffe aus dem Wasser zu filtern, ist leider kaum möglich – bisher. Die Arbeitsgemeinschaft Organische und Ökologische Chemie der Universität Koblenz-Landau arbeitet zusammen mit dem Chemieunternehmen abcr GmbH mit Sitz in Karlsruhe seit zweieinhalb Jahren an einem Projekt mit Namen „Wasser 3.0 – StressFix“. Ziel des Projektes ist die Entfernung von organischen und anorganischen toxischen Verunreinigungen zur Verbesserung der Wasserqualität. Wir sprachen mit Professorin Katrin Schuhen von der Universität Koblenz-Landau über die Ziele dieser Arbeit.

Professor Schuhen, wie kommen die Arzneimittelrückstände ins Wasser?

Ganz einfach: Sie werden vom Körper ausgeschieden und gelangen über das Abwasser in den Wasserkreislauf. Das kommt daher, dass Arzneimittel oftmals vom Körper nicht vollständig abgebaut werden können, weil ihre Wirk- und Abbaumechanismen individuell personenbezogen ablaufen. Oftmals verlassen bis zu 70% der Dosis unverändert den Körper, wie zum Beispiel im Fall des Wirkstoffs Diclofenac. Hinzu kommen abgelaufene Medikamente, die nicht zur Apotheke zurückgebracht, sondern beispielsweise über die Toilette entsorgt werden.

Werden die Rückstände nicht in den Kläranlagen entfernt?

Nein, die Kläranlagen können das bei der Vielzahl chemischer Verbindungen derzeit nicht leisten. Tatsächlich kann es sogar passieren, dass die Rückstände mit den Chemikalien der Kläranlagen neue Verbindungen eingehen, die toxisch wirken oder die Kläranlage in der gleichen chemischen Form, nur in niedrigeren Konzentrationen verlassen.

Welche Folgen hat die Belastung des Wassers mit Medikamentenrückständen?

In stark belasteten Gewässern wurden Veränderungen an den dort lebenden Fischen festgestellt. In Gewässern, in denen beispielsweise relevante Mengen Diclofenac nachweisbar sind, bekommen die Fische Nierenschäden. Auch im Trinkwasser sind Spurenmengen der Medikamentenwirkstoffe nachweisbar.

Besteht ein Risiko für Menschen?

Welche Folgen ein solcher Eingriff in das Ökosystem für die Menschen hat, lässt sich leider nur in der Rückschau feststellen, die aktuelle Belastung ist nicht eindeutig feststellbar. Bei Trinkwasseruntersuchungen beispielsweise findet man oftmals nur das, was man sucht und was die Richtlinien vorgeben. Die analytischen Verfahren sind oftmals nicht ausgereift genug, um alle möglichen Schadstoffarten zu detektieren – denken Sie nur an die Vielzahl organisch-chemischer Verbindungen, Schwermetalle, Mikroplastik und so weiter. Sobald jedoch andere Lebewesen durch die sogenannten anthropogenen, also vom Menschen gemachten, Einträge beeinflusst werden, sind direkte Folgen für den Menschen ebenfalls nicht auszuschließen.

Was kann man tun?

Die Pharmaindustrie arbeitet seit längerem an Stoffen, die vom Körper besser aufgenommen werden können, um den Wirkstoffeintrag in das Ökosystem zu verringern. Aber wir wollen schneller und direkter helfen. Deswegen gibt es unser Projekt Wasser 3.0- StressFix, mit dem wir derzeit bei den GreenTec-Awards 2015 teilnehmen.

Was ist das für ein Projekt?

„Wasser 3.0 – Stressfix“ ist unser Name für einen neuartigen Stoff, der es ermöglicht, unerwünschte organische Stoffe aus dem Wasser zu filtern. Die große Herausforderung dabei war es tatsächlich, nur bestimmte Verbindungen zu filtern und Mineralien etc. im Wasser zu belassen. Wir wollen ja kein destilliertes Wasser hinterlassen.

Wie funktioniert das?

Durch den Einsatz von innovativen Hybridmaterialien erfolgt eine Fixierung der unerwünschten Spurenstoffe bereits kurz nach Eintritt in den Wasserkreislauf oder alternativ als Endreinigungsstufe in der Kläranlage. Stressfix bedeutet konkret, dass wir mit unserem Stoff sogenannte „Stressoren“, also toxische Substanzen, fixieren. Unser Stoff und die Stressoren gehen eine chemische Verbindung ein, so dass die unerwünschten Stoffe nicht mehr von Lebewesen aufgenommen werden können.

Wie ist sichergestellt, dass nur Stoffe gefiltert werden, die auch gefiltert werden sollen – und nicht beispielsweise Kleinstlebewesen aus dem Wasser entfernt werden?

Der Stoff wird in der Kläranlage eingesetzt und dort durch den vorhandenen pH-Wert aktiviert.

Was passiert dann mit der neuen Verbindung?

Die neue Verbindung kann einfach rückstandslos verbrannt werden und beispielsweise zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Derzeit wird aber auch eine weitere Möglichkeit getestet, die neue, ökotoxikologisch unbedenkliche Verbindung, in das Ökosystem zurückzuführen.

Klingt fast zu gut, um wahr zu sein.

Das Verfahren ist revolutionär, so etwas hat es noch nicht gegeben – wir versprechen uns tatsächlich einiges davon!

Wir wünschen viel Erfolg!

(Hinweis der Redaktion: Die Online-Abstimmung für die Green-Tec-Awards läuft noch bis zum 11.01.2015. Hier kann für Wasser 3.0 – StressFix abgestimmt werden.)