Narben brauchen mehr als Cremes: PTA Jan Sajfutdinow erläutert die wichtigsten Grundsätze der Pflege und Versorgung.

Was können wir vor Ort in der Apotheke tun und dem Patienten raten, um seine Narbe erfolgreich behandeln zu können? Oft genug verlassen die Patienten die Krankenhäuser oder die Arztpraxen, ohne jemals von einer Narbenprophylaxe gehört zu haben. Um Narben effektiv und nachhaltig behandeln zu können reicht es nicht, täglich eine Creme auf die betroffenen Stellen aufzutragen und der Narbe den Rest zu überlassen. Viel wichtiger ist die Massage des betroffenen Gewebes, um es elastisch und weich zu halten. Das primäre Ziel einer Narbenbehandlung ist, dass das Gewebe geschmeidig und belastbar wird und somit Funktionseinschränkungen wie z.B. verminderte Bewegungsfreiheit vermieden werden. Neben dem funktionserhaltenden Ziel steht natürlich auch der ästhetische Aspekt im Vordergrund. Oft leiden Betroffene mehr an der entstellten Ästhetik, als an Juckreiz oder Schmerzen.

Heilung per secundam – Wundheilung mit Narbenbildung

Die Hauptrolle bei der Bildung von Narben spielen die Fibroblasten. Die Aktivität der Fibroblasten wird durch Zytokine und Wachstumsfaktoren (TGF-beta)gesteuert, die aus Zellen der epidermalen Keratinozyten stammen. Keratin (Hornsubstanz) ist ein unverdauliches Protein mit hoher Festigkeit und Beständigkeit.
Nach oberflächlichen Hautverletzungen teilen sich die Zellen in der Basalzellschicht der Epidermis, wandern vom Wundrand zur Mitte und überziehen die Wunde mit Keratinozyten. Nach Erneuerung der Haut unter dem Wundschorf löst sich die Kruste und das rosafarbene Epithel fügt sich in die bestehende Epidermis ein.

Wenn die Basalzellschicht zerstört ist (bei tiefer Schädigung des Gewebes), können sich jedoch keine neuen Epidermiszellen mehr bilden. Fibroblasten füllen den Defekt mit faserreichem Bindegewebe auf, das viel Kollagen enthält, komplex verflochten ist und sich im weiteren Heilungsverlauf strafft. Je länger dies dauert, desto auffälliger ist die Narbenbildung.
Jedes Narbengewebe ist anfangs rötlich gefärbt, da noch viele Blutgefäße enthalten sind. Im laufe der Zeit bilden sich die Blutgefäße zurück und es wandern Melanozyten in das Gewebe ein, wodurch sich die Narbe dem Hautniveau anpasst. Im weiteren Verlauf ordnen sich die Kollagenfasern parallel an und vermehren sich, wodurch die Stabilität abnimmt.

Arten von Narben

  • Fibröse Narben haben ein unauffälliges Erscheinungsbild. Sie sind weder verdickt noch eingezogen.
  • Sklerotische Narben besitzen hartes und unelastisches Narbengewebe, spannen sehr stark und können im Laufe der Zeit schrumpfen.
  • Atrophe Narben sehen grübchenartig aus, da sich während der Wundheilung zu wenig Bindegewebsfasern gebildet haben (z.B. bei Akne oder Windpocken).
  • Hyperthrophe Narben entstehen durch übermäßige Bildung von ungeordneten Kollagenfasern und wuchern direkt im Bereich der Wunde mit häufigem Juckreiz. Sie können mit der Zeit schrumpfen aber sich auch spontan zurückbilden (z.B. nach Verbrennung, Operation und Hautentzündungen).
  • Keloide sind Narben, die durch überschießende Produktion an Bindegewebsfasern entstehen und sich somit über die Narbengrenze hinaus bilden können. Die Fibroblasten der Keloide produzieren durch den Wachstumsfaktor TGF-beta bis zu 12 mal mehr Kollagen als normale Fibroblasten. Keloide sind vererbbar, operativ nicht entfernbar (Rezidivrate 45-100%) , vor allem sind Menschen mit dunkler Hautfarbe, aber auch blonde und rothaarige Menschen betroffen. Insbesondere Kinder, Jugendliche und Frauen (doppelt bis dreimal so häufig wie Männer) leiden unter vermehrter Keloidbildung. Die Narben bleiben ein leben lang bestehen und bilden sich an Körperstellen, an denen die Haut Spannungen ausgesetzt ist (z.B. Schulter, Rücken, Brustbein, Sternum, Nacken, Gesicht).

Tipps für die Narbenbehandlung im Apothekenalltag

Die beste Narbentherapie ist die Prophylaxe. Der Patient sollte einige allgemeine Faktoren beachten, damit keine gestörte Wundheilung und daraus resultierende Narbenhyperthrophie entsteht. So sollte er frische Narben nur mit lauwarmen, klarem Wasser ohne Seife oder sonstige Zusätze reinigen, den Wundschorf nicht entfernen, starke Temperaturreizungen wie Sauna, Solarium, heiß duschen/baden sowie Sonneneinstrahlung meiden, keine zu enge Kleidung tragen, frische Narben bei Sport und Bewegung nicht belasten und das Gewebe mit Cremes und Massagen geschmeidig halten.

Massage

Die Massage dient der Normalisierung der Durchblutung, Dehnung und Abhärtung des Narbengewebes, Verbesserung der Beweglichkeit der Gewebsschichten untereinander, Erhaltung der freien Beweglichkeit der Gelenke und Linderung von Juckreiz und Schmerz. Je nach Narbenart empfehlen sich verschiedene Massagetechniken. Scheuen Sie sich nicht davor den Patienten zu fragen, wie die Narbe aussieht. Im besten Fall zeigt er sie Ihnen sogar. Bei kleinflächigen Narben kann der Patient sich selbst behandeln, bei großflächigen Narben oder an unzugänglichen Stellen können Sie ihn z.B. an eine in Narbenbehandlung geschulte Physiotherapie verweisen oder dem Partner ein paar Griffe erläutern.

Strichnarben

  • Schubgriff in Längsrichtung: Beide Seiten der Narbe werden im Wechsel behandelt, indem man jeweils eine Seite nach oben schiebt und danach wieder loslässt.
  • Querdrückung: Die Narbe wird von beiden Seiten nach innen gedrückt.
  • Längsverschiebung durch entgegengesetzten Druck der Daumen: Die Narbe wird von beiden Seiten mit dem Daumen nach innen gedrückt und anschließend nach oben bzw. unten gezogen.
  • Anhakstriche: Der Daumen liegt an einer Seite der Narbe. Währenddessen wird die Narbe von der anderen Seite in Richtung des Daumens gedrückt.
  • Daumenknetung: Der Daumen liegt an der Narbe an und wird entweder in einer Richtung gedreht, oder die Narbe wird im Richtungswechsel behandelt.

Flächennarben
Bei großflächigen Narben liegt eine Hand auf der Narbe auf und fixiert diese. Die andere Hand knetet und verschiebt das Gewebe um die Narbe herum.

Andere Therapiemaßnahmen

Narbengele-/Salben
Eingesetzt werden Wirkstoffe wie asiatisches Wassernabelkraut, Harnstoff, Campher, Vitamin E, Linolsäure, Dexpanthenol, Zwiebelexktrakt, Heparin, Allantoin und Silikon. Der Patient ist auf die langfristige, mehrmonatige Applikation der Narbenexterna gut hinzuweisen, insbesondere bedarf es der Mitarbeit seinerseits, um befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Bei Non-Compliance wird auch kein Therapieerfolg eintreten.
Die Gele und Salben werden erst nach vollständiger Heilung der Wunde aufgetragen (ca. nach 14 Tagen), anfangs nur vorsichtig einmassiert und je nach zunehmender Festigkeit des Gewebes mit höherem Druck und Intensität einmassiert.

Camouflage
Camouflage ist ein Make-up mit 40-55% Pigmentdichte und besteht aus Wachsen mit relativ hohem Schmelzpunkt. Die Farben lassen sich sehr gut dem optimalen Hautton anpassen und mischen. Nach dem Auftragen des Make-ups wird ein spezieller Puder aufgetragen um das Camouflage wasserfest zu machen, welches anschließend bis zu 16 Stunden hält.

Glucocorticoide
Eingesetzt werden Glucocorticoide wie 10%ige Triamcinolonacetonid-Kristallsuspensionen vor allem bei hypertrophen Narben. Die Flüssigkeit wird so lange in das Narbengewebe gespritzt, bis es sich weiß verfärbt. Das Steroid hemmt die Kollagensynthese, baut Kollagen ab und bringt die Wucherung zum Schrumpfen, da der Kollagenaseinhibitor α-Globulin gehemmt wird. Die Behandlung kann zu starken Schmerzen führen, dennoch wird kein Lokalanästhetikum beigemischt, da die Wirkung des Cortisons abnehmen und sich die Wirkdauer verkürzen kann.

Kryotherapie
Eingesetzt wird die Kryotherapie vor allem bei Keloiden und hypertrophen Narben, die noch im Anfangsstadium sind. Die Behandlung wird mit flüssigem Stickstoff bei einer Temperatur von-196 °C für 20- 30 Sekunden alle 4- 6 Wochen durchgeführt. Durch das Einfrieren kommt es zur plötzlichen oberflächlichen Thrombosebildung im Narbengewebe, wodurch die Durchblutung gestoppt wird. Als Folge entstehen Blasen auf dem Gewebe, die absterben und nach dem vollständigen Auftauen abgelöst werden.

Krompessionsverbände
Bei großflächigen Verletzungen, z.B. Verbrennungen, kann das Narbengewebe durch Druck zurückgebildet werden. Als Verband dienen elastische Binden und spezielle Kleidung, z.B. Kompressionsanzüge oder Kunststoffmasken, die 6- 12 Monate ganztätig getragen werden müssen um einen konstanten Druck aufrechtzuerhalten (20-30 mmHg, seltener 40 mmHg). Nach der Behandlung ist eine entsprechende Narbenmassage wichtig.

Was ihr als PTA wissen solltet

  • Die beste Therapie ist die rechtzeitige Prophylaxe
  • Frische Narben nicht mechanisch belasten, starke Temperaturschwankungen meiden
  • Das bloße Auftragen einer Salbe lässt die Narbe nicht schrumpfen
  • Je nach Narbenart sind spezielle Massagen empfehlenswert
  • Der Patient sollte auf die sehr langfristige Therapie hingewiesen werden, damit ein positiver Behandlungserfolg erzielt werden kann

Quellen

  • Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Drs. h. c. Ernst Mutschler; Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Gerd Geisslinger; Professor Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer; Professor Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Peter Ruth, Professor Dr. phil. Nat. Monika Schäfer-Korting; Mutschler Arzneimittelnebenwirkungen, Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Deutschland, Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2008
  • Seite 734; 9.2 Krankheitssymptome an der Haut, Tabelle B 9.2-1.
  • Seite 1101; Keloid