Sackgasse oder Sprungbrett?
„Billige Arbeitskräfte ohne Aufstiegschancen“ vs. „Keine Aufstiegschancen, was ein Quatsch“: Die Diskussion der PTAdigital-Facebook-Community wurde mit klaren Worten geführt. Die Kommentare waren eine Reaktion auf diesen Artikel unserer Gast-Autorin Peggy Hunger und veranlassten uns zu einer weiterführenden Recherche über die Möglichkeiten und Grenzen des Berufs.
Der schonungslose Blick
Es gibt scheinbar drei Gruppen von PTA: Die erste Gruppe fühlt sich uneingeschränkt wohl zwischen Rezepturen, Warenwirtschaft und Beratungen, und möchte auch gar nichts anderes machen. Die zweite Gruppe schätzt ihren abwechslungsreichen Beruf sehr und sieht ihn als Einstieg in eine Berufswelt, die vielfältige Veränderungsmöglichkeiten bietet. Die dritte Gruppe aber scheint frustriert von herausfordernden Arbeitsbedingungen, mangelnder Anerkennung und mäßiger Bezahlung. Das Wort von der „Sackgasse PTA“ macht die Runde. Dieses Bild vermittelt sich aus einigen Kommentaren auf der PTAdigital-Facebook-Seite und durch Forenbeiträge und Posts an anderen Stellen im Netz.
Tatsächlich stellt sich die Situation nicht einfach dar. „Im Vergleich zu anderen Jobs kann der PTA-Beruf durchaus als Sackgasse wahrgenommen werden, da das Berufsbild einfach keine Karriere vorsieht“ erklärt Carsten Semsch unumwunden. Er ist Inhaber von Semedi, einem Anbieter medizinischer Fortbildungen für Apotheken, Zahn- und Allgemeinmediziner und betreut regelmäßig Weiterbildungsseminare, beispielsweise zur Homöopathie-PTA. „Für Zahnarzthelfer gibt es gesetzlich definierte Weiterbildungsmöglichkeiten beispielsweise in Richtung Dentalhygiene oder Verwaltungsassistenz. Für PTA ist so etwas nicht vorgesehen und wird auch nicht unterstützt – PTA bekommen beispielsweise kein Meister-Bafög oder ähnliches.“
Cynthia Milz, Apothekerin und Vorstandsmitglied der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Zusatzqualifikation ersetzen kein akademisches Studium, insofern gibt es schon eine Grenze nach oben.“
Trotzdem sind sich alle unsere Ansprechpartner einig: Weiterbildungs- und somit Aufstiegschancen, sind vielfältig gegeben. „Von Sackgasse kann keine Rede sein“ sagt Peggy Hunger, die selbst PTA in einer öffentlichen Apotheke in Chemnitz ist. „Es gibt viele Wege aus der Apotheke in die Industrie, zu Krankenkassen, an Schulen, etc. Und auch in der Apotheke kann man sich verändern – aber klar, es ist nicht immer einfach. Die Fortbildung findet neben dem Beruf statt und ist teuer.“
„Die PTA muss wissen, was sie will!“ bestätigt Maragreta Ewers, die Inhaberin des Weiterbildungsinstitutes für PTA (wipta) aus Saarbrücken. „Das Ziel einer PTA Fortbildung kann nicht sein, Apotheker ‚light‘ auszubilden. Aber es gibt viele Bereiche, in denen PTA sich in der Apotheke spezialisieren können um dort mehr Verantwortung zu übernehmen. Klassische Beispiele sind die Kosmetik oder die Dermopharmazie – das sind zudem Bereiche, die für die Apotheke hochprofitabel sein können – und eine gut ausgebildete PTA kann problemlos das Tagesgeschäft einer Apotheke managen, so dass die Apotheker sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Manche Fortbildung, beispielsweise Ernährungsberatung, kann auch ein Weg in die Selbstständigkeit sein.“ Margareta Ewers weiß genau, wovon sie spricht: Bevor sie das wipta gründete, war sie selbst PTA in einer Apotheke.
„PTA in der öffentlichen Apotheke und in der Krankenhausapotheke sehen sehr genau den praktischen Nutzen der Zusatzqualifikationen“ so Cynthia Milz von der BLAK. „Unsere Angebote sind an der öffentlichen Apotheke orientiert und vermitteln hier Kompetenzen.“
Zwischenfazit
Die Fortbildungsmöglichkeiten aus einer Apotheke heraus sind mit Eigeninitiative verbunden, aber vielfältig. Manche ermöglichen sogar den Sprung in die Selbstständigkeit. Ein weiteres interessantes Modell ist das nebenberufliche Fernstudium. Sowohl Pharmazie, als auch Gesundheitspädagogik oder Gesundheitsökonomie sind Studiengänge, zu denen PTA mit ausreichender Berufserfahrung sogar ohne Abitur zugelassen werden können.
Wege in die Industrie
Der Gesundheitssektor boomt beständig und auch hier werden PTA gerne eingesetzt. Dies kann eine Möglichkeit sein, beliebte Bereiche des Berufsbildes zu vertiefen oder unbeliebte zu umgehen. „Wer vor allem den technischen Aspekt seines Berufs schätzt, könnte in den Laboren der pharmazeutischen Industrie gut aufgehoben sein – Kundenkontakt entfällt dort völlig. Für mich wäre das aber nichts“ gibt Peggy Hunger bereitwillig Auskunft. „Als Referent zu Schulungen in die Apotheken zu kommen, das könnte ich mir vorstellen – allerdings gehört zum Außendienst auch eine verkaufsorientierte Denke und die Bereitschaft, viel Auto zu fahren.“
„Außendienst, klar“ bestätigt auch Carsten Semsch „Und im Rahmen unserer Weiterbildungen für PTA besuchen wir auch Pharmahersteller, wo man sehr oft ausgebildete PTA als Abteilungs- oder Gruppenleiter antreffen kann.“
Peggy Hunger ergänzt: „PTA haben auch die Möglichkeit, bei einer Krankenkasse anzufangen. Da allerdings viele PTA aufgrund von Rabattverträgen, Festbetragsgrenzen und ungerechtfertigter Retaxationen schlecht auf Krankenkassen zu sprechen sind, sind es vielleicht nicht sehr viele, die sich bei einer Krankenkasse bewerben möchten.“
Es sind nicht viele
Der Mangel an PTA dürfte zukünftig nicht nur Krankenkassen treffen: Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für diese Ausbildung. Dabei, so sind sich unsere Ansprechpartner einig, kommt eine Mischung aus demografischen und wirtschaftlichen Faktoren zum Tragen: Während die Zahl der Geburten konstant abnimmt, kommt gerade in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands noch eine Abwanderung in die wirtschaftlich stärkeren Regionen hinzu. Vor diesem Hintergrund konkurriert die Ausbildung mit anderen Berufsbildern, bei denen eine bezahlte duale Ausbildung möglich ist und die auch nach der Ausbildung zum Teil besser bezahlt werden.
„Man muss sich überlegen, wie man die Kosten für die Ausbildung den jungen Menschen abnehmen kann“, so Cynthia Milz. „Und: wenn der Verdienst nach der Ausbildung attraktiver wäre, wären junge Menschen auch bereit, in die Ausbildung zu investieren.“
Margareta Ewers sieht auch die Apotheker in der Pflicht: „Es muss eine größere Bereitschaft seitens der Apotheker geben, Wissen und Verantwortung zu teilen und Weiterbildung zu fördern. Ich glaube, hier wird es in den nächsten Jahren vielerorts zu einem Umdenken kommen.“
„Die Kompetenzen müssten erhöht werden“ findet auch Carsten Semsch von Semedi. „In der ehemaligen DDR gab es den Pharmazieingenieur, dieses Berufsbild könnte als Vorbild dienen.“
Peggy Hunger wünscht sich ebenfalls eine duale Ausbildung, diese dann auch gerne über drei Jahre.
Ideen, mit denen unsere Ansprechpartner nicht allein sind: Eine Novellierung des PTA Berufes, um dem zukünftigen Mangel entgegenzuwirken, wird an vielen Orten diskutiert. Ob und wann es zu einer substanziellen Änderung kommt, ist derzeit völlig offen.
Gute Aussichten
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, aus dem Beruf heraus Fort- und Weiterbildung zu betreiben oder sich insgesamt beruflich zu verändern. Wer mit dem PTA-Beruf unzufrieden oder nicht ausgelastet ist, kann Veränderung bewusst anstreben. Dafür bietet der Beruf eine sehr gute Basis.
Cynthia Milz bekräftigt: „Die Weiterbildungen zahlen sich in jedem Fall aus. Zusatzqualifikationen vermitteln mehr Kompetenz, oft bekommen PTA in einem Bereich mehr Verantwortung übertragen, können besser beraten und die Apotheker noch besser unterstützen.“
Wie läuft eine Fortbildung ab?
Unsere drei Ansprechpartner aus Weiterbildungseinrichtungen geben Auskunft.
Cynthia Milz, BLAK
Die Lehrpläne werden von Lehrern der PTA-Schulen und praktisch tätigen Apothekern erstellt. Wir legen Schwerpunkte auf besonders praxisrelevante Themenbereiche. Kommunikation, Verkaufs- und Beratungsgespräche sind Teil der Ausbildung. Darüber hinaus wird von jedem Teilnehmer eine Projektarbeit in einem persönlich gewähltem Thema angefertigt und von den meisten auch als Präsentation vorgestellt
Weitere Informationen: www.blak.de/fach-pta
Carsten Semsch, Semedi
Das sind Wochenendkurse, alles Präsenzveranstaltungen. Wir achten auf eine Klassenstärke von etwa 25 Leuten. Wichtig ist immer der Praxisbezug der Inhalte, und das sie qualitativ vermittelt werden. Am Ende der Kurse steht nämlich eine IHK Prüfung.
Weitere Informationen: www.semedi.de
Margareta Ewers, wipta
Große Teile finden über E-Learning im Selbststudium statt. Es gibt zwei Präsenzphasen mit jeweils 32 Unterrichtsstunden. Am Ende gibt es nochmal eine mündliche Prüfung vor Ort, bei der auch eine Präsentation gehalten werden muss. Die Lehrgänge sind IHK-zertifiziert.
Weitere Infos: www.wipta.de
Kompetenz.Persönlich.Gestalten.
16. April 2015 at 10:03
Die Einteilung in die oben beschriebenen Gruppen überrascht nicht: denn sie beschreibt exakt die verschiedenen Karrieremotive und -präferenzen von Menschen.
Das Dilemma der Karriereplanung die Sie in dem Artikel beschreiben, trifft auf viele soziale Berufe zu: Zahnmedizinische Fachangestellte, Gesundheitspfleger und andere helfende Berufe. Der Weg in neue berufliche Arbeitsfelder ist hier gewiss besonders schwierig. In dem Artikel werden jedoch schöne Optionen aufgezeigt.