Übergewicht erfordert mehr Aufmerksamkeit bei der Medikamentengabe. Nicht nur die Dosis, auch die Verträglichkeit muss hinterfragt werden.

Etwa zwei Drittel aller Männer (67%) und die Hälfte der Frauen (53%) haben hierzulande Übergewicht. Ein Viertel (23% der Männer und 24% der Frauen) gilt gar als adipös.1 Durch das Übergewicht steigt das Risiko vieler Erkrankungen von Gelenkschäden bis zu Herzinfarkten, die mangelnde Bewegung, die in der Regel damit einhergeht, verschärft das Erkrankungsrisiko weiter. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass Übergewicht mit einem häufigeren Medikamentenbedarf einhergeht – aber auch mit einem höheren?

Dosisanpassung bei Übergewicht

Tatsächlich stehen die Bioverfügbarkeit und die Eliminationshalbwertszeit sowie die Clearance bestimmter Arzneien durchaus mit dem Körpergewicht in Verbindung.2 Dies liegt unter anderem daran, dass Adipöse eine größere Menge Blut im Körper haben.3 Vor allem aber gibt es lipophile Stoffe, also solche, die sich mit Fettgewebe verbinden und dort auch länger eingelagert werden, und es gibt solche, auf die das nicht zutrifft. Dies ist beispielsweise extrem wichtig für Anästhesisten, die die Betäubungsmittel vor Operationen berechnen müssen. Für die Berechnung der korrekten Wirkstoffmenge muss der Anästhesist nicht nur über die lipophilen bzw. hydrophilen Eigenschaften eines Medikaments Bescheid wissen, sondern auch zwischen dem Gesamtkörpergewicht, dem Idealkörpergewicht und der „Magermasse“ der Patienten unterscheiden. Bei letzterem handelt es sich um das Gesamtkörpergewicht ohne Fettmasse.4

Die Ermittlung der korrekten Wirkstoffdosis kann also kompliziert sein. Neben den lipophilen und hydrophilen Eigenschaften spielt auch die Molekülgröße eine Rolle. Die Handlungsempfehlung zur Dosisbestimmung bei adipösen Patienten der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf lautet wie folgt.5

  • Klinische Bestimmung des Gewichts (Fett, Muskeln)
  • Evidenz der Dosierungsempfehlungen evaluieren
  • Arzneistoffe, zu denen es Daten mit guter Evidenz gibt, bevorzugen
  • Pharmakokintische Eigenschaften der Arzneistoffe berücksichtigen

Eine hilfreiche und praxisnahe Übersicht der zuberücksichtigenden Faktoren bietet zudem der Thieme-Verlag online.

Hinweise zur Selbstmedikation

Doch wie sieht es mit Medikamenten zur Selbstmedikation aus? In vielen Fällen besteht hier kein Grund zur Sorge, da wenig kritische Indikationen behandelt werden und man sich an die wirksame Dosis „herantasten“ kann. Dafür fallen andere Faktoren ins Gewicht. Denn die mit dem Übergewicht einhergehenden Komorbiditäten müssen berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob diese bereits behandelt werden oder nicht.

Beispiel Schmerzmittel: Übergewichtige leiden überdurchschnittlich häufig an erhöhtem Blutdruck und Herz-Kreislaufbeschwerden. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise das erhöhte kardiovaskuläre Risiko bei der Einnahme hoher Dosen von NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac zu bedenken.6,7 Eine bessere Wahl wäre hier beispielsweise Acetylsalicylsäure (ASS), da Herz-Kreislaufbeschwerden ohnehin oft präventiv mit niedrig dosierter ASS behandelt werden.
In solchen Fällen kann es zusätzlich zu Wechselwirkungen mit Ibuprofen kommen, welches die Wirksamkeit der ASS einschränken kann. Leiden die Patienten zusätzlich unter einer Fettleber, ist auch der Einsatz vom Paracetamol mit Vorsicht zu genießen, da diese Patienten bei Paracetamol-Intoxikation ein viermal höheres Risiko für akutes Leberversagen haben.8

Was ihr als PTA wissen solltet

  • Bei Übergewichtigen greifen die offiziellen Dosierungsangaben oft nicht
  • Übergewichtige brauchen aber nicht grundsätzlich mehr
  • Bei der Ermittlung der richtigen Dosis spielen die Daten des Patienten und die Eigenschaften des Arzneistoffs eine gleichermaßen wichtige Rolle
  • Für die Selbstmedikation sind Komorbiditäten und Wechselwirkungen zu berücksichtigen

Quellen