Tabuthema Darmerkrankung: Betroffene hemmt zu oft die Scham
Wenn der Darm nicht so funktioniert wie er soll, fühlen wir uns schnell ziemlich unwohl. Blähungen, Durchfall, Verstopfung und Bauchschmerzen sind nur einige Symptome, die darauf hindeuten, dass mit dem wichtigsten Teil unseres Verdauungstraktes etwas nicht stimmt.
Viele Apothekenkunden kaufen die große Packung Abführmittel lieber für ihre „Nachbarin“ als für sich selbst, weil Darmerkrankungen und daraus resultierende Verdauungsprobleme oft ein unangenehmes Thema sind, über das sie nicht gerne reden wollen. Insbesondere bei älteren Kunden besteht häufig eine hohe Hemmschwelle.
Dabei ist es wichtig, bei langfristigen oder wiederkehrenden Darmbeschwerden, die vielleicht auch mit Fieber oder Blut im Stuhl einhergehen, die Ursache zu finden.
Liegt eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) oder ein Reizdarmsyndrom (RDS) vor?
Von CED spricht man, wenn der Darm rezidivierend oder kontinuierlich entzündet ist. Die häufigsten Vertreter sind der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Beiden Erkrankungen ist gemein, dass die Ursache für die Entstehung noch nicht endgültig geklärt ist. Bekannt ist aber, dass unterschiedliche Faktoren verantwortlich sein können:
Genetische Veranlagung, Umwelteinflüsse (Rauchen, Ernährung) und eine defekte Barrierefunktion der Schleimhaut führen dazu, dass die physiologisch vorkommenden Darmbakterien in die Schleimhaut eindringen und eine Entzündungsreaktion auslösen. Auch die Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom) scheint eine Rolle zu spielen. CED wurden im Jahr 1950 übrigens zu den Holy Seven gezählt. Die „heilige sieben (Krankheiten)“ – das war ein Katalog psychosomatischer Erkrankungen. Man nahm also an, dass eine psychische Störung verantwortlich war für das Beschwerdebild.
Zum Glück ist diese Kategorisierung längst überholt. Obgleich psychische Faktoren wie beispielsweise Stress einen negativen Einfluss auf die Erkrankung haben können, sodass Schübe ausgelöst oder Symptome verschlimmert werden können.
Wie unterscheiden sich die beiden Erkrankungen?
Eine eindeutige Diagnose zu stellen, ist häufig schwierig, und in Einzelfällen lassen sich die Krankheiten gar nicht voneinander abgrenzen, denn die Symptomatik ist ähnlich: Gastrointestinale Beschwerden, wie zum Beispiel Bauchschmerzen, Durchfall und Appetitlosigkeit.
- Während bei der Colitis Ulcerosa (CU) häufig Durchfälle auftreten, die blutig und schleimig sind, klagen Morbus Crohn Patienten nur selten über Blut im Stuhl. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Lokalisation der Entzündung, bei der CU ist fast ausschließlich der Dickdarm betroffen, beim Morbus Crohn kann der gesamte Verdauungstrakt in Mitleidenschaft gezogen sein.
Diagnose und Therapie von chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen
Bei Darmbeschwerden, die oft oder langanhaltend zutage treten, ist ein Arzt aufzusuchen. Eine frühe Diagnosestellung ist wichtig, da zum Beispiel das Darmkrebsrisiko bei Colitis Ulcerosa Patienten massiv erhöht ist. Erste Hinweise auf eine CED liefern Entzündungsmarker im Blut, eine Darmspiegelung mit Biopsie kann den Verdacht dann erhärten. Grundsätzlich muss bei der Therapie unterschieden werden, ob gerade ein akuter Schub vorliegt oder ob sich der Patient in der Krankheitsruhephase (Remission) befindet.
Bei akuten Schüben der CU kommt vor allem der entzündungshemmende Wirkstoff Mesalazin zum Einsatz. Reicht die Wirkung nicht aus, werden Glucocorticoide topisch, zum Beispiel als Rektalschäume, oder bei schwererem Verlauf auch oral gegeben. In der Remissionsphase wird laut Leitlinie ebenfalls Mesalazin empfohlen. Die Behandlung des Morbus Crohns richtet sich danach, wie hoch die Entzündungsaktivität ist und welcher Darmabschnitt betroffen ist. So steht bei akuten Beschwerden der Wirkstoff Budesonid lokal und systemisch zur Verfügung. Das Immunsuppressivum Azathioprin wird häufig für die Zeit der Remission verordnet.
Darmerkranken: Was ist sonst noch hilfreich?
Die wichtigsten Ziele sind, die Remissionsphasen zu verlängern und die Beschwerden bei akuten Schüben rasch zu lindern. Bei der Colitis Ulcerosa konnten sich in Studien der Einsatz von Probiotika, Flohsamenschalen und Curcumin positiv hervortun. Ob diese Komplementärmedizin auch bei Morbus Crohn wirkt, konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden.
Bewiesen ist aber, dass hier der Verzicht auf Rauchen die Remissionszeit verlängert. Man kann sich gut vorstellen, dass ein häufig entzündeter Darm seine physiologischen Aufgaben nicht ausreichend erfüllen kann. Daher kommt es bei CED oft zu einer schlechteren Aufnahme von Nahrungsbestandteilen, was bei Kindern auch zur Wachstumsverzögerung führen kann.
Ob eine Mangelernährung oder ein Mikronährstoffmangel vorliegt, wird beim Arzt festgestellt und dann gezielt behandelt. Ein genereller Ersatz von Vitaminen oder Spurenelementen wird nicht empfohlen.
Weitere Darmerkrankungen – Das Reizdarmsyndrom (RDS)
Treten Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfungen und Durchfall chronisch auf, d.h. länger als drei Monate, können es Symptome eines Reizdarmsyndroms sein. Etwa 10 bis 20 Prozent der westlichen Bevölkerung leiden darunter, Frauen sind etwas häufiger betroffen. Klagen Kunden über diese Unannehmlichkeiten, ist eine ärztliche Abklärung sehr wichtig. Denn eine Diagnose auf RDS kann nur gestellt werden, wenn andere Ursachen, wie zum Beispiel Karzinome, CED, Lebererkrankungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, ausgeschlossen sind.
Die gute Nachricht ist, ein Reizdarmsyndrom führt im Gegensatz zu den chronisch- entzündlichen Darmerkrankungen nicht zu ernsthaften Folgeerkrankungen oder einer kürzeren Lebenserwartung. Allerdings empfinden Betroffene oft eine starke Einschränkung ihrer Lebensqualität durch ständige Schmerzen und veränderte Stuhlgewohnheiten.
Bei RDS-Patienten ist die Sekretion, die Darmbeweglichkeit und die Barrierefunktion der Darmschleimhaut gestört. Wodurch das ausgelöst wird, ist teilweise noch unklar. Allerdings weiß man, dass ein Reizdarm nach einem Magen-Darm-Infekt entstehen kann und häufig mit einer geänderten Darmflora einhergeht.
Therapie des Reizdarmsyndroms
Die Therapie des RDS erfolgt symptomorientiert: gegen die Durchfälle bei Erwachsenen werden laut Leitlinie Loperamid oder Probiotika empfohlen, für den Einsatz von Racecadotril (Vaprino ®) fehlen hingegen Studiendaten.
Einen positiven Effekt auf Verstopfung und Durchfall zeigen auch hier Flohsamenschalen als wasserlösliche Ballaststoffe. Wer eher mit Krämpfen und Schmerzen zu tun hat, dem helfen Spasmolytika, wie Butylscopolamin oder auch die pflanzlichen Vertreter Pfefferminz- und Kümmelöl (Carmenthin ®), um den Darm zu beruhigen.
Was ihr als PTA wissen solltet:
- Bei häufigen Darmbeschwerden ist ein Arztbesuch anzuraten
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sollten so früh wie möglich adäquat behandelt werden
- Kauft der Kunde mehrere Packungen Loperamid oder Laxantien -> aufmerksam sein und Diagnose hinterfragen
- Colitis Ulcerosa Patienten haben ein stark erhöhtes Darmkrebsrisiko und müssen regelmäßig zur Darmspiegelung
- Colitis Ulcerosa Patienten profitieren oft von Komplementärmedizin, wie Probiotika (Mutaflor®), Flohsamenschalen und Curcumin
- Morbus Crohn Patienten sollten bei der Rauchentwöhnung unterstützt werden
- Durch Darmentzündung kann es zu Mikronährstoffmangel kommen, der nach ärztlicher Abklärung mit Vitaminen / Spurenelementen behoben werden muss
- Reizdarmpatienten haben oft einen hohen Leidensdruck, der durch Arzneimittel gegen Krämpfe, Blähungen, Durchfall und Verstopfung gelindert werden kann
Quellenangaben
- S3 Leitlinie Morbus Crohn
- S3 Leitlinie Colitis ulcerosa
- S3 Leitlinie Reizdarmsyndrom
- Ratgeber Darmflora bei Morbus Crohn
- Probiotika – Sinnvolle Helfer für den Darm?
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