Digitale rektale Untersuchung (DRU) nicht mehr Teil der Früherkennung
Paradigmenwechsel in der urologischen Vorsorge: Die interdisziplinäre Leitliniengruppe zur S3-Leitlinie „Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms“ hat unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) gearbeitet.
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) wurde eine wesentliche Änderung verabschiedet. Die digitale rektale Untersuchung (DRU) wird nicht mehr zur routinemäßigen Früherkennung bei asymptomatischen Männern empfohlen.

Hintergrund und wissenschaftliche Neubewertung
Die Entscheidung stützt sich auf eine erneute systematische Analyse der aktuellen internationalen Studienlage. Die DRU – seit Jahrzehnten als einfach durchführbare, kostengünstige Methode Bestandteil der Vorsorge – zeigt laut aktueller Evidenz keinen gesicherten Nutzen in Bezug auf die Reduktion der prostatakarzinombedingten Mortalität bei asymptomatischen Männern.
Kritische Punkte der DRU in der Vorsorge:
- Niedrige Sensitivität für klinisch signifikante Karzinome, insbesondere in frühen Stadien.
- Hohe interindividuelle Variabilität zwischen Untersuchenden.
- Mangel an prospektiv randomisierten Daten, die eine prognostische Verbesserung durch die DRU in der Primärprävention belegen würden.
- Psychologische und körperliche Belastung für Patienten ohne nachgewiesenen Nutzen.
Neue Schwerpunkte der Früherkennung
Im Zentrum der aktualisierten Leitlinie steht nun eine individualisierte, informierte Entscheidungsfindung zur Durchführung eines PSA-Tests, flankiert durch eine strukturierte Aufklärung über mögliche Vorteile, Risiken und Limitationen (z. B. Überdiagnose, falsch-positive Befunde, biopsiebedingte Nebenwirkungen).
Die neue Empfehlung lautet:
„Die DRU soll bei asymptomatischen Männern im Rahmen der Prostatakarzinom-Früherkennung nicht mehr durchgeführt werden. Im Fokus der Vorsorge steht die PSA-basierte Risikoeinschätzung nach umfassender ärztlicher Beratung.“
Bedeutung für die klinische Praxis
Für Fachärztinnen und Fachärzte der Urologie sowie für hausärztlich tätige Kolleginnen und Kollegen ergeben sich folgende Konsequenzen:
- Anpassung der Vorsorgepraxis: Die DRU ist nicht länger Bestandteil der GKV-basierten Krebsfrüherkennung nach §25 SGB V, wenn sie ausschließlich der Früherkennung eines Prostatakarzinoms dient.
- Differenzierte Anwendung: Bei klinischem Verdacht (z. B. Mikrohämaturie, LUTS mit atypischem Verlauf, PSA-Anstieg) bleibt die DRU weiterhin ein Bestandteil der symptomorientierten Diagnostik.
- Dokumentation und Kommunikation: Eine standardisierte Aufklärung zum PSA-Test, idealerweise unterstützt durch Entscheidungshilfen, wird empfohlen und sollte dokumentiert erfolgen.
Stimmen aus der Leitliniengruppe
Prof. Dr. med. Markus Hohenfellner, Koordinator der Leitlinie:
„Die Abkehr von der DRU in der Vorsorge ist kein Rückschritt, sondern ein Ausdruck evidenzbasierter Medizin. Unser Ziel ist es, Fehlanreize zu vermeiden und die Patientensicherheit durch gezielte, risikoadaptierte Strategien zu erhöhen.“
PD Dr. med. Anne Weber, Mitautorin und Vertreterin der DKG, ergänzt:
„Die Rolle des Arztes als Lotse durch komplexe Entscheidungsprozesse wird durch diese Neuerung gestärkt. Früherkennung ist sinnvoll – aber nur, wenn sie auf wirksamen, belastbaren Maßnahmen beruht.“
Weiterführende Informationen:
Die vollständige Fassung der S3-Leitlinie, inklusive evidenzbasierter Begründungen und praktischer Handlungsempfehlungen, ist abrufbar unter:
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