Paracetamol in der Schwangerschaft: Gefährlich fürs Kind?
Bereits 2021 riefen Forschende in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ dazu auf, Paracetamol in der Schwangerschaft nur mit größter Vorsicht einzusetzen. Jetzt scheint eine Langzeitstudie aus Schweden Entwarnung zu geben – oder doch nicht?
Die Forschenden am Karolinska Institut in Stockholm werteten Langzeitdaten (im Schnitt 13,4 Jahre) von knapp 186.000 Kindern aus, die zwischen 1995 und 2019 in Schweden geboren wurden und deren Mütter während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen hatten.
In ihrer ersten statistischen Analyse fanden sie tatsächlich leicht erhöhte Risiko-Werte für die drei untersuchten Indikationen Autismus, ADHS und geistige Behinderung.¹
Bei genauerer Betrachtung verschwinden die Zusammenhänge
Im nächsten Analyseschritt führten die Forschenden jedoch eine sogenannte „Geschwisterkontrolle“ durch, beschränkten also ihre Berechnungen auf Geschwisterpaare innerhalb derselben Familien, um genetische und familiäre Umwelteinflüsse statistisch zu kontrollieren.
Und siehe da: Nun zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang mehr zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und Autismus, ADHS oder geistiger Behinderung. Vielmehr sprachen die Ergebnisse nun dafür, dass die nur leicht erhöhten Risiken, die sich zuvor ergeben hatten, auf andere Faktoren zurückzuführen waren.
Entwarnung also? Nicht ganz.
Denn in diese Langzeitstudie flossen lediglich Daten von Müttern ein, die Paracetamol von einer Ärztin oder einem Arzt verschrieben bekommen hatten, bei denen die Einnahme also ärztlich dokumentiert wurde.
Andere Untersuchungen gehen jedoch davon aus, dass bis zu 60 von 100 schwangeren Frauen rezeptfreie Paracetamol-Präparate ohne Rücksprache mit einem Arzt einnehmen, z.B. gegen Kopf- oder Rückenschmerzen. Doch dieser unbeaufsichtigte Einsatz von Paracetamol wurde hier eben nicht berücksichtigt. Darauf weisen die Forschenden aus Stockholm aus selbst hin: „Die Ergebnisse sollten nicht als Maßstab für die Sicherheit interpretiert werden“, schreiben sie.
Andere Paracetamol-Risiken wurden nicht erfasst
Darüber hinaus wurden in der Langzeitstudie lediglich die drei Krankheitsbilder Autismus, ADHS und geistige Behinderung untersucht. Doch bereits 2021 wiesen Forschende in einer gemeinsamen Erklärung in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ darauf hin, dass Paracetamol in der Schwangerschaft bei Jungen u.a. auch zu Fortpflanzungsstörungen und bei Mädchen zu einer vorzeitigen Pubertät führen kann und rieten daher, Paracetamol in der Schwangerschaft nur mit größter Vorsicht einzusetzen.¹
Hierzu haben die Forschenden aus Schweden keine neuen Daten vorgelegt. Von Entwarnung zu sprechen, wäre also vorschnell.
Passend dazu erschien fast zeitgleich eine Studie von Forschenden aus China, die analysierten, ob die Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft negative Auswirkungen auf die Geburt des Kindes haben kann.²
Insgesamt wurden die Daten von über 41.000 schwangeren Frauen ausgewertet, von denen 501 Paracetamol eingenommen hatten. Es zeigte sich, dass der sogenannte APGAR-Score bei Kindern von Müttern, die vor der Geburt Paracetamol eingenommen hatten, häufiger unter 7 lag. Diese Babys mussten also nach der Geburt häufiger medizinisch betreut werden. Zudem hatten diese Kinder öfter ein erhöhtes Geburtsgewicht. Auch das Fehlgeburt-Risiko lag bei werdenden Müttern, die Paracetamol einnahmen, höher.
Beratung bleibt das A und O
Das Schmerzmittel Paracetamol bleibt also weiterhin in der Kritik. Für die Beratung in der Apotheke heißt das: Werdende Mütter, die z.B. unter Migräne, Spannungskopfschmerzen oder Rückenschmerzen leiden, unbedingt umfassend beraten und ihnen wirksame Alternativen aufzeigen, z.B. körperliche Aktivität, Wärme, Physiotherapie und/oder Entspannungsverfahren.
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