Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, die das ZNS betrifft. Meist verläuft sie schubweise, doch auch chronisch progrediente Verläufe kommen vor. Neben Fatigue treten verschiedenste neurologische Störungen auf, etwa Sehstörungen, Lähmungen oder Inkontinenz. Die Behandlung eines akuten Schubs erfolgt mit sehr hoch dosierten Glukokortikoiden. Zur Schubprophylaxe stehen verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Im Folgenden erfahrt ihr alles Wichtige zur Apothekenberatung von MS-Betroffenen.

Was ist Multiple Sklerose?

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der T- und B- Lymphozyten die Myelinscheiden angreifen, also die Hüllen von Axonen der Nervenzellen. Es entstehen Entzündungen im Gehirn und Rückenmark. Die Nervenleitgeschwindigkeit nimmt ab. Im Verlauf kommt es zur Demyelinisierung. Auch die Axone selbst werden geschädigt.

Etwa 0,15 % der Menschen in Deutschland sind betroffen[1], Frauen zwei- bis dreimal häufiger als Männer[2]. Die Diagnose wird meist im Alter von zwanzig bis vierzig gestellt, besonders häufig bei Personen im Alter von etwa dreißig Jahren[3].

Es gibt verschiedene Verlaufsformen, unter denen das klinisch isolierte Syndrom (CIS) eine Sonderform darstellt. Hierbei handelt es sich um einen isoliert auftretenden ersten Schub, ohne dass die Diagnosekriterien erfüllt wären. Die schubförmig remittierende MS (RRMS) ist am häufigsten und tritt bei acht bis neun von zehn erwachsenen Betroffenen auf.[4] Zwischen den einzelnen Schüben gehen die Symptome vollständig oder teilweise zurück. Die primär progrediente MS (PPMS) schreitet kontinuierlich fort. Schübe treten nicht auf. Betroffen ist etwa einer von zehn erwachsenen Menschen mit MS.[5] Sekundär progrediente MS (SPMS) verläuft ebenfalls chronisch fortschreitend. Ihr geht jedoch ein schubförmig remittierender Verlauf voraus.

Multiple Sklerose-Ursachen: Wer bekommt Multiple Sklerose?

Die genaue Entstehungsweise von MS ist noch unbekannt. Fachleute gehen von einer Kombination aus genetischer Veranlagung und Umwelt- bzw. Risikofaktoren aus. Dazu zählen Infektionen – insbesondere mit dem Epstein-Barr-Virus –, Rauchen, Vitamin D-Mangel, eine fettreiche Ernährungsweise und Übergewicht. Auch mit der Zusammensetzung der Darmflora oder einem hohen Salzkonsum könnte das Auftreten von Multipler Sklerose möglicherweise zusammenhängen.

Multiple Sklerose: Symptome der Autoimmunerkrankung

Die Symptome einer Multiplen Sklerose können sehr unterschiedlich ausfallen. Je nach Lokalisation der Entzündungsherde kommt es zu verschiedensten neurologischen Störungen. Möglich sind beispielsweise Sehstörungen, Lähmungen, gestörte Reizwahrnehmung, Inkontinenz, kognitive Störungen, Schluckstörungen, sexuelle Funktionsstörungen und Schwindel. Besonders häufig leiden Betroffene unter Fatigue. Dieses Symptom tritt in neun von zehn Fällen auf.[6]

Wie bereits besprochen verläuft MS zumeist schubweise. Zwischen den Schüben können sich die Symptome ganz zurückbilden, aber auch teilweise oder vollständig bestehen bleiben.

Die Kriterien für einen MS-Schub sind:

  • eine Dauer von mindestens vierundzwanzig Stunden
  • mindestens dreißig Tage Abstand zum letzten Schub
  • der Ausschluss anderer Ursachen wie etwa Infektionen

Das sogenannte Uhthoff-Phänomen kann dafür sorgen, dass sich die Symptome einer Multiplen Sklerose bei hohen Temperaturen vorübergehend verschlechtern. Das gilt etwa bei starker körperlicher Anstrengung, Saunabesuchen, Hitze und Fieber.

Gegenwärtig ist Multiple Sklerose nicht heilbar. Die Prognose ist umso besser, je schwächer, kürzer und seltener Schübe auftreten, und wenn sich die Symptome zwischen den Schüben wieder vollständig zurückbilden. Bei Frauen ist die Prognose zudem besser als bei Männern. Grundsätzlich ist bei Multipler Sklerose die Lebenserwartung ähnlich wie die von gesunden Personen. Es kann aber in sehr seltenen Fällen zu einem malignen Verlauf kommen, der innerhalb von Monaten bis hin zu wenigen Jahren zum Tod führt.

MS-Therapie: Wie wird Multiple Sklerose behandelt?

Die Behandlungsziele sind, die Anzahl und Schwere der Schübe zu reduzieren, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Mit zunehmendem Alter nimmt die Krankheitsaktivität in der Regel ab, die Neigung zu Nebenwirkungen jedoch zu. Somit ist es immer wieder nötig, die Therapie gegebenenfalls anzupassen oder gar zu beenden. Dies geschieht immer in Absprache mit den Erkrankten. Viele MS-Medikamente können schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen. Umso wichtiger ist es, die Betroffenen gut über MS, deren Folgen und Behandlungschancen aufzuklären.

Bei akuten Schüben werden hochdosierte Glukokortikoidinfusionen mit Dosen von bis zu zwei Gramm pro Tag verabreicht. Ergänzend erfolgt eventuell eine Plasmapherese, bei der Immunglobuline aus dem Blut herausgefiltert werden. Parallel dazu ist je nach Beschwerdebild auch eine symptomatische Behandlung möglich, sei es medikamentös oder etwa in Form von Physiotherapie oder Logopädie.

Zusätzlich zur Akuttherapie ist auch eine Schubprophylaxe notwendig. Sie ist unter anderem abhängig von der Schwere des Verlaufs und eventuellen weiteren Erkrankungen.

Bei einem milden Verlauf stehen folgende Wirkstoffe zur Verfügung:

  • Beta-Interferone sind auch zur Behandlung von CIS und SPMS zugelassen. Es handelt sich um Zytokine, die immunmodulatorisch und entzündungshemmend wirken. Sie werden gespritzt.
    Als Nebenwirkungen können vor allem zu Behandlungsbeginn grippeähnliche Symptome auftreten. Die Einnahme von NSAR kann dem ebenso wie eine abendliche Verabreichung entgegenwirken. Bereits bestehende Depressionen können durch Beta-Interferone verschlechtert werden.
  • Dimethylfumarat wirkt ebenfalls immunmodulatorisch und entzündungshemmend. Der genaue Wirkmechanismus ist noch unbekannt. Die Einnahme erfolgt oral.
    Mögliche Nebenwirkungen reichen von Magen- und Darmproblemen bis hin zu einem sehr seltenen erhöhten Risiko für Virusinfektionen, die zu Gehirnschädigungen führen können.
  • Glatirameracetat ist auch ein Immunmodulator mit noch unbekanntem Wirkmeachnismus. Es ist auch zur Behandlung von CIS zugelassen und wird gespritzt.
    Die häufigsten Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Einstichstelle.
  • Teriflunomid wirkt immunsuppressiv und lindert entzündliche Prozesse, indem es das Wachstum von Lymphozyten hemmt. Es wird oral eingenommen.
    Trotz einer Vielzahl möglicher Nebenwirkungen (etwa Kopfschmerzen, Haarverdünnung, Magen-Darm-Probleme, Blutveränderungen, Infektionen, Neuropathien, Leber-, Nieren-, Knochenmarkschädigung) gilt das Präparat als eher gut verträglich.

Schwere Verläufe werden mit Immunsuppressiva, Antikörpern oder S1P-Rezeptor-Modulatoren behandelt:

  • Die Immunsuppressiva Cladribin, Cyclophosphamid und Mitoxantron werden bei schweren MS-Verläufen eingesetzt, bis auf Cyclophosphamid auch bei SPMS.
    Die Nebenwirkungen sind zum Teil unterschiedlich, können aber bei allen drei Wirkstoffen schwerwiegend sein und Krebserkrankung und Tumoren als Behandlungsfolge umfassen.
  • Die Antikörperpräparate Natalizumab, Ocrelizumab, Ofatumumab und Alemtuzumab machen auf verschiedene Weise Lymphozyten unschädlich. Sie werden als Infusion oder Spritze verabreicht.
    Die Nebenwirkungen sind abhängig vom jeweiligen Präparat. Lokale Reaktionen an der Einstichstelle sind ebenso möglich wie bei manchen Wirkstoffen Virusinfektionen des Gehirns.
    Ocrelizumab ist auch für die Behandlung von SPMS und als einziger Wirkstoff überhaupt für die Therapie von PPMS zugelassen.
    Alemtuzumab wird nur noch nach dem Ausschluss bestimmter Risikofaktoren wie etwa Herzerkrankungen verordnet.
  • S1P-Rezeptor-Modulatoren werden oral eingenommen. Fingolimod, Ozanimod, Ponesimod und Siponimod gehören zu dieser Wirkstoffgruppe.
    Allen vier ist gemeinsam, dass sie das Infektionsrisiko erhöhen. Je nach Wirkstoff können zum Beispiel auch Leberprobleme auftreten.
    Siponimod ist nur zur Behandlung von SPMS zugelassen und wird ausschließlich nach einer Genanalyse zur Verstoffwechslung des Wirkstoffs verordnet.

Multiple Sklerose: Kompaktwissen für PTAs

  • MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Leukozyten die Myelinscheiden von Axonen angreifen und Entzündungen im ZNS auslösen.
  • Als Ursache wird eine genetische Veranlagung in Kombination mit Umweltfaktoren vermutet.
  • Meistens verläuft MS schubweise, es gibt aber auch chronisch progrediente Verläufe.
  • Die Symptome sind abhängig vom Ort der Entzündungen und können ganz verschiedene neurologische Störungen beinhalten. Besonders häufig tritt Fatigue auf.
  • Schübe werden mit hochdosierten Glukokortikoidinfusionen behandelt.
  • Die Schubprophylaxe erfolgt je nach individuellem Krankheitsverlauf mit Beta-Interferonen, Immunmodulatoren, Immunsuppressiva, Antikörpern oder S1P-Rezeptor-Modulatoren.

Quellenangabe

[1] Pschyrembel Online

[2] Pschyrembel Online

[3] Pschyrembel Online

[4] Pschyrembel Online | Multiple Sklerose

[5] Pschyrembel Online | Multiple Sklerose

[6] Pschyrembel Online