Epilepsie-Betroffene neigen zu epileptischen Anfällen. Zu den möglichen Ursachen gehören eine genetische Veranlagungen, Stoffwechsel- und Durchblutungsstörungen. Die Epilepsie-Therapie erfolgt in erster Linie mit Antikonvulsiva. Was ihr für die Apothekenberatung zu Epilepsie wissen müsst, erfahrt ihr im folgenden Artikel.

Einführung: Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine chronische Erkrankung, bei der Neuronen anfallsweise synchron Impulse abgeben. Sie geht mit der Neigung zu epileptischen Anfällen einher. Umgangssprachlich wird die Epilepsie auch „Fallsucht“ genannt. Etwa einer von zweihundert bis einer von hundert Menschen sind betroffen.[1][2] Besonders häufig tritt Epilepsie bei Kindern sowie ab dem fünfzigsten Lebensjahr auf.[2]

Gemäß der Epilepsie-Definition liegt die Erkrankung vor, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist[2]:

  • Es sind mindestens zwei epileptische Anfälle mit einem Abstand von mehr als vierundzwanzig Stunden
  • Nach einem Anfall ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass in den nächsten zehn Jahren ein weiterer
  • Es liegt ein Epilepsiesyndrom Diese Epilepsie-Arten weisen spezifische Konstellationen aus bestimmten Symptomen oder klinischen Befunden auf.

Man unterscheidet nach Ablauf der Anfälle verschiedene Epilepsie-Formen[2]:

  • Fokale Anfälle sind anfangs auf eine Gehirnhälfte beschränkt. Ein fokaler Anfall kann in einen generalisierten übergehen.
  • Generalisierte Anfälle betreffen von Anfang an beide Gehirnhälften. In diese Kategorie fallen beispielsweise die tonisch-klonischen Anfälle (»Grand mal«).
  • Ein unklarer Beginn des Anfalls kann ebenfalls vorliegen.

Die Frage, ob Epilepsie heilbar ist, lässt sich bislang nicht abschließend beantworten und ist unter Fachleuten umstritten. Es ist jedoch möglich, Anfallsfreiheit zu erreichen, die auch nach dem Absetzen der Medikation anhalten kann.

Symptome: Wie äußert sich Epilepsie?

Epileptische Anfälle können sehr verschiedenartige Symptome auslösen, die bei jedem Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Ein Epilepsie-Anfall kann beispielsweise mit Bewusstseinsstörungen (Absencen), Taubheits- oder Kribbelgefühlen, Sinnestäuschungen wie optischen Halluzinationen, unwillkürlichen Bewegungen und/oder generalisiert tonisch-klonischen Krämpfen einhergehen. In der Regel dauert ein epileptischer Anfall nicht länger als zwei Minuten.[2] Auch in den Stunden danach können noch Störungen der Wahrnehmung und des Gedächtnisses auftreten. Muskelkater nach einem Krampfanfall ist ebenfalls möglich.

Eine lebensgefährliche Komplikation stellt der Status epilepticus dar. Da er zu Gehirnschäden führen kann, ist eine notfall- und intensivmedizinische Betreuung unabdingbar. Er liegt vor, wenn

  • ein epileptischer Anfall länger als fünf Minuten andauert,
  • oder mindestens zwei epileptische Anfälle in einem Abstand von mehr als fünf Minuten auftreten, ohne dass die Symptome zwischenzeitlich vollständig abklingen.[3]

Eine weitere mögliche, aber seltene Komplikation ist der plötzliche unerwartete Tod von Epilepsie-Betroffenen, der SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy). Je besser der Patient eingestellt ist, desto geringer ist das Risiko.[4] Der SUDEP trifft besonders oft Epilepsie-Betroffene mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.[4][5]

Stürze und daraus folgende Verletzungen, Zungenbisse, Ertrinken, psychiatrische Störungen und Suizid gehören ebenfalls zu den möglichen Komplikationen bei Epilepsie.

Nicht jeder Anfall mit den hier genannten Symptomen hat Epilepsie als Ursache. Einzelne Anfälle können auch im Rahmen von Vergiftungen oder anderen Erkrankungen auftreten.

Risikofaktoren und Ursachen: Warum entsteht Epilepsie?

Nicht immer lässt sich für Epilepsie eine Ursache finden. Genetische Faktoren, Stoffwechsel– oder Durchblutungsstörungen, Schädigungen oder Veränderungen im Gehirn, Verletzungen, Meningitis und Drogenkonsum können eine Epilepsie auslösen. Bei Kindern steht eher die genetische Veranlagung im Vordergrund, bei älteren Betroffenen hingegen Durchblutungsstörungen und Tumoren.[4]

Meist liegt bei Epilepsie als Auslöser für einen Anfall eine Kombination aus inneren und äußeren Faktoren vor. Risikofaktoren sind etwa Störungen des Schlafrhythmus oder Schlafmangel, Hyperventilation, Sauerstoffmangel, der Konsum von Alkohol oder Drogen, Hypoglykämie sowie bestimmte Sinnesreize wie Lichtblitze.[2]

Therapie und Prognose: Epilepsie – was hilft?

Ein akuter Anfall muss nicht immer medikamentös behandelt werden. Bei einer Anfallsdauer von in der Regel weniger als zwei Minuten wäre es Laien ohnehin nicht möglich, ein Medikament zu verabreichen, das rechtzeitig wirkt. Im Falle einer Neigung zu generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und/oder Status epilepticus ist es für Betroffene ratsam, ein Benzodiazepin als Notfallmedikament mitzuführen, das auch von Laien buccal, intranasal oder rektal verabreicht werden kann.[3]

Je nach Anfallsart sollten im Akutfall Gefahrenquellen für Verletzungen beseitigt werden. Das beinhaltet auch in unmittelbarer Nähe stehende Möbel. Ersthelfende sollten die betroffene Person weder festhalten noch einen Beißschutz einführen. Mehr über die Erste Hilfe beim Krampfanfall erfahrt ihr in diesem Video vom DRK-Blankenloch e.V.

Nach einem einzigen ärztlich abgeklärten epileptischen Anfall ist nicht unbedingt sofort die Einnahme von Epilepsie-Medikamenten notwendig. Das ist abhängig von der Form des Anfalls und dem individuellen Risiko. Manchmal reicht es aus, mögliche Trigger zu meiden (etwa Lichtblitze) und einen regelmäßigen Schlafrhythmus beizubehalten bzw. zu etablieren. Letzteres ist auch dann noch wichtig, wenn die betroffene Person medikamentös behandelt wird. Wird eine konkrete Ursache für den Anfall ausgemacht, sollte diese nach Möglichkeit behandelt werden.

Antikonvulsiva – auch: Antiepileptika – hemmen die Aktivität der Neuronen und beugen so epileptischen Anfällen vor. Die möglichen Nebenwirkungen der Pharmakotherapie werden in der Einzelfallentscheidung gegen die Gefahr bei Nichtbehandlung abgewogen. Die Monotherapie mit einem Wirkstoff ist die erste Wahl. Wegen der Gefahr von Nebenwirkungen sollte eine Kombitherapie erst in Betracht gezogen werden, wenn auch ein Präparatewechsel keinen Erfolg bringt. Alternativ kommt eine Behandlung mit künstlichen Corticoiden oder ACTH in Betracht.[6][7] Der Einsatz von Immunglobulinen ist umstritten.

Bei Erwachsenen erfolgt die Behandlung gemäß Leitlinie[4]

  • bei fokaler Epilepsie in der Regel mit Lamotrigin oder Levetiracetam, sonst mit Eslicarbazepinacetat, Lacosamid, Zonisamid oder Oxcarbazepin. Letzteres sollte nicht bei älteren Personen eingesetzt werden.
  • bei generalisierter oder unklassifizierter Epilepsie in der Regel mit Valproat, alternativ mit Lamotrigin, Levetiracetam, Perampanel oder Topiramat.

Orale Kontrazeptiva können mit Antiepileptika wechselwirken. Eine sichere Verhütung ist nicht gegeben. Epileptikerinnen halten bei Kinderwunsch am besten Rücksprache mit dem Arzt. Eventuell muss die Therapie vor der Schwangerschaft angepasst werden.

Bei älteren Betroffenen sind die Einstiegs- und Erhaltungsdosen meist niedriger. Die Aufdosierung erfolgt besonders kleinschrittig.

Beim Wechsel zwischen verschiedenen Generika ist Vorsicht geboten, da die Bioverfügbarkeit variieren kann. Wichtig ist die Compliance der Betroffenen. Plötzliches Absetzen der Medikation ist gefährlich. Daher ist eine umfassende Aufklärung über die Behandlung inklusive möglicher Nebenwirkungen sowie Risiken beim Absetzen entscheidend.

Bei neun von zehn betroffenen Erwachsenen vergeht unter Antikonvulsiva mindestens ein Jahr zwischen zwei Anfällen,[8] fünf bis sieben von zehn sind sogar vollständig anfallsfrei und im Alltag nicht eingeschränkt.[2][8] Bei Kindern wird Anfallsfreiheit bei fünf bis sechs von zehn Betroffenen erreicht, sechs bis acht von zehn verlieren die Erkrankung im Lauf des Lebens.[6] Zehn Jahre nach dem letzten Anfall und fünf Jahre nach dem Absetzen sämtlicher Epilepsie-Tabletten gilt die Erkrankung als überwunden.[2]

Es gibt Hinweise darauf, dass die ketogene Diät bei Epilepsie hilfreich sein kann.[9] Die Studienlage ist aber noch dünn[9] und der Wirkmechanismus unklar.[10] Die Ernährungsweise kann auch negative Folgen haben, etwa Hypercholesterinämie.[11] Patienteninformationen über die ketogene Ernährungsweise bei Epilepsie findet ihr hier.

Bei pharmakoresistenter Epilepsie kann je nach Form ein neurochirurgischer Eingriff in Betracht gezogen werden. Zudem gibt es Hinweise, dass die Vagusnervstimulation die Häufigkeit von Anfällen reduziert.[12]

Epilepsie-Betroffene sollten Gefahrensituationen meiden. Die Fahrtauglichkeit ist meist eingeschränkt oder nicht gegeben. Eine umfangreiche Patientenbroschüre über den Alltag mit Epilepsie findet ihr hier.

Die Mortalität ist zwei- bis dreimal so hoch wie bei Menschen, die nicht unter Epilepsie leiden.[2][13] Dennoch ist bei Epilepsie die Lebenserwartung nicht zwingend kürzer als bei Nichtbetroffenen.[1][3]

Epilepsie-Informationen für euch und eure Kundschaft

Kompaktwissen für PTA: Beratung bei Epilepsie

  • Epilepsie ist eine chronische Erkrankung, die mit einer Neigung zu epileptischen Anfällen einhergeht.
  • Mögliche Auslöser reichen von genetischer Veranlagung bis hin zu Durchblutungsstörungen und Tumoren. Nicht immer wird eine Ursache festgestellt.
  • Die Symptome eines epileptischen Anfalls sind verschiedenartig. Möglich sind etwa Absencen, Halluzinationen sowie generalisierte tonisch-klonische Anfälle. In der Regel halten sie maximal zwei Minuten an.
  • Der Status epilepticus ist eine lebensbedrohliche Komplikation und wird notfallmäßig mit Benzodiazepinen behandelt.
  • Spätestens nach dem zweiten epileptischen Anfall ist meist die Einnahme von Antikonvulsiva notwendig. Die Mono- ist der Kombitherapie vorzuziehen.

 

Quellenangabe

[1] Microsoft Word – Epidemiologie-der-Epilepsien-028-2011 (izepilepsie.de)

[2] Pschyrembel Online

[3] 030-079l_S2k_Status_epilepticus_im_Erwachsenenalter_2022-03.pdf (awmf.org)

[4] DGN One | Leitlinie Details

[5] a-0626-6263.pdf (thieme-connect.com)

[6] showdoc,id,400,aid,70.html (dgfe.org)

[7] Epilepsiezentrum Rummelsberg e.V.:: Behandlung (diakonisches-epilepsiezentrum.de)

[8] Microsoft Word – Epidemiologie-der-Epilepsien-028-2011 (izepilepsie.de)

[9] Ułamek-Kozioł, M.; Czuczwar, S.J.; Januszewski, S.; Pluta, R. Ketogenic Diet and Epilepsy. Nutrients 201911, 2510. https://doi.org/10.3390/nu11102510

[10] D’Andrea Meira, Isabella, et al. „Ketogenic diet and epilepsy: what we know so far.“ Frontiers in neuroscience 13 (2019): 5.

[11] Goldberg, Ira J., et al. „Ketogenic diets, not for everyone.“ Journal of clinical lipidology 15.1 (2021): 61-67.

[12] Efficacy and safety of VNS therapy or continued medication management for treatment of adults with drug-resistant epilepsy: systematic review and meta-analysis.“ Journal of Neurology  (2022): 1-18.

[13] Microsoft Word – Lebenserwartung-Todesursache-Tod-122-2013 (dgfe.org)