Reiseübelkeit bei Kindern: Hilfe und Tipps für unterwegs
Reiseübelkeit, auch als Kinetose bezeichnet, ist ein weit verbreitetes Problem bei Kindern und kann das Reisen für die gesamte Familie erheblich erschweren. Besonders im Auto, in Flugzeugen oder auf Schiffen reagieren viele Kinder empfindlich auf die Bewegung, was Übelkeit, Schwindel und Erbrechen zur Folge haben kann.
Diese Symptome entstehen, wenn das Gehirn widersprüchliche Signale von den Augen, dem Innenohr und dem Gleichgewichtssinn erhält. Obwohl Reiseübelkeit unangenehm ist, sollten Reisetabletten nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die Eltern ergreifen können, um die Beschwerden zu lindern und die Reise für ihre Kinder angenehmer zu gestalten.
Reiseübelkeit – was ist das?
Kinetose, auch als Reisekrankheit oder Bewegungskrankheit bekannt, entsteht durch widersprüchliche Sinneseindrücke, die das Gehirn während der Bewegung verarbeitet. Im Wesentlichen ist sie eine Reaktion auf den sogenannten „sensorischen Konflikt“ zwischen den Informationen, die vom Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat) im Innenohr und den Augen an das Gehirn gesendet werden.
Während das Kind beispielsweise still im Auto sitzt, nehmen die Augen die vorbeiziehende Landschaft wahr, was Verwirrung im Gehirn auslösen und Übelkeit verursachen kann.
Mechanismus der Kinetose
- Gleichgewichtsorgan im Innenohr: Das Vestibularsystem, das sich im Innenohr befindet, besteht aus den Bogengängen und den Otolithenorganen (Sacculus und Utriculus). Diese Strukturen reagieren auf lineare und rotatorische Bewegungen des Kopfes und senden Informationen über die Körperhaltung und Bewegung an das Gehirn.
- Visuelle Wahrnehmung: Die Augen registrieren die Umgebung und liefern dem Gehirn Informationen über die Position und Bewegung des Körpers im Raum.
- Mismatch – der sensorische Konflikt:
- Während einer Reise (z. B. im Auto, Flugzeug oder auf dem Schiff) bewegt sich der Körper, und das Vestibularorgan nimmt diese Bewegungen wahr, insbesondere ruckartige, kippende oder schwankende Bewegungen.
- Wenn die Augen jedoch einen stationären, unbeweglichen Bereich wahrnehmen, wie z. B. den Innenraum eines Autos, entsteht ein Konflikt zwischen den von den Augen gesendeten und den vom Vestibularapparat empfangenen Informationen. Das Gehirn erhält widersprüchliche Signale: Während die Augen Stillstand melden, registriert das Gleichgewichtsorgan Bewegung.
- Dieser sensorische Konflikt führt zu einer Überforderung des Gehirns, das die Informationen nicht richtig verarbeiten kann.
- Folgen des sensorischen Konflikts: Das Gehirn interpretiert diesen Widerspruch zwischen den Sinneswahrnehmungen als Hinweis auf eine Bedrohung oder Vergiftung (möglicherweise durch neurotoxische Substanzen). In der Evolution wurde der Körper darauf trainiert, bei solchen widersprüchlichen Signalen Schutzmechanismen wie Übelkeit und Erbrechen auszulösen, um potenzielle Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen.
Symptome der Kinetose
Die Kinetose äußert sich durch eine Reihe von Symptomen, die sich in ihrer Intensität steigern können:
- Müdigkeit, Gähnen, verminderte Aufmerksamkeit
- Kalter Schweiß, Blässe, Schwindel
- Vermehrter Speichelfluss
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen, teils erhebliches Krankheitsgefühl
Wichtig: Das Sopite-Syndrom ist ein Frühsymptom der Kinetose, welches vom Betroffenen oft nicht bemerkt wird. Es äußert sich durch Müdigkeit, Schläfrigkeit, Desinteresse und Rückzug.
Ursachen und Auslöser der Reiseübelkeit
Reiseübelkeit, auch Kinetose genannt, wird durch widersprüchliche Sinneseindrücke ausgelöst. Während das Gleichgewichtsorgan im Innenohr Bewegungen wahrnimmt, sieht das Auge häufig ein unbewegtes Bild, wie beispielsweise den Fahrzeuginnenraum.
Dieser „Mismatch“ führt zu Symptomen wie Übelkeit, Schwindel und Erbrechen. Besonders Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren sind hiervon betroffen, da ihr Gehirn auf diese widersprüchlichen Reize besonders sensibel reagiert. Untersuchungen legen nahe, dass eine genetische Veranlagung ebenfalls eine Rolle spielt1.
Warum Kinder besonders von Reiseübelkeit betroffen sind
Bei Kindern ist das Gleichgewichtssystem besonders empfindlich, da die Verbindung zwischen den optischen Eindrücken und den Gleichgewichtsreizen noch nicht vollständig entwickelt ist. Daher tritt die Kinetose bei Kindern häufiger und intensiver auf. Mit zunehmendem Alter passt sich das Gehirn besser an sensorische Konflikte an, was erklärt, warum die meisten Menschen ab der Pubertät weniger unter einer Reisekrankheit leiden.
Reiseübelkeit – Symptome bei Kindern
Reiseübelkeit kündigt sich bei Kindern oft schleichend an. Die Kleinen wirken müde und schläfrig, unkonzentriert oder gähnen vermehrt. Weitere Anzeichen sind ein vermehrter Speichelfluss, kalter Schweiß, Kopfschmerzen, Übelkeit und schließlich Erbrechen. Besonders häufig sind Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren von einer Kinetose betroffen1.
Gut zu wissen: Ähnliche Symptome können auch durch Computerspiele entstehen, Stichwort simulator sickness. Hierbei entsteht ein visuell-vestibulärer Konflikt, visuelle Reize suggerieren eine Eigenbewegung, während das Gleichgewichtsorgan eine abweichende oder keine Bewegung wahrnimmt.2
Was tun, wenn das Kind erbricht?
Wenn ein Kind während der Reise unter Übelkeit leidet und erbricht, ist es wichtig, dass Eltern ruhig bleiben. Wenn möglich, sollten sie die Fahrt unterbrechen und mit dem Kind an die frische Luft gehen.
Um einem Flüssigkeitsverlust vorzubeugen, sollte das Kind stilles Wasser oder Tee in kleinen Schlucken trinken. Schwere oder fettige Mahlzeiten sind vor und während der Reise ungeeignet; stattdessen eignen sich frisches Obst und leichte Snacks besser. Eine Spucktüte, feuchte Reinigungstücher und Wechselkleidung sollten stets griffbereit sein, wenn die Reiseübelkeit bekannt ist.
Reisekrankheit Vorbeugung – Tipps gegen Reiseübelkeit bei Kindern
Um die unangenehmen Symptome zu vermeiden, sollten Eltern darauf achten, die Bewegungsreize zu minimieren und den Kindern einen guten Blick auf den Horizont zu ermöglichen. Folgende Tipps können helfen:
- Richtiger Sitzplatz: Der Platz auf der Rückbank in der Mitte bietet eine freie Sicht nach vorne, was die Sinneseindrücke besser in Einklang bringt.
- Blick in die Ferne: Eltern sollten das Kind auf ruhende Objekte wie Berge lenken. Das hilft dem Gehirn, die widersprüchlichen Signale zu verarbeiten. Während der Fahrt möglichst nicht lesen und auf dem Schiff an der frischen Luft aufhalten.
- Pausen einlegen: Regelmäßige Pausen, frische Luft und kurze Bewegung können Wunder wirken.
- Ruhige Plätze wählen: Ob auf dem Schiff oder im Flugzeug, der Platz in der Mitte ist oft am ruhigsten, da dort weniger Bewegungen spürbar sind.
- Leichte Snacks: Ein leerer Magen fördert die Übelkeit, fettreiche Mahlzeiten sind ebenso ungünstig. Leichte Snacks wie Brezeln, Zwieback oder Obst sind bereits vor der Fahrt ideal.
Merke: Auch das Vermeiden von histaminreichen Lebensmitteln, wie einige Käsesorten (insbesondere reifer Käse) und viele Wursterzeugnisse (Salami) zählt zu den nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Vorbeugung.1 Auch Bananen, Backwaren mit Hefeteig oder Kakao sind reich an Histamin.
Ablenkung ja, aber richtig
Obwohl Ablenkung hilft, sollten Bücher, Handys und Tablets vermieden werden, da der Blick auf ein unbewegtes Objekt die Übelkeit verschlimmern kann. Stattdessen sind Musik, Hörspiele oder gemeinsame Ratespiele die bessere Wahl.
Mittelohrentzündung bei Kindern: Wie handeln Eltern richtig?
Die akute Mittelohrentzündung, tritt im Kindesalter relativ häufig auf. Die pulsierenden Ohrenschmerzen werden meist von einem erheblichen Krankheitsgefühl und Fieber begleitet. Zudem sind Kopfschmerzen und Beeinträchtigungen des Hörens möglich.
Reiseapotheke – welche Mittel sind empfehlenswert?
Zur Behandlung und Vorbeugung von Reiseübelkeit werden in der Selbstmedikation vor allem H1-Antihistaminika der ersten Generation eingesetzt. Zu den häufigsten Wirkstoffen gehören Diphenhydramin und Dimenhydrinat.
Diese wirken, indem sie zentrale Histamin-H1-Rezeptoren blockieren, was eine antiemetische Wirkung erzielt. Zusätzlich haben beide Substanzen eine anticholinerge Wirkung, da sie auch Muskarin-Rezeptoren blockieren. Die Medikamente sind in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, darunter Tabletten, Suppositorien und Kaugummis, sodass für unterschiedliche Bedürfnisse eine passende Option gewählt werden kann.
Kleine Reiseapotheke für unterwegs
Für unterwegs sind Reisekaugummis und Sublingualtabletten ideal, da sie schnell wirken, leicht zu transportieren sind und ohne Wasser eingenommen werden können. Allerdings sind Reisekaugummis erst ab 6 Jahren und Sublingualtabletten ab 12 Jahren geeignet. Für jüngere Kinder stehen daher nur Zäpfchen, Sirup und Trinklösungen in Portionsbeuteln zur Verfügung.3
Besondere Vorsicht ist bei Gabe des Wirkstoffs Dimenhydrinat bei Kleinkindern angezeigt. Überdosierungen, insbesondere in der Altersgruppe unter drei Jahren, können lebensbedrohlich sein und sollten unbedingt vermieden werden.3
Wichtig in der Beratung mit den Eltern: Arzneimittel sollten nur eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, da keines der erhältlichen Mittel uneingeschränkt empfohlen werden kann. Kinder reagieren empfindlicher auf die Wirkstoffe als Erwachsene, was Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Unruhe, Verstopfung, trockenen Mund, Fieberkrämpfe oder eine erhöhte Sonnenempfindlichkeit der Haut hervorrufen kann.4
Vorbeugung von Reiseübelkeit
Für die Vorbeugung von Reiseübelkeit bei Kindern gibt es nur wenige geeignete Medikamente. Zwei Wirkstoffe, Scopolamin und Diphenhydramin, wurden von Stiftung Warentest als wirksam für Jugendliche und Erwachsene bewertet, wobei die Eignung für Kinder eingeschränkt ist. Beide Wirkstoffe erfordern besondere Vorsicht bei der Anwendung aufgrund der Nebenwirkungen3:
- Scopolamin ist rezeptpflichtig und wird als Pflaster hinter dem Ohr angebracht. Es wirkt bis zu 72 Stunden, ist jedoch erst für Kinder ab 10 Jahren zugelassen. Häufige Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit, Schwindel, Sehstörungen und Mundtrockenheit.
- Diphenhydramin ist ein Antihistaminikum und blockiert Histaminrezeptoren im Gleichgewichtsorgan. Es kann bei Kindern ab 6 Jahren in reduzierter Dosierung (25-50 mg) eingesetzt werden. Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit und Schläfrigkeit. Stiftung Warentest empfiehlt es für Kinder nur eingeschränkt, da ernste Nebenwirkungen auftreten können.
Wichtig: Arzneimittel sollen bei Kindern nur eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen nicht greifen und dann auch nur in Ausnahmefällen nach fachkundiger Beratung.
Hausmittel und sanfte Alternativen bei Reiseübelkeit
Viele Eltern greifen auf sanfte Hausmittel und Homöopathie zurück, um die Symptome zu lindern. Folgende Mittel haben sich in der Praxis bewährt:
- Ein pflanzlicher Ansatz wäre Ingwer, wenn vom Kind angenommen. Ingwer ist reich an ätherischen Ölen, hat kaum Nebenwirkungen und soll bei Reiseübelkeit helfen. Allerdings enthält Ingwer auch Scharfstoffe und sollte bei kleinen Kindern nicht zum Einsatz kommen.
- Pfefferminz: Kaugummis oder Lutschbonbons mit Minzgeschmack (nicht für Kleinkinder geeignet) können Linderung verschaffen.
- Akupressur-Armbänder: Diese üben Druck auf bestimmte Punkte am Handgelenk aus und können gegen Übelkeit helfen.
Mit der richtigen Vorbereitung und den passenden Maßnahmen lässt sich die Reiseübelkeit bei Kindern meist gut in den Griff bekommen, sodass die Urlaubsfahrt für alle entspannter verläuft.
Wann zum Arzt?
Bei langanhaltenden oder sehr starken Beschwerden und wenn sich die Symptome trotz vorbeugender Maßnahmen nicht bessern, sollte Rücksprache mit dem Kinderarzt gehalten werden.
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