Schwindel – Wenn sich die Welt plötzlich anders dreht
Etwa zehn Prozent der unter 65-jährigen, circa 35% der gerade ins Rentenalter gekommenen Patienten und fast jeder ab 75 Jahren leidet oder litt an Schwindel.
Der Leidensdruck bei den Betroffenen ist hoch, da sie sich durch die Gangunsicherheit zurückziehen und kaum noch das Haus verlassen. Außerdem wirken die Patienten auf Außenstehende oftmals betrunken und werden in ihrem Leiden nicht ernst genommen. Dabei steckt oft mehr dahinter, als es scheint:
Ursache für Schwindel
Wer erinnert sich nicht an die atemberaubende Szene aus „Die Schöne und das Biest“ als Belle elegant in ihrem gelben Kleid die Treppe herunter geschritten ist und alle Augen auf ihr lagen – zugegeben, wäre sie plump die Treppe herunter gestürzt, hätte sie wohl auch die ganze Aufmerksamkeit gehabt – aber die romantische Stimmung wäre sicherlich dahin gewesen.
Damit so ein Auftritt – oder jede Alltagsbewegung – auch so souverän wird, ist ein ganz besonders Trio von Nöten: Das vestibuläre System, bestehend aus dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr (welches übrigens gleich neben dem Hörorgan liegt!), dem Gleichgewichtsnerv und den zuständigen Nervenbahnen im Gehirn. Dieses ausgeklügelte Geflecht gibt an, in welche Richtung wir uns bewegen. Dabei wird es durch die Augen unterstützt, die angeben, wo wir gerade sind. Das letzte Mitglied besteht aus Haut, Gelenken, Muskeln und Sehnen. Sie bilden die sogenannte „Tiefenwahrnehmung“, welche die einzelnen Körper(teil)positionen angibt – d.h ist unsere Hand in der Hosentasche ausgestreckt oder zur Faust geballt?
All‘ diese Informationen werden im Gehirn verarbeitet und umgesetzt. Kommen aber unterschiedliche Nachrichten dort an, kommt es zum „Durcheinander“ und Schwindel tritt auf.
Aber nicht nur die Boten können Auslöser sein, auch das Gehirn selbst kann das Problem verursachen – beispielsweise wenn die Sinneseindrücke nicht mehr richtig verarbeitet werden können aufgrund von Sauerstoff- oder Nährstoffmangel. Auch der Blutfluss und -druck sowie die Psyche nehmen Einfluss auf dieses sensible Netzwerk und können damit Schwindel auslösen.
Schwindel ist im Endeffekt keine Krankheit, sondern ein Symptom mit den unterschiedlichsten Ursachen.
Übersicht wichtigste Schwindelarten
Schwindelarten | Schwindelgefühle | Mögliche Ursachen | Bemerkung |
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systematischer oder gerichteter Schwindel |
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unsystematischer, ungerichteter oder diffuser Schwindel |
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gutartige Lagerungsschwindel |
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Morbus Menière (Attackenschwindel) |
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Anhaltender Drehschwindel |
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Psychogener Schwindel |
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Orthostatische Hypotonie |
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Außerdem gibt es folgende „Sonderschwindelformen“:
- Hitzschlag oder Sonnenstich (vor allem bei Kindern!)
- Reisekrankheit
- Höhenschwindel
- Alkohol(sucht)
- Verletzungen an der Schädelbasis oder an der Halswirbelsäule
- Baro-Trauma (kann beim Tauchen oder durch veränderte Luftdruckverhältnisse beim Landeanflug eines Flugzeugs entstehen)
- vestibuläre Migräne (= „Schwindelmigräne“)
- Schwindel kann auch ein Alarmzeichen für einen Schlaganfall sein! – wie etwa beim Wallenberg-Syndrom
- CANVAS-Syndrom (Schrumpfung des Kleinhirns)
- Diabetes mellitus und daraus resultierende Nervenschädigungen in den entsprechenden Körperregionen
- Über- oder mehr noch Unterzuckerung, Blutdruckprobleme, …
Altersleiden Schwindel: Warum nehmen die Beschwerden mit den Jahren zu?
Unsere Sinnesorgane müssen im Einklang sein, damit sie so funktioniere, wie sie sollen. Allerdings nagen auch sie am Zahn der Zeit, sodass ihr und damit unser Gleichgewicht gestört wird.
Zu den betreffenden körperlichen Veränderungen zählen u.a.:
- Gleichgewichtsorgan/Innenohr
Durch schlechtere Durchblutung und eine langsamere Nervenübertragung werden Altersschwindel (und übrigens auch Altersschwerhörigkeit!) ausgelöst - Auge
Durch die altersbedingte Verschlechterung der Augen kommt es meist zu einer Einschränkung im räumlichen Sehens - Muskeln, Gelenke und Sehne
Durch Abnahme der Muskelmasse und schlechterer Koordination und Kondition kommt es zu einer Störung in der Tiefen- und Oberflächenwahrnehmung - Auch die typischen „Alterserkrankungen“ wie
Blutdruckprobleme, Stoffwechselstörungen, Gefäßerkrankungen Diabetes mellitus, etc. oder Neben- sowie Wechselwirkungen von Medikamenten führen zu Altersschwindel
Problematisch wird der Schwindel in diesem Alter auch, da die erhöhte Sturzgefahr zum Teil schwerwiegende Folgen mit sich bringt.
Da die Reflexe im Alter nachlassen, kann der Sturz kaum abgefedert werden. Komplizierte Brüche sind die Folge – vor allem Hüft- und Oberschenkelhalsfrakturen stehen hier im Vordergrund. Bei etwa einem Viertel dieser Fälle erholen sich die Patienten nicht mehr von Folgen und sind fortan pflegebedürftig. Andere ziehen sich aus Angst vor einer neuen Verletzung zurück und fallen durch soziale Einsamkeit in eine tiefe Depression.
Isolation hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die Psyche, sondern führt auch wieder zu Bewegungsmangel – d.h. Muskelmasse wird weiter abgebaut und ein Teufelskreis entsteht.
Behandlungsmöglichkeiten
Medikamenten Check:
Wichtige Hinweise | Arzneimittel |
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Cinnarizin Dimenhydrinat (verschreibungspflichtig) | Das Präparat sollte maximal 4 Wochen eingenommen werden und führt gerade am Anfang zu Müdigkeit. Durch die Symptombehandlung können Stürze und Verletzungen verhütet werden. |
Betahistin (verschreibungspflichtig) | Betahistin ist ein Histaminrezeptoragonist und bindet am entsprechenden Rezeptor im Innenohr und steigert letztlich die Durchblutung. Wird vor allem bei Morbus Ménière eingesetzt. |
Dimenhydrinat, Diphenhydramin (teilweise verschreibungspflichtig) | Schwindel wird oftmals auch mit den Antihistaminika therapiert. Vorteil hierbei ist, dass auch die auftretende Übelkeit mit behandelt wird. |
ginkgohaltige Arzneimittel | Erhöht die Leistungsfähigkeit der Nervenzellen/Gehirn, wodurch die Informationen effektiver ausgewertet werden können und Schwindel, Gangunsicherheit sowie Konzentrationsprobleme sich deutlich bessern können. Außerdem wird die Durchblutung gefördert. |
Magnesium | Magnesium ist an hunderten von Stoffwechselvorgängen beteiligt, sodass ein Mangel auch zu Schwindel führen kann. |
Verschiedene homöopathische oder pflanzliche Kombi-Mischungen | Enthalten u.a. Cocculusm Conium, Tabacum, … Keine sedierenden Effekte und langfristige Anwendung bedenkenlos möglich. |
Campher und Weißdornfrüchte-Extrakt | Sehr effektiv bei Schwindelattacken aufgrund von niedrigem Blutdruck (beim Aufstehen nach dem Liegen, Bücken oder längerem Sitzen) |
Schwedenbitter | Zur Behandlung nimmt man zwei bis dreimal täglich einen Teelöffel Schwedenbitter. Gern auch verdünnt in einem Glas Wasser. |
Kneipp-Kur | Beispielsweise kann ein kalter Armguss den Kreislauf anregen. Besonders empfehlenswert, wenn das Wasser mit Pflanzen – wie Melisse – angereichert ist. |
Zusatztipps:
Eine ausgewogene Ernährung, viel Trinken, ausreichend Bewegung und Gleichgewichtstraining können helfen, gerade dem Altersschwindel, vorzubeugen.
Tipp: Auch an die Augen denken! Evtl. braucht der Patient eine Brille bzw. hat die aktuelle Brille nicht mehr die richtige Stärke, sodass Schwindel ausgelöst wird!
PTA-Wissen kompakt:
- Da Schwindel ein Symptom einer schweren Krankheit sein kann, sollte der Patient bei längerem Fortbestehen immer einen HNO- und/oder Neurologen aufsuchen
- Um schlimmere Verletzungen bei einer Schwindelattacke vorzubeugen, sollten Sie folgende Tipps weitergeben:
- Am besten irgendwo festhalten
- falls möglich hinsetzen oder -legen
- Kopf nicht mehr bewegen und einen festen Punkt fixieren
- langsam atmen
- Ginkgo steigert die Durchblutung, weswegen es vor Eingriffen/OPs rechtzeitig abgesetzt werden sollte. Eine gleichzeitige Einnahme mit anderen Blutverdünnern (ASS, Phenprocoumon) sollte nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen
- Bananen sind ein super „Schwindel-Snack“: Durch den hohen Zucker- und Mineralien- sowie Salzgehalt, kann die gelbe Powerfrucht bei einem Anfall schnell helfen
Quellen:
- Deutsche Seniorenliga inkl. Broschüre für Patienten zum herunterladen
- Patienteninformation akuter Schwindel
- Für alle, die es genauer wissen wollen – Neurologen und Psychiater im Netz
- Weitere Hinterdrundinformationen – Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.