Es ist ein hitzig diskutiertes Vitamin, dieses Cobalamin. Grund ist, dass es eigentlich nur aus tierischen Produkten gewonnen werden kann. Dies widerspricht aber der Lebenseinstellung vieler Menschen – haben Veganer nun immer gleich ein Defizit? Gibt es keine Alternativen? Und wofür braucht der Körper eigentlich dieses Vitamin B12?

Funktion und Mangelerscheinungen

Vitamin B12 ist ein Nährstoff, den der Körper nicht selbst produzieren kann – er ist also auf die Zufuhr von aussen angewiesen. Er wird vor allem für die Bildung von neuer DNA, im Fett- und Aminosäurestoffwechsel und bei der Herstellung von Neurotransmittern und Nervenzellen benötigt. Eine Unterversorgung kann daher starke Risiken für die Patienten mit sich bringen, vor allem, da ein beginnender Mangel oftmals unentdeckt bleibt.
Symptome wie Erschöpfung, Müdigkeit, Vergesslichkeit oder depressive Verstimmungen werden nicht immer mit einem Vitamin-Mangel in Verbindung gebracht. Gerade in der heutigen, sehr leistungsorientierten Gesellschaft trauen sich viele Menschen nicht, solche Probleme anzusprechen oder einen Arzt damit zu behelligen. Werden erste Warnsignale ignoriert, kommt es zu weiteren Mangelerscheinungen.

Durch die hohe Beteiligung an Zellteilungsvorgängen, macht sich ein Defizit auch dort bemerkbar – im Knochenmark und in den Blutzellen. Dort werden bei einem Mangel an Cobalamin weniger rote Blutkörperchen gebildet, was zur Folge hat, dass die vorhandenen überversorgt werden: Sie werden mit einem Übermaß von Hämoglobin angereichert, was sie unnatürlich groß macht und Ihre Funktionen beeinträchtigen kann. Mediziner sprechen von einer „megaloblastische Anämie“.
Die Degeneration des Rückenmarkes und der Hirnstrangbahnen, welche ein längere Unterversorgung mit Vitamin B12 nach sich zieht, wird als “ funikuläre Myelose“ bezeichnet und hat schwere neurologische Folgen für den Patienten. Meist beginnt diese Erkrankung mit Kribbeln oder tauben Beinen sowie Gangunsicherheit, was das Sturzrisiko stark steigert. Diese Auswirkungen werden meist nicht oder zu spät wahrgenommen. Gerade bei Senioren wird bei Gleichgewichtsstörungen oder bei vermehrten Stürzen nicht an die Zufuhr der B-Vitamine gedacht, obwohl es vor allem für diese Patientengruppen esentiell wichtig wäre, einen Normwert zu erreichen. So würden sie neben dem Kopf auch die Funktionen des Herzens schützen. Gerade solche Folgen sind oftmals irreversibel, sodass ein Mangel frühzeitig ernstgenommen werden muss!

Auch Schwangere (und Stillende) sollten unbedingt auf eine ausreichende Versorgung mit B-Vitaminen achten. Für die neurale Entwicklung im fetalen sowie frühkindlichen Stadium ist sie ausschlaggebend! Beispielsweise kann Folsäure, die auch zur Gruppe der B-Vitamine gehört, effektiv vor einem Neuralrohrdefekt schützen.

Lieferanten und deren Unterschiede

Lediglich Mikroorganismen sind in der Lage Vitamin B12 herzustellen. Diese gelangen durch Verunreinigungen auch auf unsere Pflanzen und somit auf den Esstisch – weswegen man sie auch in unserem Dickdarm finden kann. Leider können wir das dort produzierte Cobalamin aber nicht aufnehmen, da unsere Verwertungsstelle im Dünndarm ist. Wir brauchen also Unterstützung.

Diese finden wir in tierischen Erzeugnissen wie Fisch, Meerestiere, Fleisch, Eier und Milchprodukte. Das dort enthaltene Cobolamin kann gut und effizient vom Körper verwendet werden. Teilweise befinden sich auf fermentiertem Gemüse oder Algen Spuren des Vitamins. Zum einen schwankt die enthaltene Menge stark und zum anderen handelt es sich dabei meist um sogenannte Vitamin-B12-Analoga, welche der Körper nicht verwerten kann.
Zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung wird Menschen, die sich vegan ernähren eine dauerhafte Einnahme von Vitamin-B12-Präparaten und Vegetariern eine Überprüfung der entsprechenden Werte jedes bzw. jedes zweite Jahr empfohlen.

Darreichungsformen und Intrinsic Factor

Je nach Präparaten liegt Vitamin B12 unterschiedlich vor. Als Cyanocobalamin, welches synthetisch hergestellt wird und die größte Stabilität aufweist oder als Hydroxocobalamin, dass vor allem in Lebensmitteln vorkommt. Beide muss der Körper erst in die aktiven Coenzym-Formen Methylcobalamin und Adenosylcobalamin umwandeln. Diese findet man stellenweise auch in Fertigarzneimitteln, meist in Kombi-Präparaten. Generell spielt es keine Rolle zu welchem Wirkstoff man greift, da der Körper alle gut verwerten kann. Lediglich Raucher oder Patienten mit Nierenfunktionsstörungen sollten zu Hydroxocobalamin greifen, da hier meist Cyanocobalamin nicht richtig verstoffwechselt werden kann.

Die Darreichungsformen lassen keine Wünsche offen: Egal ob Tabletten, Kapseln, Zahnpasta, Spritzen, Tropfen, (Mund-)Spray, Direktgranulat, oder Trinkfläschchen – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Theoretisch kann sich jeder das heraussuchen, was er möchte – in der Praxis gibt es kleine Einschränkungen.
In den Parietalzellen der Magenschleimhaut befindet sich der sogenannte Intrinsic factor, welcher benötigt wird, um Vitamin B12 im Dünndarm zu resorbieren. Vegan lebende Menschen oder Patienten, deren Magenschleimhaut geschädigt ist, verlieren dieses Glykoprotein. Vor allem unter der Einnahme von Protonenpumpenhemmern (Omeprazol, Pantoprazol und Co.) schrumpft schnell die Fähigkeit der Vitamin B-Aufnahme. Ebenso kann bei zu wenig Magensäure (z.B. bei Antazida-Abusus) die Aufnahme gestört sein. Patienten, bei denen das der Fall ist, kann Vitamin B12 nur über die Mundschleimhaut oder parenteral (durch bsp. Spritzen)aufgenommen werden. Am einfachsten sind hier Lutschtabletten.

Mangel erkennen

Jeder Mensch besitzt einen Vitamin B12-Speicher. Dieser ist unterschiedlich gut (oder schlecht) gefüllt. Nehmen wir nun zu wenig Cobolamin zu uns, entleert sich dieser Speicher langsam. In der Regel reichen unsere Reserven für zwei Jahre. Ein Mangel lässt sich anhand einer Blutuntersuchung im Labor rasch feststellen. Bei einem sogenannten Serumtest wird die Gesamtmenge des Vitamins im Blut gemessen. Bedauerlicherweise kann dieser Test nicht zwischen aktiven und inaktiven Vitamin B12 unterschieden, sodass ein hoher Wert nicht immer einen Mangel ausschließt.

Ein besseres Ergebnis erzielt der Holo-Transcobalamin-Test (Holo-TC), da hier nur die aktive Form gewertet wird. Die Bestimmung der  Methylmalonsäure im Urin und des Homocystein-Wertes im Blut sind nur ergänzende Maßnahmen, die bei fortgeschrittendem Mangel eingesetzt werden. Bei einem beginnenden Defizit verändern sich diese Marker kaum.
Folgende Werte dienen der Orientierung:

Holo-Transcobalamin< 35 pmol/l
Mangel vorhanden,
hohe Substituierung empfohlen
35 – 50 pmol/l
leichter Mangel möglich,
evtl. substituieren
>50 pmol/l
Mangel unwahrscheinlich
Methylmalonylsäure>32 µg/l
Mangel wahrscheinlich
9-32 µg/l
Mangel unwahrscheinlich
HomocysteinDer nüchterne Normalwert für Homocystein liegt zwischen

5 und 10 µmol/l. Bei einem Vit. B Mangel ist er erhöht.

 

Überblick für die Kitteltasche – Vitamin B12:
Bausteine/Wirkstoffe·       Vitamin B12 gehört zur Gruppe der Cobalamine (diese Verbindungen haben immer Cobalt als Zentralatom)

·       Wenn wir von Vit. B12 reden, meinen wir meist das Cyanocobalamin

  •  biologisch inaktiv; es ist ein „Pro-Drug“, welches der Köper erst in die aktive Form umwandeln muss
  •  wird in Nahrungsergänzungsmittel verwendet und vom Körper in das Adenosylcobalamin („Coenzym B12“) umgsetzt

·       ein weiteres biologisch wirksames Co-Enzym ist das Methylcobalamin („Methyl-B12“)

·       Es gibt folgende Speicherformen: Aquacobalamin („Vit. B12a“), Hydroxycobalamin („Vitamin B12b“) und Nitritocobalamin („Vitamin B12c“)

·       sogenannte „Vitamin-B12-Analoga kommen in einigen pflanzlichen Lebensmitteln (z.B. Algen, Sauerkraut) vor, spielen aber leider keine Rolle bei der Versorgung des Körpers mit Vit. B12 – im Gegenteil, durch Blockierung der Transportwege kann sie sich sogar noch verschlechtern

Funktion(en) im Körper·       Normaler Energiestoffwechsel

·       Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung

·       Funktion bei Zellteilung sowie beim Ab- und        Umbau im Fett- und Aminosäurestoffwechsel

·       Normale Bildung der roten Blutkörperchen

·       Normale Funktion des Immunsystems

·       Normale Funktion des Nervensystems

·       Normale psychische Funktion

Bezugsquellen·       Fisch

·       Krustentiere

·       Fleisch

·       Eier

·       Milchprodukte

RichtwerteSäuglinge:

0 bis unter 4 Monate: 0,5 µg/Tag

4 bis unter 12 Monate: 1,4 µg/Tag

Kinder und Jugendliche:

1 bis unter 4 Jahre: 1,5 µg/Tag

4 bis unter 7 Jahre: 2 µg/Tag

7 bis unter 10 Jahre: 2,5 µg/Tag

10 bis unter 13 Jahre: 3,5 µg/Tag

13 bis unter 15 Jahre sowie Erwachsene und Senioren: 4 µg/Tag

Schwangere: 4,5 µg/Tag und Stillende 5,5 µg/Tag

 

Symptome einer Unterversorgung·       Unfruchtbarkeit

·       Megaloblastische Anämie
(= Produktion unnatürlicher großes roter Blutzellen)

·       Funikuläre Myelose
(=Erkrankung des zentralen Nervensystems,
vor allem des Rückenmarks)

·       Neurologische Beschwerden wie Demenz, Gedächtnisstörungen, Psychosen, Konzentrationsschwäche, Persönlichkeitsveränderungen

·       Müdigkeit, Erschöpfung

·       Nervenschmerzen, Neuropathien

·       Darmbeschwerden und/oder Durchfall

·       Entzündungen der Zunge und der Mundschleimhaut

·       Kribbeln in Armen/Beinen oder Taubheitsgefühl

Risikogruppen für eine Unterversorgung

 

·       Schwangere

·       Senioren (!)

·       Veganer

·       Vegetarier mit erhöhtem Vit. B12 Bedarf (z.B. Schwangerschaft)

·       Menschen mit Magen-Darm-Erkrankungen wie bsp.  atrophische Gastritis, chronisch-entzündliche Darmkrankheiten (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), exokrine Pankreasinsuffizienz oder Patienten, denen ein Teil des Magen und/oder Darms operativ entfernt wurde (CAVE auch bei Magenband)

Symptome einer Überversorgung·       Fälle von Überdosierung bisher nicht bekannt

  • viel geschluckt heißt nicht automatisch viel aufgenommen – im Gegenteil: der Körper scheidet dann vermehrt das Vitamin aus
  • Ausnahme: Hypercobalaminämie bei Organfunktionsstörungen

·       bei Nahrungsergänzungsmittel kommt es sehr selten zu Überempfindlichkeitsreaktionen gegen einen der Inhaltsstoffe

Freund/Feind

 

 

 

Freund:

·       Vitamin B12, B6 und Folsäure sind eng miteinander verbunden und ergänzen sich optimal. Vor allem für die Einlagerung von Eisen werden alle drei Vitamine benötigt.  Ebenso regulieren sie den Homocysteinhaushalt.

·       Calcium unterstützt die Aufnahme von B12

  • haben sich der Intrinsic factor und das Vit. B12 miteinander verbunden, lagern sie sich an der Dünndarmschleimhautwand an. Erst durch Calcium kann dieser „Komplex“ aufgenommen werden und in die Blutbahn gelangen.

 

Feind:

·       Bestimmte Lebensmittel verschlechtern die Eisenaufnahme.
(Abstand 4h – ca. 2h vor und 2h nach Einnahme)
Dazu gehören u.a.:

  • Tannine wie in Kaffee, Tee
  • andere zweiwertige Kationen wie Calcium (Milch)
  • Getreide (Vollkorn), Hülsenfrüchte, Reis, Soja und andere Phytinsäure-Quellen
  • phosphathaltige Lebensmittel wie bestimmte Limonaden („Cola“)
  • oxalsäurereiche Nahrungsmittel wie Spinat, Rote Bete, Rhabarber, Mangold und Co.
  • Polyphenole in beispielsweise Grüntee oder Traubensaft

·       Medikamente:

  • Magen-/Darmmittel:
    Protonenpumpenhemmer, Antazida mit Al-/Mg-hydroxid, Natriumbicarbonat und teilweise H2-Blocker
  • Gerade durch Säureblocker können verschieden Mikronährstoffe nicht mehr optimal aufgenommen werden – neben Magnesium ist das auch Vit. B12
    (Cave: Senioren brauchen das B12 vermehrt für kardiovaskuläre und neurologische Funktionen)
  • Diuretika aller Substanzklassen erhöhen die Vit. B12-Ausscheidung und daher die Gefahr eines Mangels (Cave: Senioren!)
  • Antidiabetika: Metformin: Das Diabetesmittel hemmt die Aufnahme von B12 aus dem Darm
  • Lipid- und Cholesterinsenker: Colestyramin (bindet den Intrinsic factor und stört damit die Vit. B12-Resorption (um bis zu 90%!))
  • Antirheumatika: Methotrexat
  • Schmerzmitel: Acetylsalicylsäure („ASS“)
  • Antiepileptika: Carbamazepin, Valproinsäure, Primidon, Phenytoin, Phenobarbital
  • Antihypertonika : Methyldopa
  • Antibiotika: Neomycin, Chloramphenicol

 

PTA-Wissen kompakt:

  • Patienten, die über längere Zeit Protonenpumpenhemmer einnehmen oder bei veganer Ernährung, fehlt der Intrinsic factor, weswegen Vit. B12 nicht mehr aufgenommen werden kann. Eine Substitution muss durch Spritzen oder über die Mundschleimhaut (am besten Lutschtabletten) erfolgen.
  • Da sich die B-Vitamine in ihrer Funktion ergänzen und stellenweise einander brauchen empfiehlt es sich (auch preislich) meist einen B-Vitamin-Komplex zu nehmen, anstatt ein Cobalamin alleine.
  • Bei Gangunsicherheit oder Schwindel an Vitamin B12 denken!
  • Bei zu viel Vitamin B12, scheidet der Körper das Vitamin vermehrt aus – ggf. lieber mehrere kleine Dosen über den Tag verteilt geben, anstatt einer Großen.
  • Patienten, die eine Krankheit haben, bei der rote Blutkörperchen schnell zerfallen oder die an AIDS leiden, haben einen erhöhten Vitamin B-Bedarf.
  • Gerade ältere Menschen leiden oftmals an einer Gastritis oder nehmen Medikamente ein, die die Magenschleimhaut beeinflussen (Protonenpumpenhemmer) oder die Einfluss auf den Vitamin B12-Haushalt haben. Ab 60 Jahren sollte daher eine Substitution mit Vitamin B erfolgen – je nach Medikamenten Einnahme (oder nicht-Einnahme) reicht auch eine Substitutions-Kur aus (2x im Jahr für 4 Wochen).
  • Das Vitamin B12 kann nicht nur vor Depressionen schützen, sondern wird auch effektiv bei Neurodermitis und Schuppenflechte eingesetzt. Hierfür stehen auch Salben mit Cyanocobalamin zur Verfügung, welche rückfettend und entzündungshemmend sind.
  • Zwar ist eine Überdosierung von Vit. B12 durch reine Nahrungsaufnahme praktisch ausgeschlossen, aber durch beispielsweise Verabreichung von Spritzen bei organischen Funktionsstörungen (wie Lebermetastasen) kann eine Hypercobalaminämie auftreten, welche sich in immunologischen Reaktionen wie Hautausschlag zeigt.

Quellenangabe