Desinfektionsmittel in der Beratung: Einsatz, Empfehlungen und Sicherheit
Viele Kunden möchten sich vor Magen-Darm-Viren oder Erkältungen schützen und verlangen ein Mittel zur Händedesinfektion. Doch worauf sollte unbedingt geachtet werden und welche Präparate sind geeignet?
In der Apotheke sollte sich die Frage gestellt werden, welche Desinfektionsmittel z.B. bei Erkältungskrankheiten oder Brechdurchfall Sinn machen und welche nicht. Denn nicht jedes Desinfektionsmittel ist gleichermaßen geeignet, um scheinbar banale Rhino- oder Adenoviren (Erkältung) oder auch Noroviren (Brechdurchfall) abzutöten.
Wann reicht Seife, wann ist Desinfektion nötig?
Meistens reicht das gründliche Händewaschen mit Seife für 20 bis 30 Sekunden völlig aus, um die virale Belastung auf den Händen zu beseitigen. Und das sollten wir auch gründlich und oft tun. Denn im Schnitt greifen wir uns unbewusst alle vier Minuten oder etwa 400 mal am Tag mit den Fingern an die Augen, Nase oder Mund.
Da wir in der Apotheke oft auch mit wirklich pathogenen Keimen zu tun haben, könnte man zumindest darüber nachdenken, auch ab und an seine Hände und bestimmte Bereiche in der Offizin während der Arbeit zu desinfizieren. Vor allem nach Kontakt mit Erkälteten, an Brechdurchfall oder Influenza leidenden Patienten ist dies ratsam, um so die Infektionskette zu durchbrechen.
RKI-Liste und Wirksamkeitsangaben: Orientierungshilfen für die Desinfektionsmittel-Beratung
Das Robert Koch-Institut (RKI) aktualisiert regelmäßig die Liste der anerkannten und auf Wirksamkeit geprüften Desinfektionsmittel gemäß § 18, Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Umweltbundesamt (UBA) prüfen die vom RKI getesteten Mittel auf Unbedenklichkeit für die Gesundheit und Umwelt.
Um zuverlässig und schnell zu erkennen, welche Desinfektionsmittel in der Beratung gegen die verschiedenen Arten von Mikroorganismen wirksam sind, empfiehlt sich häufig der Blick auf das Etikett. Es sollte z.B. beim Kundenwunsch für ein Desinfektionsmittel gegen Erkältungs- oder Noroviren immer darauf geachtet werden, dass „RKI-Liste Bereich A/B“ und eine möglichst hohe Wirksamkeit wie „begrenzt viruzid, begrenzt viruzid PLUS, viruzid“ deklariert ist. Erst dann ist gewährleistet, dass, sofern die angegebenen Einwirkzeiten eingehalten werden, alle möglichen Viren abgetötet werden.
Wie wirken Desinfektionsmittel?
Desinfektionsmittel haben den Anspruch, von 1.000.000 Keimen maximal 10 am Leben zu lassen. Damit ein Desinfektionsmittel ausreichend stark sämtliche Keime abtötet, muss dieses standardisierte Prüfverfahren, die die Zulassungsbehörden fordern, durchlaufen.
Die am häufigsten in der Apotheke anzutreffenden Desinfektionsmittel bestehen aus Alkoholen (z.B. Ethanol, Propan-1-ol, Propan-2-ol), Aldehyden (z.B. Glyoxal) und quaternären Ammoniumverbindungen (z.B. Mecetroniumetilsulfat). Voraussetzung für die Wirksamkeit der Alkohole ist Wasser. Dieses lässt die Zellwand des Mikroorganismus aufquellen, erst dann kann der Alkohol in die Zelle eindringen und somit die Proteine denaturieren. Aldehyde denaturieren die Mikroorganismen auf ähnliche Art und Weise. Sie zerstören Zellwandbestandteile, wodurch diese, ähnlich wie bei Alkoholen in Kombination mit Wasser, durchlässig werden und so das osmotische Gleichgewicht stören. Quaternäre Ammoniumverbindungen sind oberflächenaktive Substanzen (kationische Tenside), die kleine Poren in der Zellmembran bilden und somit die Penetration dieser Stoffklasse erleichtern.
Verschiedene Wirkbereiche
Bereich A zur Abtötung von vegetativen Bakterien einschließlich Mykobakterien sowie von Pilzen einschließlich Pilzsporen geeignet
Bereich B zur Inaktivierung von Viren geeignet, entspricht der Definition „viruzid“- wirksam gegen behüllte und unbehüllte Viren, weitere Wirkungsbereiche zur Virusinaktivierung: „begrenzt viruzid“ – wirksam gegen behüllte Viren, „begrenzt viruzid PLUS“ – wirksam gegen behüllte Viren sowie zusätzlich gegen Adeno-, Noro- und Rotaviren
Bereich C zur Abtötung von Sporen des Erregers des Milzbrandes geeignet
Bereich D zur Abtötung von Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf geeignet (zur Abtötung dieser Sporen müssen Sterilisationsverfahren unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen angewendet werden).
So tötet zum Beispiel 99%iger Ethanol von einem namhaften Hersteller für Desinfektionsmittel zuverlässig vegetative Bakterien, Mykobakterien, Pilze, Pilzsporen und behüllte Viren (Heptatitis-B-Virus, Hepatitis-C-Virus, Humanes Immundefizienz Virus, Influenzaviren) schon nach mindestens 30 Sekunden, unbehüllte Viren wie Adeno-, Rota-, Rhino- und Noroviren hingegen erst nach 2 Minuten ab. Daher sollte das Desinfektionsmittel immer diese deklarierten Mindestzeiten mit der zu desinfizierenden Fläche in Kontakt bleiben.
80%iger Ethanol und 70%iger Isopropanol haben laut dem Robert Koch-Institut überraschenderweise nur einen Wirkungsbereich A. Sie sind also nur gegen vegetative Bakterien einschließlich Mykobakterien sowie Pilze einschließlich Pilzsporen wirksam. Wer also doch unerwartet wider Willen mit einer Erkältung in der Offizin oder im Labor steht und aus Versehen in die Fantaschale oder auf Tastatur niest, sollte daher das gute alte Isopropanol an der Seite stehen lassen und alle Instrumente, die Arbeitsflächen und Hände mit 99%igem Ethanol desinfizieren (und natürlich schleunigst nach Hause gehen).
Behüllte Viren
Die Virushülle besteht, im Gegensatz zu unbehüllten Viren, aus Lipiden einer Lipid-Doppelmembranen, in der virale Proteine eingebettet sind. Diese gesamte Virushülle umschließt ein Kapsid, in das virale Nukleinsäuren (genetische Information) eingebaut sind. Behüllte Viren besitzen durch ihren Aufbau den evolutionären Vorteil, die eigene Oberfläche zu verändern, einfacher gesunde Zellen anzugreifen und das Immunsystem des Wirts zu untergraben. Somit sind sie die Übeltäter, wenn es um Pandemien geht (HIV, Influenza, Ebola).
Was ihr als PTA wissen solltet
- Bei einer leichten Erkältung ist zu Hause kein Desinfektionsmittel notwendig, richtiges und häufiges Händewaschen reicht aus
- Regelmäßig einen Blick in die Liste des RKI zu geprüften und anerkannten Desinfektionsmitteln werfen
- Immer auf dem Etikett nach der Deklaration des RKI schauen
- „Bereich A“ gegen Bakterien und Pilze, „Bereich B“ inkl. „viruzid“ gegen alle Viren wirksam
- Einwirkzeiten je nach „Problemfall“ beachten
- 99%iger Ethanol ist ein sehr gutes Allround-Produkt gegen sämtliche Mikroorganismen
Quellenangaben
- Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren zur Anwendung im human-medizinischen Bereich. Zum Artikel
- Geprüfte und anerkannte Desinfektionsmittel und- verfahren. Liste des Robert-Koch-Instituts
- Richtig desinfizieren. DAZ Merkblatt
- Welthändehygienetag- Wann welches Händedesinfektionsmittel?
- Hygiene im Alltag- Vom Händewaschen bis zur Desinfektion
- Labor Arnold- Arten von Desinfektionsmitteln
- Prävention und Hygiene – Krankheiten vermeiden durch richtiges Händewaschen
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