Saisonstart Allergie – Wenn ein Eindringling den Organismus aufmischt
Husten, Halskratzen und häufiges Niesen sind Symptome, die uns wohl allen bekannt sind – aber nicht immer steckt eine Erkältung dahinter. Gerade jetzt, wenn die ersten Pflanzen aus dem Winterschlaf erwachen, wird wieder ein Thema ganz aktuell: Die Allergie.
Das erste Mal ist frei – wie kommt es zu einer Allergie?
Ein potenziell allergieauslösender Stoff gelangt in unseren Körper, wo unser eigenes Abwehrsystem nun Alarm schlägt: Es möchte diese körperfremde Substanz so schnell wie möglich eliminieren – also bildet es spezifische Antikörper dagegen. Kommt es nun zum erneuten Kontakt – und man hat die entsprechende erbliche Veranlagung dazu – wird die allergische Reaktion ausgelöst. Diese kann ganz unterschiedlich aussehen, aber meist treten Juckreiz in der Nase sowie allergischer Schnupfen mit evtl. chronische Nasennebenhöhlen-Entzündung und Augenleiden auf.
Hierbei schwankt das Beschwerdebild von geröteten und juckenden Augen, zu trockenen Augen bis hin zu tränenden Augen. Aber auch Schleimhautschwellungen (Achtung Zunge, Lippe!), Heiserkeit, Halsschmerzen, Husten und Atembeschwerden sowie Hautausschlag bzw. Ekzeme können eine Allergie unerträglich machen. Die Symptome sind so individuell wie jeder Allergiepatient auch.
Allergieauslöser
Theoretisch kann jede Substanz eine allergische Reaktion verursachen – die häufigsten Auslöser sind aber Pollen, Milben/Insekten oder Schimmelpilze. Aber auch Tierhaare und bestimmte Nahrungsmittel können für manche Menschen gefährlich werden. Vor allem, da diese Symptome meist nicht saisonal beschränkt sind, sondern ganzjährig auftreten. In den letzten 25 Jahren hat sich die Zahl der Allergiker verdoppelt – Tendenz weiter steigend.
Vor allem die heutige Lebensweise – Luftverschmutzung, Rauchen, bestimmte chemische Stoffe und falsche Ernährung – überfordert unser Immunsystem und erhöht das Allergierisiko. Aber auch übertriebene Hygiene oder der Klimawandel können daran schuld sein – man weiß beispielsweise, dass Birkenpollen, die hoher Ozonbelastung ausgesetzt waren, viel aggressivere und intensivere Allergiereaktionen auslösen. Mit mehr als 20 Millionen Betroffenen, ist der Heuschnupfen die häufigste Allergieform in Deutschland.
Pollenallergie – Ein Medikamentenüberblick
Zwischen Februar und Oktober haben die Blütenstaubteilchen Hochsaison – und der sogenannte „Heuschnupfen“ treibt die betroffenen Patienten zu uns die Apotheke. Typischerweise beginnen die Symptome lokal, d.h. in Nase, Mund und Augen. Aber auch allgemeine Schwäche, Müdigkeit und Schlafstörungen fordern dem Kunden vieles ab, sodass hier eine gute Beratung einiges an Lebensqualität zurückbringen kann. Doch welche Präparate machen Sinn?
Neu und unangefochten – Glucocorticoide als Mittel der ersten Wahl
Seit 2016 gibt es nun eine ganze Menge unterschiedlicher Cortisonnasensprays auch rezeptfrei in der Apotheke zu kaufen. Ihr Ruf ist schlecht, doch laut Leitlinien sind sie stets zu empfehlen – woher kommt das? Systemisch angewendete Glucocorticoide haben ein breites Nebenwirkungsspektrum. So fürchten Patienten neben einer deutlichen Gewichtszunahme auch Bluthochdruck, schlechte Zucker- sowie Cholesterinwerte und Osteoporose oder Hautprobleme.
Was viele nicht wissen: Bei einem richtig angewendeten Cortisonnasenspray ist eine systemische Wirkung aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit unwahrscheinlich! Die Wirkstoffen Fluticason und Mometason übertrumpfen in diesem Punkt ihren Bruder Beclometason sogar noch deutlich. Die pharmakologische Wirkung punktet dreifach: antiallergisch, entzündungshemmend und abschwellend sind hier die Stichworte. Die Symptome werden nicht nur an der Nase gelindert, sondern auch am Auge – und das bei nur einmal täglicher Anwendung. Nach fünf bis neun Stunden tritt die erste Linderung ein, nach ein paar Tagen ist das volle Wirkungsspektrum entfaltet – daher ist eine regelmäßige Applikation wichtig. Nach etwa zwei Wochen sollte das Nasenspray in der Selbstmedikation herunter dosiert werde.
Überblick Cortison-Nasensprays:
Glucocortikoide | Mometason (-furoat) | Fluticason (-17-propionat) | Beclometason (-dipropionat) | Budesonid |
---|---|---|---|---|
Altersangabe | Rx: ab 3 Jahren OTC: Erwachsene | Rx: ab 4 Jahren OTC: Erwachsene | Rx: ab 6 Jahren OTC: Erwachsene (teilweise ab vollendetem 12 Lebensjahr) | nur Rx: Kinder über 6 |
Anwendungs-dauer | Rx sowie OTC: Keine Begrenzung | Rx: Keine Begrenzung OTC: Ohne ärztl. Anweisung nicht länger als 3 Monate | Rx: Überwachung notwendig; nach längstens 6 Monaten Therapie überprüfen, ob eine Weiterbehandlung mit Beclometason angezeigt ist OTC: ohne ärztl. Rat nicht zu empfehlen, da regelmäßige Arztbesuche zur Überwachung empfohlen werden | Rx: Der Arzt legt die Behandlungsdauer fest |
Bemerkung (1) | Rx auch bei Nasenpolypen zugelassen; bester therapeutischer Index (d.h. Verhältnis Wirkung/Nebenwirkung)
| KEIN Anwendungs-gebiet „Nasenpolypen“ | Systemische Wirkung eher möglich; schlechtester ther. Index
| verschreibungspflichtig |
(1) Nur bei Behandlung des allergischen (Heu-)Schnupfens (Rhinitis) mit vorheriger Diagnosestellung durch einen Arzt anzuwenden!
Praxistipps:
- Behälter vor Gebrauch stets schütteln; zusätzlich vor der ersten Anwendung Dosierpumpe solange betätigen, bis feiner Nebel kommt (Steigrohr nun gefüllt)
- Kopf aufrecht halten; anderes Nasenloch zuhalten
- Um systemische Wirkung so niedrig wie möglich zu halten: leicht ausatmen, dann sprühen und nach etwa 2 Sekunden einatmen sowie durch den Mund ausatmen
- nicht direkt auf Nasenscheidewand sprühen (Tipp: Mit linker Hand ins rechte Nasenloch sprühen und umgekehrt)
- Nebenwirkung Nasenbluten minimiert
- alle OTC-Sprays haben Benzalkoniumchlorid als Konservierungsmittel enthalten, welches aber die Nasenschleimhaut stark austrocknet
- 20min nach Cortison-Spray mit Meerwasser/Dexpanthenolspray nachsprühen
- Nasenstück regelmäßig abziehen und mit warmen Wasser durchspülen, da andernfalls durch die Cortisonkristalle die Öffnung verstopft und kein feiner Nebel mehr zustande kommt
Antihistaminika – Die oralen Verkaufsschlager
Derzeit werden am häufigsten H1-Antihistaminika zur Behandlung von Allergien verkauft und empfohlen. Sie wirken als kompetitive Antagonisten an H1-Rezeptoren und heben dadurch die typische Histaminwirkungen bei einer allergischen Reaktion auf. Sie können sowohl lokal als auch oral angewendet werden. Es gibt zwei verschiedene Generationen der oralen Wirkstoffe. Die sogenannte „1. Generation“ ist nicht H1-Rezeptor-spezifisch, d.h. diese Medikamente gelangen in das Gehirn und lösen dort zentrale Störungen wie Müdigkeit und Schwindel aus.
Außerdem haben sie eine kürzere Wirkdauer und müssten öfters verabreicht werden. Zu ihnen zählen beispielsweise Dimetindenmaleat und Diphenhydramin. Die „2. Generation“ kann die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr passieren und ist daher weniger dämpfend. Trotz der Spezifizität zum Rezeptor können auch sie müde machen – dafür reicht es in der Regel, wenn man sie einmal täglich einnimmt. Zu dieser Generation gehören beispielsweise die Wirkstoffe Cetirizin und Loratadin. Um die Müdigkeitserscheinungen zu minimieren, sollten die Tabletten am besten abends eingenommen werden. Die Müdigkeit hält nämlich nur ein paar Stunden an, die antiallergene Wirkung 12 bis 24 Stunden. Generell sollten diese Medikamente nicht mit Alkohol eingenommen werden.
Ein Überblick über die gängigsten oralen Antihistaminika
Antihistaminika | Dimetinden(-maleat) 1. Generation | Cetirizin 2. Generation | Loratadin 2. Generation |
---|---|---|---|
Altersangabe | ab 1 Jahr | ab 2 Jahren | theoretisch ab 2 Jahren zugelassen, da aber nur Tabletten mit 10mg im Handel sind, muss Körpergewicht über 30kg liegen |
Sedierung | starke Sedierung | geringe Sedierung | noch weniger sedierend als Cetirizin (Loratadin ist z.B. für die Anwendung bei Piloten in den USA zugelassen) |
Bemerkung | Anticholinerg Wirkstoff auf PRISCUS-Liste (D.h. nicht für Senioren geeignet) Nicht bei Nierenproblemen | Cetirizin oder Levocetirizin?
Nicht bei Nierenproblemen | Loratadin (OTC) oder Desloratadin (Rx)?
Nicht bei Leberproblemen |
Es gibt einige Präparate, die ein Antihistaminikum mit einem Sympathomimetikum kombinieren. Da gerade letztere Wirkstoffgruppe viele Neben- und Wechselwirkungen aufweist, sollte hier eine deutliche Nutzen-Risiko-Abwägung stattfinden. Die Anwendung ist – je nach Wirkstoff – auf maximal 10-14 Tage zu beschränken.
Antihistaminika – Auch topisch nicht zu bremsen
Die Wirkstoffklasse der Antihistaminika kann aber nicht nur eingenommen werden, sondern verschafft auch durch eine lokale Applikation Linderung. Hierbei sind die gängigsten Wirkstoffe Azelastin und Levocabastin. Zwar ist Letzterer bei Kunden beliebter, aber Ärzte verschreiben vermehrt Azelastin. Beide punkten mit schnellem Wirkungseintritt und einem geringen Nebenwirkungspotenzial.
Überblick: Lokale Antihistaminika
Arzneistoffe | Azelastin | Levocabastin |
---|---|---|
Altersangabe | Je nach Hersteller 6 bzw. 12 Jahre | ab 1 Jahr |
Wirkung | zusätzlich zum H1-Antagonist auch mastzellenstabilisierend und antientzündlich | rein hochselektiver H1-Antagonist |
maximale Anwendungsdauer | Augentropfen: maximal 6 Wochen Nasenspray: 6 Monate | Augentropfen: 6 Wochen Nasenspray: 6 Monate
|
Bemerkung | bitterer Geschmack
Vorteil: Steht sowohl als Augentropfen wie auch als Nasenspray konservierungsmittelfrei zur Verfügung! | vor der Anwendung schütteln!Bei Nierenproblemen ggf. Dosisanpassung Nasenspray teilweise konservierungsmittelfrei verfügbar |
Cromone – Vorsicht ist besser als Nachsicht
Als einzigen Vertreter dieser Wirkstoffgruppe steht in den Apothekenregalen die Cromoglicinsäure/DNCG. Er stabilisiert die Mastzellen, sodass sie bei Kontakt mit Allergenen nicht mehr so leicht „platzen“ und schließlich die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren gehemmt wird. Leider funktioniert dieser Effekt nur vorbeugend, sodass mit einer Therapie rechtzeitig begonnen werden muss. Etwa zwei Wochen benötigt der Wirkstoff, um sein Potenzial zu entfalten. Die Behandlung muss solange fortgeführt werden, wie die Allergene auf den Patienten einwirken. Erfolgt die Einnahme über einen längeren Zeitraum, kann die Cromoglicinsäure die Lunge stabilisieren und zu einer allgemeinen Besserung der Allergie beitragen. Zudem wird es erfolgreich zur Verbesserung von allergischem Asthma eingesetzt. Ein weiterer Vorteil: Cromoglicinsäure gehört zu den Mitteln der Wahl in der Schwangerschaft/Stillzeit und kann im Bedarfsfall – nach Rücksprache – eingesetzt werden.
Hyposensibilisierung – Die „Allergieimpfung“
Trotz Hyposensibilisierung bleibt ein Allergiker auch immer ein Allergiker – aber sie kann eine deutliche Steigerung der Lebensqualität sichern: Durch Verabreichung geringer Dosen des allergieauslösenden Stoffes wird der Körper resistenter gegen die Allergene gemacht – und die spezifische Immunreaktion mit den einhergehenden allergischen Symptomen nimmt ab. Ziel der Therapie ist die Patienten auf langer Sicht beschwerdefrei zu bekommen. Vor allem bei Pollen, Insektengiften, Hausstaubmilben, Tierhaare sowie Tierspeichel und Schimmelpilze erzielt die Behandlung große Erfolge. Die Behandlung obliegt aber stets einem Arzt und ist mit einigen Praxisbesuchen verbunden, die Kosten werden aber von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Praxistipps zum Heuschnupfen
- Pollenflugkalender beachten! Halten Sie sich möglichst wenig draußen auf. Am besten nur bei Regen spazieren gehen und keinen Sport an der frischen Luft machen – durch die Anstrengung atmen Sie tiefer ein und die Pollen gelangen tiefer in die Lunge
- Auf das Timing achten: Auch beim Lüften sollten Sie den richtigen Zeitpunkt wählen – in der Stadt am besten zwischen sechs und acht Uhr morgens sowie in ländlichen Gebieten abends nach 19 Uhr die Fenster öffnen
- Haare täglich waschen, Brille öfters reinigen und auch die Kleidung jeden Tag mindestens einmal wechseln – hier setzen sich überall Pollen fest
- Achtung Auto: Auch hier am besten die Fenster geschlossen halten und ggf. einen speziellen Pollenfilter einbauen lassen. Gerade beim Fahren, können eine allergische Reaktion und Müdigkeit gefährlich werden
Was Ihr als PTA wissen solltet:
- Allergie nicht auf die leichte Schulter nehmen: Nicht behandelter Heuschnupfen kann zu Asthma führen. Dieser sogenannte „Etagenwechsel“ findet bei 2 von 5 Fällen statt!
- Leidet ein Elternteil an einer Allergie, steigt das Risiko für deren Kinder auch zum Allergiker zu werden auf 33%. Sind beide Eltern betroffen sogar auf 70%!Übrigens: Ist die Mutter Allergiker, steigt das Risiko vor allem für Mädchen stark an. Ist der Vater hingegen der Betroffene, sind vor allem die Jungs gefährdet ⇨ ggf. an Prophylaxemaßnahmen denken!
- Bei starken Allergien sollten man besser ein Notfallset bei sich führen, sodass bei einem anaphylaktischen Schock schnell gehandelt werden kann
- Gezielter Mikrobiomaufbau (Darm) kann zu einer deutlichen Allergie-Verbesserung führen
Quellenangaben und weiterführende Informationen:
- Alle Allergien im Überblick inkl. Pollenflugkalender findet Ihr hier.
- Für alle, die es genauer wissen wollen – Zentrum für Rhinologie und Allergologie Wiesbaden
- Für alle Medikamentenfragen in Schwangerschaft und Stillzeit – Pharmakovigilanz -und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie
- Wenn Heuschnupfen zu Asthma wird
- Beipackzettel online einsehen
- OTC-Switch Levocitirizin
- Auch interessant: Probiotika – Sinnvolle Helfer für den Darm?
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