Niacin (Vitamin B3): Das Wundermittel gegen Krebs?
Das Coenzym Niacin ist an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt und vor allem für seine Bedeutung in der Energiegewinnung sowie der Zellregeneration bekannt.
In etlichen Studien wurde das Potenzial des, auch als Vitamin B3 bezeichneten Nährstoffs, untersucht. Doch welchen Nutzen hat Niacin bei Krebs oder zur Senkung des Cholesterinspiegels?
Vitamin B3-Stufen und Niacin-Flush
Das in den meisten Arzneimitteln verwendete Nicotinamid muss im Darm erst in Nicotinsäure umgewandelt werden. Diese gelangt dann in die Blutbahn, wo es schließlich zur Leber transportiert wird. Die Leber kann aber auch selbst Vitamin B3 bilden – hierfür wird mithilfe von Vitamin B6 aus der Aminosäure Tryptophan die Coenzyme NAD und NADP gebildet. Diese sind an den unterschiedlichsten Stoffwechselvorgängen beteiligt. Niacin kann vom Körper kaum gespeichert werden, sodass wir auf eine gute Versorgung angewiesen sind.
Die Mengen, die gespeichert werden können, werden in der Leber deponiert, weswegen eine stetige Überversorgung auch Gelbsucht hervorrufen kann. Führt man die Nicotinsäure dem Körper direkt zu, beispielsweise als Nahrungsergänzungsmittel, geht nicht nur ein großer Teil durch die Magen-Darm-Passage verloren, sondern man muss auch mit dem sogenannten „Niacin-Flush“ rechnen. Bei diesem erweitern sich die Blutgefäße plötzlich und rasch, sodass es zu starkem Kribbeln und Jucken sowie Hautrötungen kommen kann.
Unterschied „pflanzliches/tierisches“ Vitamin B3 und Pellagra
Im Gegensatz zu vielen anderen Vitaminen ist Niacin relativ hitzestabil. Auch längere Lagerung führt kaum zu einer Verminderung des Gehalts. Allerdings ist der Nährstoff gut wasserlöslich, sodass beim Kochen viel in das Wasser übergeht. Es empfiehlt sich deswegen beim Blanchieren von Gemüse das verwendete Wasser im folgendem Kochvorgang weiter zu benutzen.
Aus tierischen Erzeugnissen kann der menschliche Körper besser und effektiver Vitamin B3 gewinnen. Das liegt einerseits daran, dass der Niacingehalt in diesen Lebensmitteln meist ohnehin höher ist und andererseits auch, dass in pflanzlichen Erzeugnissen das Vitamin B3 oftmals gebunden vorliegt und diese Verbindungen schwer aufgespalten werden können. Erst durch entsprechende Vorbehandlung kann das „pflanzliche“ Niacin dem Körper zugänglich gemacht werden. Bei der Getreideverarbeitung wird beispielsweise stark kalkhaltiges Wasser verwendet, sodass im Magen-Darm-Trakt eine bessere Resorption des Vitamins erfolgen kann.
Beobachtet werden konnte das vor allem in Ländern, die sehr viel Mais und/oder Hirse auf dem Speiseplan stehen haben. Hier kann, ohne Zutun, das Vitamin B3 nicht resorbiert werden und die Eigenversorgung durch die Leber reicht nicht aus, um ein Defizit zu verhindern. Es kommt zu Pellagra, der sogenannten Niacinmangelkrankheit.
Erste Anzeichen sind neben Verdauungsstörungen und Appetitverlust auch körperliche Schwäche. Bei länger bestehendem Mangel kommt es zu Hautveränderungen, ähnlich der Flush-Symptome. Diese verschlimmern sich bei Sonneneinstrahlung abermals. Im weiteren Verlauf kommt es zu Depressionen und Demenz bis Pellagra bei nicht-Behandlung schließlich durch Multiorganversagen tödlich endet.
Niacin in der Medizin: Cholesterin, Krebs und Covid-19
Gerade im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel wird gern das Blaue vom Himmel versprochen. Vor allem im Bereich der Cholesterinsenkung, hat man sich von Vitamin B3 viel erhofft. Wenn sogenannte „Statine“ (Arzneistoffe, die als Cholesterinsenker bzw. Lipidsenker eingesetzt werden) alleine nicht mehr ausreichten, setzte man Niacin hoch dosiert ein – neben der LDL-Senkung sollte auch das HDL erhöht werden. Beides würde sich positiv auf die Blutfettwerte auswirken.
Groß angelegte Studien zeigten, dass sich die Werte bei Einnahme oder nicht-Einnahme nicht signifikant unterschieden. Zusätzlich traten bei der Gruppe, der Niacin verabreicht wurde zahlreiche Nebenwirkungen auf: Myopathie, gastrointestinalen Beschwerden und Verschlechterung bzw. Neuauftreten von Diabetes mellitus. Vor allem bei der gleichzeitigen Einnahme von Statinen wurde das Schlaganfallrisiko deutlich erhöht. Aufgrund des schlechten Nutzen-Risiko-Verhältnisses wurde das Medikament 2013 vom Markt genommen.
Vor allem bei der DNA-Regeneration spielt Niacin eine große Rolle, weswegen es gern bei Piloten zum Schutz vor Erbgutveränderungen eingesetzt wird. Auch wird ihm eine wichtige Rolle bei der Prävention von Hautkrebs zugesagt. Dies wird deutlich, wenn man sich die Auswirkungen eines Vitamin B3-Mangels genauer ansieht: (Schleim-)Hautveränderungen mit Juckreiz und Ausschlag sowie deren Verschlimmerung bei Sonneneinstrahlung.
Im Gegensatz zu den beiden bereits gut erforschten Indikationsfeldern steht man beim Einsatz von Niacin bei COVID19-Erkrankung noch am Anfang. Untersucht wird der Einsatz von Vitamin B3 bei schweren Verläufen und ob sich diese damit abmildern lassen. Einig sind sich die Wissenschaftler bei einer Sache aber jetzt schon: Vitamin B3 kann eine Erkrankung nicht verhindern.
Überblick für die Kitteltasche – Vitamin B3:
Bausteine/Wirkstoffe: Vitamin B3 wird auch als Niacin bezeichnet und umfasst Nicotinsäure sowie Nicotinamid und die von ihnen abgeleiteten Verbindungen. In Arzneimitteln liegt es meist als Nicotinamid vor, wohingegen in Lebensmitteln meist Nicotinsäure verwendet wird. Dieses kann die Leber aus der Aminosäure Tryptophan auch selbst bilden.
Funktion(en) im Körper:
- Erhalt eines normalen Energiestoffwechsels
- Erhalt einer normalen Funktion des Nervensystems
- Erhalt normaler psychischer Funktionen
- Erhaltung gesunder Schleimhäute
- Erhalt normaler Haut
- zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung
Bezugsquellen:
Bohnenkaffee, Fleisch, insbesondere Innereien, Fisch, Vollkornprodukte, Mungobohnen, Erdnüsse, Pilze.
Richtwerte:
Angabe in mg-Äquivalente/Tag
(1 mg Niacin-Äquivalente = 1 mg Niacin = 60 mg Tryptophan)
Säuglinge:0 bis unter 4 Monate: 2 mg/Tag4 bis unter 12 Monate: 5 mg/Tag
KinderundJugendliche:1 bis unter 4 Jahre: 8 mg/Tag4 bis unter 7 Jahre: 9 mg/Tag
7 bis unter 10 Jahre: 11 mg/Tag (männlich) 10 mg/Tag (weiblich)10 bis unter 13 Jahre: 13 mg/Tag (männlich) 11 mg/Tag (weiblich)
13 bis unter 15 Jahre: 15 mg/Tag (männlich) 13 mg/Tag (weiblich)
15 bis unter 19 Jahre: 17 mg/Tag (männlich) 13 mg/Tag (weiblich)
Erwachsene:
19 bis unter 25 Jahre: 16 mg/Tag (männlich) 13 mg/Tag (weiblich)
25 bis unter 51 Jahre: 15 mg/Tag (männlich) 11 mg/Tag (weiblich)
51 bis unter 65 Jahre: 16 mg/Tag (männlich) 13 mg/Tag (weiblich)
65 Jahre und älter: 14 mg/Tag (männlich) 11 mg/Tag (weiblich)
Schwangere: 2. Trimester: 14 mg/Tag 3. Trimester: 16 mg/Tag
Stillende 16 mg/Tag
Quelle: Niacin Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.
Symptome einer Untervorsurgung:
Hautveränderungen
· Konzentrationsverlust
· Schlafstörungen
· Reizbarkeit
· Depressionen
· Appetitverlust
· Durchfall
· Schleimhautentzündungen ( vor allem im Mund- und Darmbereich)
Risikogruppen für Unterversorgung:
· Kupfer-Mangel verschlechtert die Resorption von Vitamin B3
· Mangelernährung, Diäten oder einseitige Ernährungsgewohnheiten sowie Magersucht
· Alkoholismus
· Leberzirrhose
· chronischer Durchfall
· Hartnup-Krankheit (vererbte Stoffwechselstörung)
Symptome einer Überversorgung
· Hitzegefühl
· Hautrötungen in Gesicht, Nacken und Armen
· Nesselsucht mit stark juckenden Quaddeln und Hautjucken
· Durchfall, Übelkeit und Erbrechen
· Gelbsucht, Schädigung der Leber
· Glucoseintoleranz
Freund:
· Kalk
- In pflanzlichen Lebensmitteln liegt das Niacin meist gebunden vor, sodass es vom Körper kaum aufgenommen werden kann. Setzt man diesen Verbindungen einen „attraktiveren“ Partner vor, lösen sie sich und die Resorption verbessert sich
Feind:
· Medikamente:
- ASS hemmt Resorption von Vitamin B3
- bei Höher Niacin-Aufnahme wird die Wirkung bestimmter Epilepsie-Medikamente verstärkt (Carbamazepin und Primidon)
- L-Dopa hemmt Resorption von Vitamin B3
- Hohe Dosen Niacin können Gicht verschlimmern und die Wirkung von Allopurinol verringern
· Alkohol
- Niacin in Kombination mit Alkohol löst einen „Mini-Flush“ aus, welcher zu Hautrötungen mit Hitzegefühl und Juckreiz führt
PTA Wissen kompakt:
- Bei der Einnahme von hohen Dosen Nicotinsäure (über 30mg/Tag) muss man einem sogenannten „Niacin-Flush“ rechnen, bei dem sich die Gefäße plötzlich und rasch erweitern. Dies führt zu kribbeligen und juckenden Hautausschlägen. Bei der Einnahme von Vitamin B3 in Form von Nicotinamid ist mit dieser Nebenwirkung nicht zu rechnen.
- Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt in Nahrungsergänzungsmitteln nicht mehr als folgende Mengen beizusetzen: 4 mg Nicotinsäure, 160 mg Nicotinsäureamid oder 4,4 mg Inosithexanicotinat (Inositolniacinat) pro Tagesdosis
Außerdem sollten Schwangere weniger als 16 mg Nicotinamid am Tag durch Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. - Viele Schwangere haben (vor allem im ersten Trimester, wenn die Organe gebildet werden) einen Niacin-Mangel. In einem guten Schwangerschafts-Vitamin-Präparat sollte daher Vitamin B3 auf jeden Fall vertreten sein.
- Auch bei Alkoholikern tritt oftmals ein Niacin-Mangel auf. Gerade in dieser Patientengruppe wäre ein guter Vitamin B3-Spiegel aber wichtig, da dieser einer Leberfibrose (und übrigens auch einer Fettleber) vorbeugen kann.
- Wie auch die anderen B-Vitamine wirkt sich Niacin positiv auf die kognitiven Fähigkeiten aus. Um Demenz und Alzheimer vorzubeugen bietet sich daher an, auf eine ausreichende Versorgung zu achten.
Quellenangaben
- Für alle, dies es genauer wissen wollen:
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. aufgerufen am 19.09.2021
https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/niacin/
und
https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/niacin/?L=0
sowie
Deutsche Verbraucherzentrale, aufgerufen am 19.09.2021
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/niacin-warum-ergaenzen-13833 - Studien zum Nachlesen
National Library of Medicine, aufgerufen am 10.10.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25014686/
und
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20932352/ - Referenzwerte Lebensmittel: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, aufgerufen am 19.09.2021
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/sp.efsa.2017.e15121 - Bundesinstitut für Risikobewertung, aufgerufen am 19.09.2021
https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-niacin-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf
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